Sep 28 2018

Von Superhelden, dem Teufel und Schlümpfen

von Rosa

Der Kranke

Was will man auf jeden Fall nicht, wenn man auf Reisen ist? Richtig, krank werden. Doch, da sich das Leben des öfteren den Spaß macht Pläne durcheinander zu bringen, passieren eben auch solche Unannehmlichkeiten. Als ich meinen ehemaligen Mitbewohner Ronny in Quito treffe, sieht er müde aus. Das ist auch kein Wunder nach über 18 Stunden Flug. Am nächsten Tag fühlt er sich noch schlechter. Kopf- und Gliederschmerzen, erhöhte Temperatur und Bettschwere. Hinzu kommt, Ronny hat sich vor einer Woche fünf Zeckenstiche in Bayern eingefangen. Da sitzt die Angst vor einer Borreliose im Nacken. Also doch lieber auf Nummer sicher und zum Arzt.

Unter der Neonröhre tropft ein Medikament aus dem Schlauch, das wir beide noch nie gehört haben. Wikipedia hilft und verrät, dass es in den meisten Industrieländern nicht mehr verwendet wird, aber wohl unbedenklich sei. Die behandelnde Ärztin hat einen mit Superhelden bedruckten Kittel an. Von allen Krankenhäusern in Quito wurde uns das Metropolitano empfohlen. Als einziges mit englischsprachigen Ärzten. Englischsprachige Ärzte heißt aber nicht automatisch englischsprachiges Personal. Der Krankenhausvertrag ist für mein Spanisch etwas zu viel. Also alles Übersetzen oder Augen zu und durch. Ronny schließt die Augen. Er ist müde. Es wird Blut abgenommen, Fragebögen ausgefüllt, nach Symptomen mehr schlecht als recht gefragt und dann sind erst mal alle weg. Das erste Urlaubsfoto wird nicht der Blick über Quito in der Abendsonne, sondern der Kranke am Tropf und im Nachthemd im Neonröhrenschein. Nach einer Stunde ist die Ärztin wieder da und die Bluttests auch: Alles im grünen Bereich. Die Superhelden-Ärztin verschreibt Paracetamol und Ausruhen. Ganz wichtig: nicht auf den Chimborazo oder Cotopaxi wandern. Beide sind über 5000 m hoch. Das war wohl der Witz des Tages. Mir brummt der Kopf vom Fachspanisch und Organisieren. Schnell besorge ich noch die Tabletten in der Apotheke. Dort werden auch Cola und Chips angeboten. Clever denke ich, gleich ein Angebot für die Nachfrage schaffen. So funktioniert Wirtschaft.

Nach einigen Recherchen im Hostel stellen wir fest, dass Borreliose sicher erst nach vier- bis sechs Wochen im Blut nachgewiesen werden kann. Ronny wird fast die Hälfte seines Urlaubs brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Am Ende war es aber wahrscheinlich nur ein starker grippaler Infekt. Aber wenigstens ein Urlaubsmotiv, dass nicht jeder bei Facebook postet.

Eine lange (Ab)Fahrt

Um der Höhe etwas zu entkommen, die Ronny zu schaffen macht, fahren wir drei Stunden südlich nach Baños. Der Name der Stadt „Bad“ ist Programm. Hier gibt es ganz unterschiedliche Thermalquellen und Wasserfälle. Da Ronny noch nicht richtig fit ist, schwinge ich mich alleine aufs Fahrrad, um die Wasserfälle rund um Baños zu erkunden. Der Fahrradverleiher erklärt mir, dass ich entweder nur bis zum größten Wasserfall „Pailon del Diablo“ (Teufelsschlucht) fahren kann oder bis ins 60 Kilometer entfernte Puyo. Bei der Zahl 60 stocke ich kurz, aber es würde wohl alles nur bergab gehen. Wie sich später herausstellt, war die Aussage nur zu 60 Prozent richtig.

Schon auf den ersten Metern fängt es an stark zu regnen. Das Wasser und der Dreck spritzen mir ins Gesicht und als ich beim ersten Wasserfall ankomme, sehe ich aus wie gerade aus dem Moor gestiegen. Der Ausblick auf die Wasserfälle und Schluchten ist beeindruckend. Aus den grünen Baumteppichen sprudeln größere oder kleinere Wasserquellen und stürzen in die Tiefe. Zu einigen Wasserfällen kann man entweder mit einer Gondel fahren oder sich an einem Seil hinüberschwingen. Ich entscheide mich erst mal bis zur Teufelsschlucht zu fahren. Der Weg ist schlecht ausgeschildert. Da könnte Mephisto wirklich mehr Werbung für sich machen. Wie sollen die verirrten Seelen ohne blinkenden Leuchtpfeil und High-End-Marketing zu ihm finden. Vielleicht dreht sich die Welt selbst für den Satan zu schnell. Ich bekomme gerade noch rechtzeitig die Abfahrt für mein teuflisches Date. Mein schlammiges Outfit ist etwas gewagt, aber vielleicht steht er ja auf Erdmenschen. Über eine Steintreppe geht es nach unten. Nach ein paar Metern sehe ich einen gewaltigen Wasserstrom, der in die Tiefe stürzt.

Selbst in einiger Entfernung, denkt man es regnet, obwohl das Wasser eigentlich vom Aufprall von unten nach oben gespritzt wird. Es wirkt tatsächlich als würde der Teufel hier persönlich wohnen. Durch eine Höhle, die wirklich nur für Zwerge ausgelegt ist, krieche ich bis hinter den Wasserfall. Die Lautstärke durch den Wasseraufprall ist ohrenbetäubend. Den Teufel habe ich allerdings auch nach mehrfachen Suchen nirgends gefunden. Was für ein Gentleman. Versetzt mich einfach.

Bis zur Teufelsschlucht stimmte die Aussage, dass es nur bergab ging. Aber bis Puyo liegen noch 36 Kilometer vor mir. Das Wetter ist unbeständig. Regen, Sonne und wieder Schauer. Die Abfahrten werden immer wieder durch kleine Dörfer, Tunnel und zu meiner besonderen Freude von Steigungen unterbrochen. Ich schleiche wie eine Schnecke im ersten Gang den Berg hoch. Andere Fahrradfahrer treffe ich nicht. Immer wieder hupen Autos und winken mir zu. Kinder drehen ihre Köpfe aus dem Fenster, um die Verrückte noch einmal zu sehen, die sich hier abschuftet. Irgendwann holt mich dann doch ein Radfahrer ein, der wohl gerade von der Tour de France kommt. Ich darf ein Stückchen in seinem Windschatten mitfahren. 30 Minuten sagt er noch bis Puyo. Ich erkenne schon an seiner Tonlage, dass er wohl mir zu Liebe nicht ganz die Wahrheit sagt. Wenigstens hat der Regen und der Schweiß meine Schlammkruste vom Gesicht und der Kleidung gewaschen.

An einem Aussichtspunkt kommt mir eine Rast sehr gelegen. Das Stück Zitronenkuchen schmeckt trotz seiner Trockenheit in diesem Moment wie die beste Sonntagstorte von Oma. Noch 12 km. Diesmal stimmt es tatsächlich und der Weg ist bis auf ein paar Ausnahmen fast eben. Nach vier Stunden erreiche ich Puyo in Wasser gebadet ob vom Regen oder der Hitze ist schon lange egal. Mein Fahrrad kann im Innenraum des Buses verfrachtet werden und ich bin erstaunt und ernüchtert wie schnell ich wieder in Baños bin. Ein Motor ist eben doch etwas anderes als (meine) Muskelkraft.

Einmal bis zur Sonne und zurück

Trotz meines Muskelkaters mache ich mich am nächsten Tag auf zu einer Wanderung. Bis zum Baumhaus „Casa de Arbol“ soll es gehen. Acht Kilometer klingt machbar. Allerdings alles bergauf und ich meine das steile bergauf. Bis zur einer Maria-Statue kommen mir noch ein paar Wanderer entgegen. Irgendwann ist der Weg nur noch ein Trampelpfad und die Menschen verschwunden. Die Sonne brennt. Nach vier Kilometern brennen auch meine Beine und ich betäube meinen Schmerz mit spanischem Raggaeton. Das treibt an. Nach einer weiteren Serpentine erschrecke ich fast. Tatsächlich zwei andere Wanderer und wie sollte es anders sein, sie sprechen deutsch. Solche Wanderungen machen nur die dummen Europäer lacht mich der Schweizer an. Sie haben Wanderstöcke dabei und ich bin kurz neidisch. Ob ich alleine unterwegs wäre, fragt mich der Begleiter des Schweizers, der scheinbar aus der Region kommt. Ja, antworte ich. Oh, ich solle aufpassen. Vor zwei Jahren wäre hier ein Amerikaner verschwunden und ich solle mir einen Stock suchen. Oben auf dem Plateau wären bissige Hunde. Ich mache mir über die Hunde wesentlich mehr Gedanken, als über das Verschwinden des Amerikaners. Wer macht sich schon die Mühe hier hoch zu krabbeln und hat dann noch die Energie jemanden tot zu schlagen oder gar wieder runter zu schleppen. Ich frage wie weit es noch ist und wie eigentlich immer, ist die Antwort nicht mehr weit. Endlich oben angekommen bellt nur ein Hund von Weitem. Vorbei an Papaya-Plantagen und dem Trampelpfad weiter folgend, komme ich irgendwann verschwitzt und durstig an einer weiteren Hauptattraktion von Baños an. An dem Baumhaus hängt eine riesengroße Schaukel, die über einem Abgrund schwingt. Das verspricht Spaß. Es ist Sonntag und so stehen an der Attraktion eine Hand voll Menschen an. Ich steige in die Schaukel, bekomme einen Gurt umgeschnallt. Ein kräftiger Schubs und ich fliege Richtung Wolken. Ein tolles Gefühl. Mit jedem Anschubs komme ich dem Himmel ein Stück näher. Am Ende verpasse ich die Sonne nur knapp.

Auf dem Weg zurück ins Tal nach Baños führt mich meine Karte einmal quer Feld ein. Unbedarft wandere ich den Weg entlang, als mich um die Ecke plötzlich ein grauer Stier anschaut. Einige Sekunden später realisiere ich, dass ich einen roten Rucksack auf der Brust trage. Ich bin in diesem Moment froh, dass er an einem Seil angebunden ist. Trotzdem versperrt mir das schöne Tier den Weg und links und rechts ist ein Zaun. Wir müssen uns also arrangieren. Ich binde mir den Rucksack auf den Rücken und bitte den Stier zum Tanz. Wir schauen uns in die Augen. Ich bewege mich langsam. Vorsichtig, immer mit den Augen auf die zwei Hörner fixiert. Dann stolpere über einen Ast und das Tier sieht es als Zeichen loszurennen. In diesem Moment bin ich zum Glück schon weit genug entfernt um engeren Kontakt zu vermeiden. Ich verabschiede mich unvermittelt und laufe zur Sicherheit noch ein paar Meter weiter. Vom kleinen Intermezzo erholt, eröffnet sich mir ein wunderschöne Blick. Die Sonne geht zwischen den Bergen unter und wirft einen goldenen Schein auf die Berghänge und die kleinen Häuser von Baños.

Heiße Quellen

Entspannung im warmen Wasser. Genau das richtige für meine müden Beine. In Baños gibt es verschiedene Thermalquellen. Die berühmtesten sind die Piscinas de la Virgen, die Quellen der Jungfrau. An diesem Abend ist viel los. Alle Badegäste müssen Badekappen tragen und so erinnert die Menschenansammlung ein bisschen an die Schlumpfenparade. Auch ich schmeiße mich in Schale und halte meine Fußzeh in den ersten Pool. Autsch. Es ist heiß. So richtig Kochwasserheiß. Ich schaffe es bis zu den Knien, denn ich will noch nicht gar werden. Man muss den Schrumpelprozess ja nicht noch vorantreiben. Der nächste Pool ist dafür eher Schockfrostung und ich schwimme schnell hin und her, um mich irgendwie aufzuwärmen. Hier ist es zwar ein paar Sekunden länger auszuhalten, aber die Entspannungsphase setzt auch nicht ein. In einem anderen Schwimmbecken sehe ich von weiten nur die vielen bunten Schlumpfenmützen. Das Becken ist so überfüllt, dass alle wie Frösche im Wasser hocken und darauf warten, dass am Rand ein Platz frei wird, den sie ergattern können. Das Wasser ist zwar auch heiß, aber dennoch auszuhalten. Bei so einer kuscheligen Atmosphäre kommt man automatisch ins Gespräch und so hört sich das Becken nach kurzer Zeit wie ein Froschkonzert an. Ich springe abwechselnd zwischen kaltem und warmen Wasser hin und her und hoffe auf stärkere Abwehrkräfte. Es ist vielleicht nicht wirklich entspannend, aber dennoch ein Spektakel sich in die heißen Quellen von Baños zu stürzen oder zu quetschen.


Sep 17 2018

Blog-Empfehlung: Jack Aves is travelling

heute nur ganz kurz eine andere Leseempfehlung: Jack schreibt gerade aus dem schönen Malaysia sehr schöne lesenswerte Texte! Klickt hier –> https://jackaves.istraveling.org/


Sep 15 2018

Faire Woche beginnt – mit unseren Videos – #fairhandeln

Gestern hat die Faire Woche begonnen! Wir sind ganz stolz mit eigenen Beiträgen dabei zu sein. Auf Facebook und Instagram findet ihr unsere Videos, die wir in Dorf 36 (Guyana), Ivochote (Peru) und Huancayo (Peru) mit Bäuerinnen und Bauern gemacht haben. Also schaut sie euch an und unterstützt die Faire Woche kräftig!

#fairhandeln


Sep 13 2018

Die Odyssee zum Strand

Von Karl

 

Vor kurzem bin ich von einem befreundeten Peruaner gefragt worden, was ich denn vermissen werde, aus Lateinamerika, wenn ich zurück in Deutschland bin. „Vida sin Planes“ Das Leben ohne Pläne. Das ganz spontane Leben. Unbemerkt hat sich dieser Lebensstil eingeschlichen und als ich in Machachi aufbreche merke ich ganz deutlich, dass ich ihn schon lebe und erst später lerne ich ihn in Worte zu fassen. Kurz gesagt: Auch gut.

Ich geh also zur Panamericana, der Hauptachse Ecuadors, die auch direkt durch den Ort geht und stelle mich auf die richtige Straßenseite. Kaum hab ich den Rucksack abgestellt, blinkt mich auch schon ein großer Reisebus an. Eigentlich will ich nach Riobamba, aber dieser fährt nur bis Ambato. Auch gut. Ich spring schnell in den gewohnt ungeduldigen Bus. Ich denke ich müsse viele Umsteige machen, aber schon in Ambato finde ich wieder erwartend mehrere Verbindungen an die Grenze nach Peru. 10 Stunden fahrt. Auch gut. Leider bedeutet dies gegen 11:30 nachts im Zentrum von Huaquillas herauszupurzeln. Als einziger. Doch wie immer, steht auch hier schon direkt ein Taxifahrer bereit. Auch gut. Ich will verhandeln, er will nicht. Komisch. Erst später erfahre ich, dass es festgelegte Preissätze gibt.

Also rein ins Taxi, raus aus der Stadt, den kühlen Fahrtwind in der Hand, zurück auf die Panamericana, die am Ort vorbei zur Grenze führt und direkt zur Grenzbehörde Ecuadors. Er könne nicht nach Ecuador fahren, ich solle einfach dort warten. Dann bekommt bestimmt mal ein Taxi. Ich schau mich um. Zur Zeit sehe ich kein Taxi weit und breit. Auch gut. Ich hol mir also den Stempel für die Ausreise. Draußen wurden große Wasserspender aufgebaut, vermutlich vom Roten Kreuz oder den Vereinten Nationen wegen den vielen flüchtenden Venezolaner*innen. Aber auch ich kann mein Vorrat auffüllen. Gerade kommen nicht mehr so viele, weil seit neusten Ecuador die Vorlage eines Reisepasses verlangt und den haben die meisten nicht.

Ich suche also eine geeignete Wartestelle und hab kaum mein Rucksack abgestellt, kommt ein Taxi angeschlichen. Ab geht‘s nach Peru. Ich frag den Fahrer ob er die Nordküste Perus kennt und was er empfehlen kann. Er meint Mancora wäre das beste. Wenn er das sagt, musst das ja gut sein. Jetzt hab ich auch ein Ziel. Auch gut. An der Grenzbehörde Perus hol ich mein Einreisestempel und mische mich unter die wartenden Venezolaner*innen. Schnell werde ich von einem Taxifahrer identifiziert und mir direkt eine Fahrt nach Tumbes angeboten. Da will ich auch hin, aber erst nach mehrmaligen Wiederholen begreift er, dass ich die übliche Sammel-Taxi-Variante möchte. Das heißt, wenn alle Sitze belegt sind, fahren wir los und dann wird der Gesamtpreis geteilt. Es ist gegen 1 Uhr nachts. Das Warten beginnt. Auch gut. Nach einer halben Stunde wird ihm das zu viel und ich muss mein Rucksack wieder ausladen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Enttäuschung umso größer ist, je größer der Eifer war als er mich als vermeintlich reichen Ausländer aufgelesen hatte. Das ich aber nicht mehr zahlen möchte als jede*r andere, scheint ihn zu frustrieren. Auch gut.

Irgendwann kommt dann eine Peruanerin, die es eilig hat. Ich argumentiere so lange, dass ich es nicht eilig habe und ja warten könne, bis die Frau bereit ist, 5 der 10 Dollar zu bezahlen. Anfangs sollte ich noch 7, 6 und dann 5,70 bezahlen.

Es geht los, aber ich denke, dass ich vielleicht doch einen anderen Weg hätte wählen sollen. Der Fahrer ist extrem müde und das Auto kommt mehrmals verdächtig nahe an die Ränder. Ich such den Sicherheitsgurt. Diesmal ist einer da. Diesmal. Auch gut. Mal wieder geraten wir in eine Polizeikontrolle und zum ersten Mal in Südamerika werde ich auch zum Thema. Als sie aber mein verschnürrten Rucksack sehen, belassen sie es dann doch bei der Frage ob ich Drogen dabei habe. Auch gut. Während die Peruanerin einmal komplett durchwühlt wurde.

An einer Busfirma haut uns der Fahrer raus und ich bekomm‘ ein Platz im Bus gen Lima. Noch mitten in der Nacht hält er in Mancora und ich steh an einer Straße mit ein paar Moto-Taxen, diesen dreirädigen überdachten Motorrädern. Erst versuchen wir es bei dem bekanntesten Hostel nebenan, aber die sind voll und zudem im Partyfieber. Dann werden mir direkt sämtliche Drogen angeboten. Ich finde dann eine Unterkunft und zum ersten Mal eine mit Pool. Auch gut.

Der Typ an der improvisierten Rezeption erklärt mir gar nix und die nächsten Tage bleiben schleierhaft. Ich genieße den nahen Strand.

Wirklich nur eine Minute entfernt. Ist das Wasser ruhig sind hunderte Seesterne im Wasser. Mehrmals gehe ich in die schönen Fluten. Als der Wind aufdreht kommen die Kite-Surfer*innen. Doch die Wellenreiter*innen bleiben draußen. Das kühle Wasser bleibt wunderschön. Gebaut wurde in der Touri-Hochburg bis an den Strand und nur bei Ebbe sind alle Bereiche miteinander verbunden. Die Preise in den Läden sind seeseitig der Hauptstraße gepfeffert. Schnell ist mensch aber auch rausgelaufen aus dem Ort und findet ruhige Stellen mit Dünen und tollem Sonnenuntergang. Im Meer schauckeln Fischerboote, die nächste Einnahmequelle in der Region. Ansonsten bleibt hier nur noch Wüste.

 


Sep 11 2018

Das Warten auf das Steigeisen

von Karl

 

Nach nicht einmal einer Stunde steig ich in Machachi aus. Als einziger bin ich bis zum Busbahnhof gefahren, der eher ein Busparkplatz sein könnte. Nach einem ersten gescheiterten Versuch, finde ich doch noch eine nette Unterkunft. Allerdings meint der Betreiber, dass es gerade ruhig sei. Die Unterkunft gleicht einem Kloster. Weiße Wände, dunkelbraune Holzbalken, Tische, Stühle, Zimmer, alles sehr alt. Viele jahrhundertealte Relikte an den Wänden. Uralte Reiseführer auf den Tischen. In eines der Bücher hat jemand auf spanisch reingeschrieben: „Dieses Buch ist schon lange veraltet. Im Jahr 2008.“ Neben den Büchern liegt noch ein Stapel Bibeln. Alles im Allem habe ich aber auch meine Ruhe dadurch. Auch wenn ich nachts als einziger durch die Gänge streifen kann. Die Ruhe passt zu meiner Tätigkeit: Warten. Abends erst soll der Bergführer vorbeikommen. Agenturen gibt es nicht. Wer hätte das ahnen können.

Ich mach einen Rundgang durch das sonntägliche Machachi und bin positiv beeindruckt. Bei schönsten Wetter wird die Stadt durch imposante Wolken und Berge umrandet. Der Markt ist riesig und LKW-Ladungen werden verladen und auf dem weitläufigen Markt verkauft. Aus der ganzen Region Mejía kommen die Bäuerinnen und Bauern. In harter Arbeit wird alles mögliche angebaut. Sonntags sind alle am Kaufen und Verkaufen dann auf Machachis riesigen Markt. Der allergrößte Bereich ist für Gemüse, Kräuter und Obst vorgesehen. Aber auch Fleisch, Obst und alle möglichen Haushaltswarten werden verkauft. In einer Ecke werden nur Eier verkauft. In den benachbarten Straßen, bis zum Busbahnhof, ist zudem Wollmarkt, weil Sonntag ist. Mützen, Schuhe, Kleidung und vieles mehr kann nun zu günstigen Preisen erworben werden. Gerade hier sind die Preise locker unter dem des Supermarktes. Da ich ja die Küche für mich habe, koche ich umfangreich mit dem leckeren Zeug vom Markt. Nur das ich alleine im Speisesaal sitze gibt mir wieder das Gefühl ein Mönch zu sein. Ein Mönch mit Wifi.

Cotopaxi

Der Bergführer, Xavier, stellt sich als junger und zuvorkommender Vater vor. Er erzählt mir nicht nur alle Details zur Tour auf Iliniza und Cotopaxi, sondern auch wie ich weiterkomme und wir quatschen wenn wir uns in der Straße begegnen. Ich hab hohes Vertrauen und glaube, dass er mich zum Gipfel bringt. Nur muss jetzt Sam, der zweite im Team noch kommen. Etwas zögerlich, aber dann gibt er sein „Go!“. Im letzten Moment, weil ich weiter nach Peru muss und nicht mehr länger warten kann.

Ich habe also erneut Zeit hinzubekommen und mache eine Wandertour. Nicht ganz klar wohin, laufe ich gen Naturschutzgebiet und werde von einem geteilten Taxi bis nach „Santa Ana de Pedregal“ gefahren, was lokal auch nur Santana oder Pedregal genannt wird. Von dort setze ich meine Wanderung durch die karge Steppe fort. Der Wind pfeift kalt, aber gleichzeitig sticht die Sonne. Wolkenfetzen ziehen in knapper Entfernung über die Hochebene oder kleben an Gipfeln. Das Gras wächst in flachen Büscheln, gelblich. Ich komme an den Eingang zum Naturschutzgebiet. Warntafeln erklären was zu tun ist beim Ausbruch des Cotopaxi. Dieser liegt nun direkt vor mir. Ich folge dem Weg und erreiche nach Stunden die Straße zur Berghütte. Ich kann schon die Serpentinen sehen, die an dem idealen Kegel emporschlengeln. Die Gletscher sind deutlich zu sehen. Zwischen schwarzsandigen Fußbereich und weißem Schnee befinden sich rote Felsenbereiche. Je höher ich komme, desto weniger Bäume und desto flacher die Pflanzen. Auch große und kleine Steine sind überall verstreut. Der Cotopaxi ist nicht nur sehr schön, er ist auch einer der aktivsten und höchsten Vulkane der Welt. Ecuador hat nur einen noch höheren Berg bzw. Vulkan: der Chimborazo. Weiter als bis zum Fuße des Cotopaxi schaffe ich es nicht, denn gegen Mittag muss ich den Rückweg anzutreten. Nicht ohne einen siegesgewisses Lächeln. Ab Pedregal fährt übrigends auch ein Bus für 60 Centevos nach Machachi. Der altersschwache Bus ist eine wahre Rüttelmaschine auf dem Kopfsteinpfaster, das die Ortschaften verbindet.

Zurück im „Kloster“ erwarte ich Sam, doch der ist nicht da. Ein Blick in die Mails lässt den Traum zusammenbrechen. Zwei Wochen Anlaufschwierigkeiten scheitern jetzt an Sams verletzten Knie. Er kann sein Bein kaum bewegen. Ich kann nicht verschieben. Gleichzeitig bekomme ich kein Geld von der Anzahlung wieder (160 US-Dollar). Der Guide hat es schon für Reservierungen und dergleichen ausgegeben. Er selbst hat nun das Problem, in der Zeit keine Arbeit zu haben und damit kein Geld zu verdienen. Mit unserem Frust stehen wir eine gute halbe Stunde gegenüber, aber wir finden keine Lösung. Keine die ich bezahlen könnte.

Ich brauch also eine andere Lösung:

Weg von hier.

Mach‘s gut Ecuador!

Surfbrett statt Steigeisen!


Sep 1 2018

Atemberaubender Gipfel

von Karl

 

Der Wind steigt aus der Tiefe des Tals entlang des Berghangs nach oben. Auf einer unsichtbaren Höhengrenze beginnt er milchig zu werden. Als wenn etwas Milch ins Wasser gerät. Doch was sich vor mir, direkt am Berghang sitzend, auf Augenhöhe und zum Greifen nah abspielt, ist, dass sich eine neue Wolke bildet. Immer mehr und mehr weiße Watte bildet sich und gerne würde ich in die Watte greifen und mit ihr aufsteigen. Gebannt schaue ich auf das Naturschauspiel und merke die Zeit nicht mehr.

Eben bin ich den Sandhang vom Gipfel hinunter geschlittert. Die letzten hundert Höhenmeter zum Rucu Pichincha musste ich aufwärts ein Sandfeld umklettern, was aber abwärts es umso leichter macht. Die allerletzten Meter sind allerdings felsig und es muss mit allen Vieren geklettert werden. Jede Bewegung nach oben, jeder Schwenk mit dem Kopf von unten nach oben oder zurück, verursacht schon massives Herzrasen. Mit der Seilbahn bin ich aus Quito auf knapp 4000m Höhe gefahren. Von diesem Erlebnis und vielen weiteren Highlights in Quito habe ich schon vor Wochen berichtet, als wir gen Norden unterwegs waren. Von der Bergstation aus führt ein Weg, mal steil, mal gemächlich zum Fuße des Rucu Pichincha. Dann eine Weile parallel zu seinen Felsen, vorbei an Höhlen, bis dann der besagte steile Anstieg erfolgt. Schon dort sind schnelle Bewegungen zu viel. Wenn ich das übertreibe, werde ich benommen und merke wie mir das Bewusstsein entgleitet. Also mache ich langsam. Diese Höhen sind neu für meinen Körper und Akklimatisierung braucht seine Zeit.

Als dann der letzte Meter überwunden wurde bestaune ich erst das Schild mit den 4690m. Das ist vielleicht der Höchste Punkt an dem ich auf dieser Reise komme. Zumindest bewusst. Aber dann erfolgt das zweite Mal, dass mir fast der Atem weg bleibt. Ein gigantischer 360Grad-Blick eröffnet sich mir. Lediglich der etwas höhere Brudergipfel Guagua Pichincha unterbricht den fantastischen Ausblick. Vor mir breitet sich die Millionen-Metropole Quito aus. Die gesamte Länge dieser unfassbar langgezogenen Großstadt ist gut zu erkennen. Nachbarortschaften inklusive. Flugzeuge sind kaum zu erkennen und fliegen tiefer als ich. Die Gebirgskette hinter Quito liegt in Wolken und wird unterbrochen von drei weißen Kegeln. Den Cayambe, den Antisana und den Cotopaxi. Die Vulkane heben sich nur durch ihre Form von den weißen Wolken ab. Immer wieder werden sie verdeckt, um wenig später wieder frei zu stehen. Es ist ein grandioser Anblick und insbesondere der Höchste der drei, der Cotopaxi, erstrahlt in seiner ganzen Schönheit. Ein alleinstehender Vulkankegel der weit über die 5000m hinausgeht.

Hinten der Cotopaxi, vorne Quito

Er gilt als technisch einfach zu besteigen und gilt als meist-bestiegener Berg Südamerikas. Wenn das mal nicht nach einer meisterbaren Herausforderung klingt. Ich mach mich also in Quito ans Werk: online wie offline lege ich viele Meter hinter mir und frage unzählige Agenturen und Leute. Ich brauche ein gutes Angebot inklusive der ganzen Sachen die für einen Bergbesteigung nötig sind. Anerkannte*r Bergführer*in, Gletscherausrüstung, Wintersachen, Transport, Verpflegung, etc. Auch die Familie, die mich aufnimmt nutzt ihre Kontakte und telephoniere mit deren Telephon mit der Freundin der Mutter. Doch gute Angebote sind Fehlanzeige, weil ich alleine bin. Die Preise schwanken zwischen 6 und 900 USDollar. Ich suche eine Agentur, wo zufällig gerade noch ein*e andere*r allein anfragt und wir so den Preis halbieren können.

Ich muss euch noch die Familie vorstellen. Eingeladen hat mich Camila, PR-Studentin im letzten Semester, die mir ihrer Familie vor einem Jahrzehnt aus Bogotá nach Quito kam. Wir quatschen viel, wenn es die Zeit zulässt. Über Sexismus in den beiden Ländern. Z.B. dass Schulen Mädchen verpflichten kurze Röcke und hohe Schuhe als Schuluniformen zu tragen, die äußerst unpraktisch sind. Sprüche und Übergriffe in Bussen. In allen Bussen und Haltestellen ist eine Hotline ausgehängt, bei der sexualisierte Übergriffe gemeldet werden können. Dass Clubs an ihren Eingängen die Menschen nach ihren Aussehen bemessen und daraufhin die Preise festlegen. Hübsche Frauen kommen oft kostenlos rein. Wer nicht ins Raster passt, zahlt mehr. Sie erzählt auch vom Erdbeben 2016. Viele Menschen kamen ums Leben, auch weil die Bevölkerung nicht geschult ist, was sie im Ernstfall tun sollte. Die Armensiedlungen entstehen meist informell und gebaut wird je nach Einkommenslage. Viele der Randsiedlungen Quitos würden einem Erdbeben kaum stand halten. Selbst Erdbeben unterscheiden zwischen Arm und Reich. Eine*n Architekt*in, der ein erdbebensicheres Haus konstruiert, muss mensch sich halt leisten können.

Aber auch Musikempfehlungen teilen wir. Die Familie würde mich auch rund um die Uhr mit allen Mahlzeiten versorgen. Oder schaut neugierig auf mein Teller, wenn ich mal essen mache. Ich probiere Tacso- bzw. Curubá-Saft. Eine Frucht die geschmacklich der Maracuja nahe kommt. Die kolumbianische Heiße Schokolade mit Käse als Topping nennt der Vater „Chocolate Santa Fereño“. Der Bruder von Camila, Miguel, hat sogar sein Zimmer geräumt und ist zur Schwester gezogen, damit ich ein Zimmer habe. Ich fühle mich aufgenommen und fast schon zu sehr umsorgt. Ich will was zurückgeben und mache Eierkuchen für alle. Als sie freudig schmatzend am Tisch sitzen, erzählen sie von ihrer Lieblingsspeise: Arepa mit Käse. Mich verführt der Maisfladen nicht so sehr. Als ich erkläre, dass Eierkuchen eigentlich in allen Ländern gibt (Pancake, Crepe, Palatschinken, …) und mit allen möglichen gegessen werden können – ich habe frischen Apfelmus mit Zimt und Rosinen serviert – kommt auch schon eine typisch kolumbianische Süßspeise auf den Eierkuchen: (aufmerksame Leser*innen können‘s sich denken) Käse. Vielleicht ist das eine Marktlücke … süßer Eierkuchen mit Käse in Kolumbien verkaufen …

Bevor ich aber zur Camila kam, verbrauchte ich meine Zeit bei Nancy. Dazu muss ich sagen, dass ich auch viel Zeit im Bus verbrachte. Quitos Bussystem begann ich zu hassen, nachdem ich öfters 3 oder mehr Stunden verbracht habe um von einem zum anderen Ort zu kommen. Da sind selbst die BVG schnell. Gegen 17 Uhr werden schon erste Hauptverkehrsachsen dicht gemacht. Busse außerhalb der drei Achsen fehlt jede Information, damit Nicht-Einheimische sich vorstellen können wohin der Bus vielleicht fährt. Es mag zwar günstig sein, mit 25 Centavos, aber wenn ich diese 6mal am Tag zahle, wird’s langsam teurer. Busse in Vororte fahren teils von benachbarten Terminals ab und haben eigene Preise. Auch mein Umzug von Nancy zu Camila war von vier Stunden geprägt. Im falschen Stadtteil angekommen, wurde mir mehrmals gesagt: Ja, hier ist Condado, aber Condado liegt weiter unten. Etwas ist hier und gleichzeitig wo anders. Dieses Rätsel grenzt an philosophischem Wahnsinn. Sollte mein trainiertes Öffis-Können auch da versagt haben, so kam der berühmte Funken Glück ins Spiel und ich fand doch noch das Ziel.

Nancy ist 50 Jahre und hat zwei Kinder die in Deutschland oder Österreich studieren oder dies anstreben. Da sie ihren Mann rausgeschmissen hat, bewohnt sie ihre große Wohnung alleine. Die Kinder sind gerade auf Urlaub in Ecuador, aber kamen erst an meinen letzten Abend. Die Oma und die Schwester leben noch auf dem Grundstück. Abends saßen wir bei Kaffee zusammen und unterhielten uns lange. Ja, Kaffee wird in Ecuador und Kolumbien gern und zu jede*r Uhrzeit getrunken. Es wird eher wie Tee gehandhabt. Als sie den alten Kaffee mit etwas Wasser verdünnt und dann in der Mikrowelle erhitzt, werden alte WG-Erinnerungen wach. Sie brachte uns auch heimisches Abendbrot mit, allerdings trifft auch das nicht meine vollste Begeisterung: Mais-Käse-Teig in Maisblättern eingewickelt oder einfach nur Mais zum Abknabbern mit Salz und Frischkäse. Dabei meine ich nicht den in Deutschland üblichen Mais, sondern immer den weichen weißen großen Mais. Sie erzählt von ihren Vater, der schon seit über 39 Jahren Tod ist, aber in offiziellen Registern als lebend geführt wird. An vergangenen Abstimmungen hat er laut Register teilgenommen – obwohl er Tod ist. So geht Wahlmanipulation in Ecuador. Auch meinte sie, dass für das Wählen Gehen sie Dokumente erhält, die sie für größere Käufe oder Auslandsreisen benötigt. Diese anderweitig zu bekommen bedeutet lange bürokratische Umwege. Deswegen gehen viele lieber wählen.

Eine Agentur hat mittlerweile mich mit einem zweiten Menschen verbunden. Uns ist das aber zu teuer und wir vereinbaren gemeinsam weiter zu schauen. Mehrere Agenturen geben als Standort Machachi an, einen kleinen Ort eine Stunde südlich von Quito. Ich mach mich also dran, dorthin zu reisen um dort meine Recherchen fortzuführen. Vorher muss ich aber verlängern, weil Camilla mich noch zu ihrer vorgezogenen Geburtstagsfeier einlädt. Mit einigen Freund*innen von ihr gehen wir erst Vorglühen. Shots sind die Mittel der Wahl. Im Anschluss dann in den Club mit moderner lokaler Musik. Sie schwankt zwischen beliebten Salsa-Hits, Reggaeton und europäischer Disko-Musik. So klingt „Quito II“ für mich aus und ich finde den Weg über das Terminal Quitumbe nach Machachi.

PS.: im Bus in Quito habe ich gleich zu Beginn mein Handy verloren. Vielleicht wurde es auch geklaut, aber das lässt sich nicht zweifellos feststellen. Klar ist nur: Da ist es nicht mehr.


Sep 1 2018

100 Tage Exklusiv-Interview mit Karl!

Wisst ihr was die ecuadorianische Stunde ist? Sagen wir mal so, es heißt ungefähr, dass es ganz normal ist spät dran zu sein. So ist es auch mit diesem Beitrag. Hier erfahrt ihr, wie es Karl nach 100 Tagen Südamerika ging. Vielleicht auch nach 103 Tagen;)

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