Palmen und Berge?!

von Rosa

Wir liegen im grünen Gras. Es fällt uns schwer die Augen aufzuhalten. So blinzeln wir der Sonne entgegen und lassen einfach nur die Umgebung auf uns wirken. Hellgrüne Berghänge, dunkelgrüne Bergspitzen und blauer Himmel mit vorbeiziehenden Schäfchenwolken. Ich lege den Kopf ins Gras und muss mir immer noch die Augen reiben, um zu begreifen, dass zwischen den Bergen in diesem Tal Palmen stehen. Es gibt ganz unterschiedliche, kleinere, größere, manchmal ist nur noch der Stamm da. Wie Zahnstocher in Landschaft. Kein Meer weit und breit.

Fünf Uhr morgens bin ich in Armenia. Zwei Stunden eher als geplant. Im Busbahnhof stehen Backpacker in den Ecken und warten auf ihre Weiterfahrt. Ich warte auf einen ganz besonderen Backpacker: Daniel. Für mich ist er Schweizer, obwohl er erst seit vier Jahren dort lebt. Wir hatten uns in San Gil im Hostel kennengelernt und bis fünf Uhr morgens über Gott, die Welt und die Schweiz philosophiert. Zufällig haben wir uns in Bogotá wiedergetroffen. Er meinte, er buche immer das günstigste Hostel und so kreuzten sich unsere Wege weil das auch meiner Reisephilosophie entspricht. Nach einem Bier in Papiertüten (weil es in Bogotá verboten ist in der Öffentlichkeit zu trinken) beschlossen wir gemeinsam nach Salento zu fahren.

Zwischen den anderen Reisenden sehe ich einen Mann mit Basecap unter dem eine Justin Bieber Frisur zu erkennen ist. Das ist Daniel. Er ist genauso müde wie ich, aber wir schleppen uns zu einem kleinen Bus, der uns in 40 Minuten nach Salento bringt. Ein buntes Touristenstädtchen mit viel Handwerk, kleinen Restaurants und eben jeder Menge Touristen. Unser Hostel sieht aus wie die Villa Kunterbunt und so sind im Garten wahllos Gegenstände verteilt, u. a. auch ein Nussknacker und ein Weihnachtsmann. Frohe Weihnachten!

Auf dem Marktplatz stehen die Touristen in einer Schlange und warten bis sie ein Jeep ins Valle Cocora – Tal der Palmen mitnimmt. Daniel stellt sich mutig auf die kleine Ladefläche des Jeeps und genießt dafür einen tollen Ausblick. Die meisten Touristen setzten sich auf ein Pferd, um das Tal zu erkunden. Wir wählen unsere Füße und wandern die Hügel hinauf und wieder hinunter. Aller 200 Meter halte ich an, um wieder ein Foto aus einer anderen Perspektive aufzunehmen. Ich bin von der Schönheit dieses Ortes überwältigt und nur mein knurrender Magen kann mich zum gehen überreden.

Es gibt sie wirklich. Eine Bar, wo es erlaubt ist Sprengstoff zu zünden. Als mir ein paar andere Backpacker von der Bar erzählen, glaube ich eher an einen Werbetrick. Doch jetzt stehe ich in einer Halle, habe ein Bier in der Hand und es riecht nach Silvester. Das Ganze hat auch noch einen offiziellen Namen und heißt Tejo. Ein Volkssport in Kolumbien. Am Eingang der Halle durften wir uns einen zwei-bis drei Kilogramm schweren Stein aussuchen, der unser Wurfglück bestimmen soll. Jetzt stehen wir vier Meter von einem Lehmhügel entfernt. In der Mitte des Lehmhügels liegt ein tellergroßer Ring auf dem kleine Papierdreiecke liegen. So ganz habe ich das Spiel noch nicht verstanden, aber ich werfe einfach mal und erschrecke mich prompt, weil es tatsächlich knallt. In den Papierdreiecken ist Sprengstoff und es dampft. Für mein Anfängerglück wird mir auf die Schulter geklopft. Aber es geht hier nicht nur um den Spaß, sondern auch um Punkte. Die bekommt man entweder, wenn man direkt in den Ring trifft, es knallt oder wenn sein Stein von allen Werfern am nächsten am Ring landet. Es geht bis 21. So werfen wir, zählen Punkte und ab und zu erschrecken wir uns. Zwei andere und ich haben alle 20 Punkte. Es kommt zum Showdown. Am Ende gewinne ich unspektakulär mit Präzision. Liebe Leser, bitte nachmachen. Vielleicht auf der nächsten Gartenparty.

Salento liegt in der sogenannten Kaffeezone, einem Gebiet, wie es der Name schon verrät, in dem besonders viel Kaffee angebaut wird. Wir machen eine kleine Wanderung, vorbei an Kaffee- und Obstplantagen. Da ich schon in Peru einiges über den Kaffeeanbau gelernt habe, entscheiden wir uns für einen frisch gepressten Saft am Wegesrand. Die Wanderung wird nicht langweilig, da Daniel ein begnadeter Geschichtenerzähler ist. Südamerika ist für ihn nur ein Zwischenstopp auf seiner Weltreise, die ihn von Hongkong über Australien, Lateinamerika bis nach Indien führt. In den vier Jahren Schweiz hat er soviel gespart, dass er sich nun seinen Traum erfüllen kann. Als wir gerade auf dem Weg nach Hause sind, beißt mich ein Hund während des Laufens in meinen Knöchel. Nicht tief, aber es kommt ein bisschen Blut. Nachdem die Hunde in Südamerika meine Schuhe und Reiseführer angefressen habe, bin nun auch noch ich selbst dran. Ein Hoch auf die Tollwutimpfung.

Mit einem Zwischenstopp in Cali, reisen wir weiter nach Ipiales, einem Ort an der ecuadorianischen Grenze. Dort gibt es eigentlich nicht viel zu sehen, außer eine Kirche, die in eine Schlucht gebaut wurde. Santuario de las Lajas ist in 20 Minuten gut von Ipiales zu erreichen. Das neogotische Bauwerk wurde über einem Fluss errichtet und der Blick von einer nahegelegenen Erhöhung auf die Kirche ist mehr als beeindruckend.

An der Grenze nach Ecuador warten wir insgesamt drei Stunden. Es sind hier deutlich weniger Venezolaner als noch vor ein paar Wochen. Menschen ohne Reisepass dürfen nicht mehr einreisen. Leisten kann sich diesen Reisepass fast niemand mehr in Venezuela. Als wir nach sechs Stunden Fahrt endlich in Quito ankommen, stehen am Busbahnhof auf einer Verkehrsinsel viele Zelte aneinandergereiht. Hier leben Geflüchtete aus Venzuela. Auch ohne jemals in Venzuela gewesen zu sein, habe ich durch die Menschen viel über das Land und die politische Situation erfahren. Hoffnung, dass es in ihrem Land bald besser wird, haben die wenigsten. Das Privileg frei reisen zu können, wird mir in solchen Momenten immer besonders deutlich. Im Hostel in Cali habe ich einen jungen Mann aus Chemnitz getroffen. Er hat sich in Kolumbien, seine Arbeit im Hostel und eine Frau aus Cali verliebt. Bleiben will er auf jeden Fall. Er verstehe aber nicht, warum der deutsche Staat Ausländern so viel Geld gäbe, um in Deutschland auf die Beine zu kommen. Vielleicht, sage ich, damit sie sich ein bisschen von dem Glück aufbauen können, dass du auch fern von deiner Heimat gefunden hast. Er schweigt und geht. Es sind Momente wie diese in denen ich traurig werde. Traurig über die Unfähigkeit von Menschen zu teilen. Traurig über die Fähigkeit von Menschen zu Kategorisieren, zu Verallgemeinern und andere Menschen in Schubladen zu stecken. In Cali, Quito oder Chemnitz.

Ich finde die Palmen sind ein schönes Beispiel. Ich habe sie bisher immer mit Strand und Meer in Verbindung gebracht. Aber Palmen und Berge? Geht gut und sieht auch noch richtig geil aus!


Leave a Reply