Hasta la Vista Boa Vista

27.April 2018

Manaus

 

Boa Vista ist weniger von touristischen Interesse, sondern liegt eher auf dem Weg. Es ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Roraima. Roraima liegt südlich von Guyana und Venezuela und nördlich des großen Bundesstaates Amazonas. Mit 2 Menschen auf dem Quadratkilometer, leben hier noch weniger Menschen als in Surinam und Guyana. Größtenteils bedeckt von Regenwald und etwas Savanne.

Nach zwei Tagen Musik-Bus, siehe vorherigen Text, und einer kurzen Strecke Kühlschrank-Bus (Die Klimaanlage war auf Eisfach-Einstellung) sind wir abgekämpft am überregionalen Busbahnhof rausgekullert. Die verknautschten, müden und stinkenden Gestalten, derer wir uns bemächtigen, trugen sich bis zum nächsten Wifi, von dem aus wir unseren Couchsurfer kontaktierten.

Darf ich vorstellen? Eli. Eli ist etwas kleiner, Brille, gelockte Haare bis über die Schultern. Die Haare sind schwarz mit braunen Enden. Er trägt gern offen und schicken Vollbart. Lässig angenehm gekleidet und den Schlüssel zum kleinen roten Auto in der rechten Hand. Das Gesicht ist oft nachdenklich und gern der Freude zugeneigt. Sein zu Hause mag er nicht sonderlich. Zu viele kleine Tierchen rennen durch alle Zimmer. Dazwischen auch mal ein größerer Käfer. Ein schlichtes flaches Betonhaus mit allerlei alten und bunten Wänden. Es gibt sogar einen Garten mit zwei großen Bäumen. Sein Begleiter, ein Hund namens Brownie, erwartet uns schon in seinem Haus. Wir werden keine Freunde und verbannen ihn relativ schnell in den Garten.

Noch bevor wir sein zu Hause zu sehen bekommen, fährt er mit uns zur Uni. Tagsüber arbeitet er mit Kindern und abends studiert er Musik. Wir setzen uns mit ihm in das Seminar „Musik der Länder Lateinamerikas“. Nacheinander werden Vorträge über verschiedene Länder gehalten und unser Gastgeber referiert über Haiti. Wie vermutlich in jedem Seminar der Welt ist nur der Seminarleiter interessiert und alle anderen an ihren Handys und Laptops.

In Boa Vista können wir den Blick auf den Rio Branco empfehlen und nach Sonnenuntergang die großen Plätze insbesondere den Praça das Águas. Dort beginnen abends Wasserfontänen nach Musik zu spielen. Nach und nach kommen Menschen, um dort zu sitzen, zu quatschen und zu essen. Fliegende Händler*innen bieten allerlei, wie Popcorn, Ladekabel und Zuckerwatte. Viele der Straßenhändler*innen sind Venezulaner*innen. Auch tagsüber versuchen sie Autoscheiben zu waschen, führen Kunststücke auf Kreuzungen auf oder betteln. Nur um an etwas Geld zu kommen.

Die Situation in Venezuela soll zur Zeit sehr schwierig sein, weswegen wir uns schon früh gegen den Besuch des Landes entschieden haben. Neben einer Hyperinflation ist es überhaupt schwierig an Essen und Geld zu kommen. Uns wird von leeren Supermärkten berichtet. Viele verlassen das Land und deshalb halten sich auch viele im wohlhabenderen Brasilien auf. Wir kommen auch am UNHCR-Camp vorbei, ein großes Kirchengelände voll mit kleinen bunten und großen weißen Zelten mit dem blauen UNHCR-Logo. Insgesamt soll es zwei größere Anlaufstellen für die geflüchteten Menschen geben. Ein weiteres betreibt Brasilien selbst. Dort gibt es neben Unterkünften auch Waschmöglichkeiten und Kochstellen. Nichtsdestotrotz meint Eli, sei der Chavismus weiterhin beliebt. Auch in Brasilien. Chavez ist der verstorbene Vorgänger des jetzigen venezolanischen Präsidenten Maduro. Er hat über viele Jahre das sozialistische Land regiert und die hohen Einnahmen aus dem Erdöl an die arme Bevölkerung verteilt. Nun sind die Erdöl-Preise in den Keller gefallen und der Planwirtschaft fehlt das Geld. Noch mehr Erdöl zu verkaufen hilft dem Land dabei nur kurzfristig, weil es wiederum den Weltpreis senkt. Bisherige Versuche die Wirtschaft zu stabilisieren, teils mit spektakulären Ideen wie der ersten staatlichen Krypto-Währung, schlugen bislang fehl. Gleichzeitig ist das Land wegen seines Sozialismus von der westlichen Welt relativ isoliert. In Nachrichten wird vor allem im Zusammenhang mit gewalttätigen Protesten berichtet. Dabei wird meist der Narrativ von der sozialistischen Misswirtschaft bedient.

Wer heute den Nordwesten Brasiliens besucht, wird unweigerlich mit den geflüchteten Venezulaner*innen in Kontakt kommen. In Boa Vista sehen wir sie in den Straßen, nehmen sie aber nicht als aufdringlich war. Als wir vom lieben Eli zum Busbahnhof gebracht werden, sehen wir viele am Straßenrand sitzen.

Eli und uns war es ein lohnenswerter Besuch. Eli steht noch lange vor dem eisgekühlten Bus, in dem wir auf die Abfahrt warten. Wir klappen wie alle anderen die Sitze um und legen die Beine hoch. Wir fahren über nacht und schon bald schlafen wir seelenruhig ein.

Es ist aus die Maus, ab geht‘s nach Manaus!


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