Dez 23 2018

Reicher Berg, Arme Stadt

Potosí, Bolivien

Von Karl

 

Ein letzter Stein, der mich hält, denke ich und … schwubb stehe ich auf der Spitze. Steine, zusammengehalten von uralten Beton, bieten die höchste Erhebung. Wenige Meter unter mir ist eine breite Fläche gewalzt, die auch großen Fahrzeugen Platz bietet. Bis auf wenigen Felsen, ist der Gipfel komplett von Menschenhand umgestaltet. Nicht unter ästhetischen Gesichtspunkten.

Blick vom Gipfel des Cerro Rico auf Potosí

Ein Ebenbild des Cerro Rico, dem „reichen Berg“, knapp 4800 Meter. Seine konische Form ist stark geschliffen und nur aus größerer Entfernung sieht er noch so aus. Auch von hier oben hat er seine übliche Form noch erkennbar. Doch Jahrzehnte an Bergbau haben den roten Riesen verändert. Ein Wegenetz mit Autos und vielen Schuttlastern entrollt sich an seinen Hängen.

Cerro Rico von der Stadt aus

Viele Stellen sind durch graue Punkte durchbrochen. Das innere Gestein. Wie offene Stiche, die das graue Blut des Berges nach außen lassen und dieses tropft dann am Hang nach unten. Nahe Mundlöcher des vielen Bergbaus sind noch zu erkennen, doch je näher der Spitze desto weniger gibt es. Am letzten Mundloch vorm Gipfel gibt es drei Ziegel-Häuser und aus einem kommen die Schienen. Innerhalb des Hauses müsste sich also der Eingang ins Innere befinden. Zwei Arbeiter, gezeichnet von Dreck, Hitze und harter Arbeit schieben einen Hunt, einen kastenförmigen Grubenwagen, entlang der Schiene. Diese wird durch Holzkonstruktionen eben gehalten, während das Gelände abfällt. Am Ende entriegelt einer der Arbeiter den Hunt und kippt den grauen Schutt zur Seite. Das Gestein rieselt auf einen Berg unterhalb. Andere Arbeiter*innen befördern per Hand Steinbrocken auf die Ladefläche des alten LKW. Mitten in der prallen Sonne.

Bergbau in Potosí ist nicht vergleichbar mit modernen Bergbau. An manchen Stellen kann der Hunt direkt in eine Schubkarre entladen werden und dann über einen Holzbalken direkt auf den Laster gebracht werden. Andere haben auch größere Verladevorrichtungen. Am Fuße gibt es eine größere Kooperative die offensichtlich auch größere Fördermengen hat.

Vom Gipfel aus sind auch die vielen künstlichen Seen abseits der Stadt Potosí zu erkennen. Mittels chemischer Reaktionen wird aus den Gestein das begehrte Zink und Silber gelöst. Dafür werden große Seen mit giftigen Flüssigkeiten angelegt. In der Vergangenheit brach auch schon mal ein Damm, sodass sich Quecksilber in die Stadt ergoss und tausende Tote forderte.

Um mich herum erheben sich weitere Berge und besonders auf der Seite des intensivsten Bergbaus liegt im Tal die Stadt Potosí mit knapp 200.000 Einwohner*innen. Eine Bergbau-Stadt, die ein frühes silbernes Zeitalter durchlebte als die Spanier*innen so viel Silber förderten, dass der Weltmarkt-Preis sank. Der Reichtum blieb bei wenigen Eliten oder ging nach Europa. Versklavte Indigene der Region förderten das Gestein und ihr Tod wurde einkalkuliert. Millionen Tote wurden buchhalterisch einberechnet. Der Reichtum ist vorbei, das Zink hat die Führung übernommen und heute wird in kleinen Genossenschaften unter schlechten Bedingungen gefördert. Auch Kinder arbeiten täglich unter Tage. Die Arbeiter*innen haben alle dicke Backen, voll mit Koka-Blättern die den Hunger verdrängen und wach halten. Mit großen grünen Tüten sitzen sie schwatzend vor den Eingängen. Je höher ich den Berg erklomm, desto offener und freundlicher waren sie zu mir. Oberhalb des letzten Mundlochs gibt es auch noch Natur und es wachsen kleine Sträucher die mit wenig Wasser auskommen. Ein Strauch hat auch einen sehr intensiven Geruch.

Ein Arbeiter erzählte mir von seiner Arbeit, zeigte stolz mir seinen Bus und fragte aus Spaß ob er mit nach Deutschland kommen könne. Viele Arbeiter*innen sterben früh, d.h. mit 45 bis 50 Jahren. Die Armut der Stadt wird von vielen Agenturen vermarktet. So gibt es meist zwei Mal täglich Touren die über den Markt der Bergarbeiter*innen*innen zu den Minen führen. Anteilsvoll kaufen die weißen aus dem reichen Norden Dynamit, Koka oder andere hilfreiche Gaben und schenken sie den armen indigenen Arbeiter*innen, die ihnen kurz ihren Arbeitsplatz zeigen. Ich bin nicht überzeugt von Armutstourismus. Das ist mir zu viel Zoo, zu wenig Hoffnung. Hinzu kommt dass der Bergarbeiter*innen-Markt auch eher klein ist und wenig zu sehen bietet.

Im Grunde geht die ganze Stadt auf den Bergbau zurück. Viele Kreisverkehre haben Bergarbeiter*innen-Denkmäler. Kolonialzeitliche Gebäude in der Innenstadt stammen aus der Boom-Epoche und werden hervorragend gepflegt. Ein Bahnhof mit Güterzügen wird weiterhin betrieben und selbst ein Ferrobus fährt ab und zu nach Sucre. Ein Ferrobus ist ein Bus, der auf einen Zuggestell umgebaut wurde. Ein wenig Personenverkehr der abgelegene Dörfer anbindet.

Was sich mittlerweile zur Regel entwickelt hat, ist dass der Bergbau oft auch mit Alkoholismus in Verbindung steht. So lerne ich auch den besonders extrovertierten José kennen. Er setzt sich, zwar kurz fragend, aber bestimmt, an meinem Tisch und beginnt zu fragen und zu erzählen. Hat einen Sohn, ist großer Fan von Beethoven und würde gern Wein trinken. Die Bedienung hat aber keinen und erklärt immer wieder, dass er mich belästige. Als er mich zum zigsten Mal nach meinem Namen fragt und die Fahne aus dem Mund eindeutig wird, wird auch mir klar, dass er gut getankt hat. Irgendwie ist er aber auch interessant, denn er scheint sich leidenschaftlich mit den schönen Künsten auseinanderzusetzen. Spielt Gitarre, hört klassische Musik und zeigt mir ein Gedicht an seinen Sohn. Er ist wohl eine Seele, die viel hätte beitragen könnte, aber womöglich an den wenig förderlichen Rahmenbedingungen gescheitert ist. Ich kann mir vorstellen, dass er musisch und poetisch spannendes zu Tage bringen könnte. Etwas mitleidig möchte ich mich verabschieden, aber muss dann doch fliehen, sonst werde ich ihn nicht los. So spannend die Begegnung war, so traurig bin ich auch darüber, so unangenehm war sie.


Nov 25 2018

Einmal um die Welt

Von Karl

 

Deutsches Temuco

Je länger ich durch Temuco wandele, desto mehr bekomme ich den Eindruck, ich bin einmal um die Welt gereist und nun von der anderen Seite nach Deutschland wieder eingereist. Ich will erklären wieso.

Mit der Ankunft in Temuco erreiche ich auch deutlich eine Klimazone, die der in Mitteleuropa entspricht. Vom Breitengrad ist Temuco zwar soweit vom Äquator entfernt wie das italienische Palermo oder das spanische Mérida oder das griechische Patras. Nur das Europa unter dem Einfluss des wärmenden Golfstroms steht, während Chile durch einen kalten Antarktis-Strom beeinflusst wird. Orte in Chile die näher am Äquator liegen sind klimatisch vergleichbar mit Orten die in Europa entfernter sind vom Äquator.

In Temuco blühen die Frühlingsbäume, das Gras sprießt und es duftet nach Sonne kurz dem letzten Regen. Die Häuser bekommen spitzere Dächer und sind weitgehend aus Holz. Mir erscheinen immer mehr Schriftzüge auf Deutsch. So fährt in der Avenida Alemania (Allee Deutschland) die Linie 1 in schwarz-rot-goldenen Farben. Unweit gibt es einen deutschen Turnverein, eine deutsche Klinik und eine große deutsche Schule. Im Eingang der Schule hängt eine Karte der Bundesrepublik mit ihren Bundesländern und ein Zeitstrahl zur völkisch-deutschen Geschichte. Im Hof stehen Schilder mit „Sauberkeit ist Kultur“ und darunter ein Stadtbild gemalt mit vielen Fachwerkhäusern. Aber auch ganz subtil lassen sich die Spuren der deutschen Einwanderung lesen: in den vielen Nachnamen zum Beispiel die Arztpraxen, Autohäuser und andere Einrichtungen tragen.

So treffe ich auf der Straße dann auch einen alten Mann, der mich direkt fragt ob ich aus Deutschland sei und fängt an mit mir gebrochen Deutsch zu sprechen. Er zeigt mir noch sein altes Akkordeon und erklärt mir wie unsicher alles ist. Selbst die „German Angst“ hat überlebt, denke ich. Selbst die Graffiti sind auf deutsch!

Auf meinem Stadtrundgang finde ich die alte Markthalle völlig abgebrannt vor. Nicht dass sie gestern abgebrannt wäre, aber in allen Karten wird sie noch als aktueller Markt geführt. In der Nähe des ehemaligen Bahnhofs gibt es nun all die Marktstände, die seit langem mal wieder eine reichhaltige Vielfalt an Gemüse, Obst und Handwerk bieten. Tatsächlich bin ich hier beeindruckt über die unerwartet vielfältigen Angebote. Damit hatte ich in Chile nicht mehr gerechnet.

Weitere Sehenswürdigkeit ist eine kleiner stadtnaher Hügel, der Eintritt kostet, den es aber nicht wert ist. Er erreicht kaum beeindruckende Höhe und eröffnet nur einen kleinen Ausblick auf die Stadt. Wenn der Park-Wächter Feierabend macht, kommen die Leute um den Feierabend zu genießen, weil dann kostet es auch nix mehr. Für mich befremdlich: Die Natur erinnert an ein Spaziergang im Thüringer Wald.

Nichts zu sehen

Gegend Abend suche ich dann meinen hiesige Unterkunft auf. Kaum stehe ich im kleinen Wohnzimmer von Andres steht auch schon ein Humpen Bier vor meiner Nase. Nicht dass ich das ablehnen würde, doch mit so viel Klischee hab ich einfach nicht gerechnet. Auch sein bester Freund Mauro ist da und zusammen spielen sie seit Mittag Gitarre und Ukulele. Ja sie haben erst an dem Tag entschieden sich Instrumente anzuschaffen. Sie bilden die noch unbekannte Band „Nichts zu sehen“. Tatsächlich gibt es noch nix zu sehen, denn es gibt auch noch nix zu hören. Außer die Anfänge von dem mexikanischen Volkslied „La Bamba“. Ich muss gestehen: Eine gute Wahl, weil das Lied macht schon nach wenigen Takten gute Laune. Also wenn ihr Bock drauf habt, klickt einfach hier. Ich hab mal die Playing-for-Change-Version rausgesucht.

Nach den ersten Bieren sammeln wir noch Andres Freund Robert ein und nun wird es richtig kurios: er spricht fließend deutsch mit mir. Er ging auf die deutsche Schule, war auch eine Weile in Deutschland und kann sich noch mit seiner Oma auf Deutsch unterhalten. Seine Eltern unterhalten ein Ski-Hotel was sich insbesondere an deutsche Touris wendet. Die Ur-Eltern kamen mit dem Ersten Weltkrieg, gingen dann nochmal zurück, als aber der Zweite startete, emigrierten sie erneut nach Temuco.

Wir machen lecker Hamburger und trinken weiter. Pico oder Piscola ist das Getränk des Abends. Das ist Pisco mit Cola, also ein einfacher Cocktail. Immer mehr Leute kommen in das kleine Wohnzimmer. Erst wollten wir auf das „Bierfest“ gehen, eine Art Oktoberfest, gehen aber dann doch in die Disco. Mauro, sein bester Kumpel, ist stadtbekannter Veranstalter – was auch immer das bedeutet – und bringt uns alle kostenlos rein und zudem gibt es noch ein paar Getränke gratis. Wir zappeln eine Weile aber so richtig toll wird es dann nicht und als es vorbei ist, ziehen Andres und ich es vor heim zu gehen.

Am nächsten Tag setzen wir uns dann in sein Auto und fahren Richtung Meer. Auch wenn die Seenplatte, also Richtung Gebirge, als Highlight angepriesen wird. Wir durchfahren Carahue, eine kleine Stadt am Rio Imperial, der auch zum Meer fließt. Carahue zeichnet sich durch drei Stockwerke aus, dass heißt, es gibt drei Ebenen auf denen die Ortschaft liegt. Funfact: Angeblich die Ortschaft mit den meisten Alkohol-Abhängigen in der Welt. Ich hab keinen gesehen, aber vielleicht Saufen die auch grad in der Kneipe oder schlafen den Rausch zu Hause aus. Neu ist dort eine Klinik. Wir vermuten Zusammenhänge.

Am Meer liegt Puerto Saavedre. Das beschauliche Örtchen mit den bemoosten Straßenschildern hat sich eine neue Wasserkante gebaut und verfügt über heimelnde Restaurants aus ganz viel Holz gebaut. Es gibt wohl auch die weltbeste Ceviche hier. Da Feiertag ist – d.h. der Feiertag wurde auf den kommenden Montag verlegt, der nun ist – gibt es im Hafen auch ein Ruderwettbewerb, dem wir eine Weile zuschauen.

Ganz in der Nähe befindet sich auch der Lago Budi, ein meeresnaher und ziemlich großer See. Wir suchen ein Plätzchen um diesen Ort zu bewundern und finden jemanden der uns den Weg zeigt: Ein immer noch Betrunkener. Mit blutigen Gesicht, schafft er es gerade so uns den Weg zu zeigen und wir nehmen ihn ein Stückchen mit. Der See liegt tatsächlich sehr ruhig da und wieder bekomme ich den Eindruck, die Müritz könnte es auch sein.

Araukarie

Auf den Weg zum und vom Meer passieren wir einige gerodete Gebiete. Exzessiv werden hier schnellwachsende Eukalypten-Wälder angelegt und wieder geholzt. Was damit passiert, weiß ich nicht, aber es führt zur Bodenaustrocknung, in einer eigentlich sehr feuchten Region. Die Region mit Temuco als Hauptstadt ist nach einen Baum benannt der vor allem hier vorkommt: Araukarie. Auf der Nordhalbkugel gibt’s den Baum nicht. Dieser Baum bildet lange stachlige Zweige aus und sieht tatsächlich etwas eigenwillig aus.

Eukalypten-Wald-Rodung

Was mir zudem auffällt, sind die immergleichen Häuserreihen in den Siedlungen. Wie aus US-Filmen oft bekannt, gibt es Straßenzüge die aus den immergleichen Häusern bestehen. Ganze Stadtteile mit den komplett gleichen Einfamilienhaus. Kurios.

Was die Region sehenswerter macht, ist wenn mensch gleichzeitig die Memoiren von Pablo Neruda liest. Er ist weltbekannter Dichter und mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Er schreibt in „Ich bekenne, ich habe gelebt“ über seine Kindheit und Jugend in der Region von Temuco. Seine Schreibstil ist ausgezeichnet bildgewaltig!

Flagge der Mapuche

Mapuche

Dem gegenüber stehen in den ländlichen Regionen die Rukas. Das sind die traditionellen Häuser der Mapuche, bestehend aus Holz und Lehm. Die Mapuche sind die größte indigene Gruppe in Chile und sind deren letzten Überlebenden. Die Kolonisation haben nur sie überlebt und dies vor allem, weil sie sich mit allen Mitteln gewehrt haben. Den Krieg gegen die Mapuche hat die chilenische Nation übernommen, sodass sie weiterhin in Reservaten gedrängt wurden und keine Chance mehr haben ihr Land zurück zu bekommen. Besonders in der Region um Temuco gibt es immer noch Auseinandersetzungen. Die Polizei bekämpft die ländlichen Siedlungen, die sich wiederum wehren und beispielsweise Rodungsfahrzeuge in Brand setzen, die Bäume in ihren Schutzgebieten fällen.

Ruka (traditionelles Mapuche-Haus)

Deswegen bin ich nach Temuco gefahren, aber erfahren kann ich nur wenig. Sie leben größtenteils in den weit entfernten Dörfern und sollten Weißen gegenüber verschlossen sein. Vermutlich aus bitterer Erfahrung. Auch wenn ihre Traditionen und Produkte zunehmend touristisch vermarktet werden. Temucos Museum hat nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten.

Die Mapuche an sich sind auch nicht nur ein Volk, sondern eine Vielzahl davon und leben in einem relativ großem Gebiet, was bis nach Argentinien reicht. Ihnen gemein ist unter anderem ihre Sprache Mapudungun. Mapuche heißt so viel wie „Menschen der Erde“. Viele sind schon in die großen Städte abgewandert und vermeiden ihre Mapuche-Herkunft, weil auch in Chile die indigene Herkunft mit unzivilisiert, naiv und rückständig assoziiert wird. Während meines Aufenthalts habe ich Aufrufe für Demonstrationen in Santiago gelesen und Nachrichten im Fernsehen dazu gesehen. Interessanterweise wurden die ersten Siedler*innen aus Deutschland mit Land, Steuererleichterung, kostenloser Überfahrt und chilenischer Staatsbürgerschaft gelockt, um ein Land fruchtbar zu machen, wo kurz vorher die Mapuche vertrieben worden.

Ich wollte eigentlich die Welt der Mapuche besser kennen lernen.


Nov 17 2018

Pfirsichnektar, Weinbrand und die Saturnringe

Von Karl

 

Unser Start in La Serena war durch eine längere Wanderung geprägt. Erst nach einer knappen Stunde merken wir, dass weder die Straßenschilder noch die Karte falsch ist, sondern wir einfach in die falsche Richtung gelaufen sind. Unsere Unterkunft ist diesmal in einem heimeligen Einfamilien-Haus. Eine ältere Frau springt zwischen Wohnzimmer und Küche herum und macht den Eindruck, als wenn sie hier wohnen würde. Ist aber dann doch nur die Angestellte.

Chilenisch Essen und Trinken

Ein erster Weg führt zum schmucken Markt, in dem handwerkliche Produkte wie beispielsweise getöpferte Schalen verkauft werden. Im ersten Obergeschoss gibt es gut und günstig Frühstück oder Mittag. Zu den Eigenheiten der chilenischen Küche gehört unter anderem das allgegenwärtig kaufbare „Mote con Huesillo“. Ein Getränk aus Pfirsichnektar mit Trockenpfirsischen und Weizenkörnern. Dazu kommt noch Zucker und Wasser. Es schmeckt sehr süß und meine Recherchen belegen bislang: Bis auf Chilen*innen schmeckt niemand das Getränk.

Auf Märkten und bis in den Supermärkten hat es die Cochayuyo geschafft, eine Alge. Die besonders große Braunalge ist wohl ein Grundnahrungsmittel und wird beispielsweise mit in Suppen gemacht.

Altbekannter Klassiker ist auch die Empanada, wobei die Füllung „Pino“ in Chile weitverbreitet ist. Eine Rindfleisch-Mischung.

Neben Kuchen und Berlines (Pfannkuchen bzw. Berliner) finden sich bei der Bäckerei auch Sopaipilla. Mir wurde es als frittiertes Brot vorgestellt, aber Wikipedia spricht von Kürbis als zentrale Grundlage. Der Plural von Kuchen ist übrigens „Kuchenes“.

In allen Supermärkten gibt es Alfajor, ein übergroßer Keks mit Schokoüberzug und Karamellfüllung.

Die Eisfans müssen sich mal Paletta holen. Das ist Stil-Eis welches wie Schokoladen-Tafeln aussieht und wie Waffel-Eis verkauft wird. Wir haben in La Serena auch einen Automaten damit gefunden. Auch geschmacklich kommt es nah an die gefrorene Schokoladen-Tafel. Die Paletta-Stände bieten meist gleich mehrere Dutzend verschiedene Geschmacksorten.

Während unserem kurzen Stadtspaziergang vermissen wir wieder die Menschen in den Straßen, aber schlussendlich finden wir sie in den großen Shopping Malls. Anschließend führt unser Weg zum nahen Meer. Eine lange schicke Palmen-Allee ziert den Hauptweg und führt zum Leuchtturm. Der Strand ist auch ziemlich schön, nur ist direkt hinter alles mit Hotels und Cabañas (chilenische Variante des Bungalow) bebaut. Dieser Anblick zieht sich die ganze Kurve bis in die benachbarte (etwa gleich große) Stadt Coquimbo.

Valle de Elqui

Das Nahe Tal des Rio Elqui soll besonders sehenswert sein und deswegen fahren wir gleich frühs mit einer Tour den Fluss hoch. Als erstes halten wir an dem wenig spektakulären Puclaro-Staudamm. Ein Blick vom Damm ins Tal verrät: Wo der Fluss fließt ist Pflanzen-Wachstum und Landwirtschaft möglich. Die Berge selbst sind grau und braun und von wenigen Sträuchern und Kakteen bewachsen. Besonders Wein wird im Tal angebaut.

Chiles erste Literatur-Nobelpreis-Gewinnerin kommt auch aus dem Tal und deswegen besuchen wir das Museum von Gabriela Mistral in Vicuña. Da aber alles auf Spanisch ist, sind wir schnell durch. Zudem bin ich nicht angetan von ihrer trübseligen Literatur. Dass es aber schön gemacht ist, das kann ich nicht absprechen.

Der angebaute Wein im Tal wird nicht für Wein genutzt, sondern um Pisco herzustellen. Ein Weinbrand, der sowohl in Peru und als auch in Chile hergestellt wird. Oft auch Grundlage von Cocktails. Beide Länder sehen es als Nationalgetränk an und haben strenge Regeln, wie beispielsweise, dass kein Pisco aus dem Ausland importiert werden kann oder so heißen kann. In Chile kann nur Weinbrand aus dem Elqui-Tal Pisco heißen.

Wir halten also an einer halbindustriellen Pisco-Brennerei. Da grad nicht die Zeit dafür ist, sind die Anlagen leer. Im Lagerraum riecht es schon kräftig nach Alkohol. Es werden verschiedene Sorten hergestellt, je nach Lager-Zeit und damit auch Alkohol-Gehalt. Natürlich dürfen wir auch mal kosten. Je mehr ich davon trinke, desto besser schmeckt’s, aber dann bin ich auch gut dabei und froh dass es weiter zum Mittag geht ins Dorf Pisco Elqui. Es hat sich extra umbenannt.

Sternen so nahe

In Vicuña steigen wir aus und warten auf unseren Anschluss. Das kleine beschauliche Örtchen entpuppt sich als Hippie-Städtchen, wobei es uns ein Rätsel bleibt, was die ganzen Hippies hier machen. Nach Einbruch der Dunkelheit fahren wir zu einer Sternwarte. Allein in der Gegend gibt es in Sichtweite 4 Sternwarten. In ganz Chile gibt es circa die Hälfte aller Sternwarten der Welt. Grund ist der trockenste Ort der Erde mit einer der Partikel-freisten Luft. Dann bietet es sich besonders an hier Sternwarten zu errichten. Hier steht also die neuste und modernste Abhörtechnik für den Kosmos. Wir gehen nun nicht in die aller krasseste Anlage. Was wir aber sehen ist trotzdem krass.

Wir werden in ein kleines Observatorium geführt und der Fachmann richtet die Kuppel so aus, dass der Schlitz passend ist. Er zeigt uns die hellsten Sterne am Himmel, die vor allem andere Planeten unseres Sonnensystems sind. Venus, Merkur, Mars und Jupiter. Nach und nach dürfen wir durch das eingestellte Teleskop schauen. Interessanterweise ist es mit GPS ausgestattet, sodass es automatisch die richtige Position einbehält. Ohne dem System würde durch die Erdrotation nach einer Weile das Zielobjekt aus dem Bild verschwinden.

Durch das Fernrohr, dass vielleicht doppelt so groß ist wie ich, kann ich die Streifen beziehungsweise Wolken auf der Venus sehen. Wir sehen, dass der Merkur auch Zu- und Abnehmen kann, genau wie der Mond. Wir sehen einen Sturm auf dem Jupiter und – das war am beeindruckensten – den Saturn samt Saturnringe. Im Außengelände schauen wir noch durch ein weiteres installiertes Fernrohr (es regnet ja hier nie). Wir sehen spannende Sternformationen und Sternennebel. Bunte Sterne gibt es auch. Am Nachthimmel ist freiäugig gut die Milchstraße zu erkennen. Der Guide, der selbst dort arbeitet, zeigt uns zig Sternenbilder, die oft mit sehr viel Phantasie einhergehen.

Von der vielen Phantasie ganz begeistern entgleiten wir dann auch in unsere eigene Welt.