Apr 15 2018

Da wo der Pfeffer wächst…

Die Nacht bricht, langsam schwindet die Dunkelheit und wird zum grau. Ich schiebe die Vorhänge zur Seite, die Blätter der Palmen hängen vom Regen gedrückt nach unten. Ich setzte meine Füße auf die Terrasse und schaue dem Regen beim fallen zu und wie sich alles seinem Willen beugt. Es ist tropisch, tropisch schwül.

Der Tag beginnt mit einer Busfahrt in das Zentrum von Cayenne. Einen genauen Fahrplan gibt es nicht. Es ist ein gutes Zeichen, dass viele Menschen an der Bushaltestelle stehen, denken wir zumindest. Man zahlt 1,10 Euro für alle Strecken und nach einer kleinen Weile kommen wir an der Endhaltestelle Nelson Mandela Boulevard an. Die Suche nach einer geöffneten Post gestaltet sich als schwierig, führt uns aber in kleinere Straßen, die wenig bevölkert sind. Es ist relativ leer, die Häuser sind einfach und haben verblasste Fassaden. Im Zentrum der Hauptstadt leben 35.000 Menschen. Am Ende des Nelson Mandelas Boulevard wartet das Meer auf uns oder auch nicht. Es ist Ebbe. Das Meer sieht grau aus wie der Himmel. Zwischen Plastikflaschen, Dosen und alten Schuhen vergraben sich zwei Krebse im Sand. Der modrige Geruch des Meeres vertreibt uns von unserem Rastplatz und wir ziehen weiter Richtung Innenstadt. Auch hier ist die Stadt wenig belebt, wir kreuzen einen begrünten Platz, der wohl der Hauptplatz in Cayenne sein soll, doch es ist nicht viel los. Weiter wandern wir auf einen Aussichtspunkt und genießen den Ausblick über die Stadt. Es gibt kein einziges Hochhaus in Cayenne und so lässt sich weit blicken, in die eine Richtung bis zum Meer und in die andere auf die endlos wirkenden Baumkronen des größten zusammenhängenden Waldgebietes der Europäischen Union. Die Suche nach Menschen führt uns auf den zentralen Markt. Hier herrscht ein buntes Treiben. Frische Obst- und Gemüsesorten werden um und in der Markthalle angeboten. Dazu Korbwaren, Schnitzereien, traditionelle Kleider. Und allerlei Gewürze. Der Cayenne Pfeffer ist übrigens ein Gewürz aus gemahlen Chillischoten der Cayennepflanze und wurde erstmalig in Peru angebaut, hat also keinen direkten Bezug zur Stadt. Neben den Verkaufsständen gibt es auch Essensstände mit vietnamesischen Spezialitäten, die berühmt in Cayenne sein sollen. Uns lockt eher eine ungewöhnlich anmutende Frucht. Walnussgroß, rot bis pink mit großen Stacheln präsentiert sich die tropische Frucht Ramboutan. Wir öffnen sie langsam mit einem Taschenmesser und uns erwartet ein weißes Fruchtfleisch mit einem großen Kern, das große Ähnlichkeiten zur Litscheefrucht hat und auch so schmeckt.

Wir verlassen den Markt nach einer Weile und fahren zurück zu unserer Unterkunft, denn wir wollen noch an den Strand und hoffen dort Schildkröten zu treffen. Die sogenannten Leatherback Riesenschildkröten vergraben ab April an den Stränden von Französisch-Guyana ihre Eier. Leider finden wir nur ein paar kleinere Vögel und ein Gewitter vor. Der Wind braust und peitscht das Meer auf, die Palmen klatschen ihre Blätter gegeneinander. Die Küste von Cayenne wirkt rau und wild. Man spürt die Natur und die Macht, die sie hier ausüben kann. Für Mitteleuropäer ist das schon ziemlich viel Natur, vor allem dann, wenn die Natur nicht nur vor dem Haus, sondern auch im Haus ist. Ameisen bahnen sich den Weg über Küchenmöbel auf der Suche nach Nahrung. Salamander hängen an Wänden und Decken und huschen schnell in ein Versteck, wenn das Licht angeht. Wenn es dämmert ist Mosquitozeit. Mosquitonetz und Insektenspray helfen nur bedingt und so ist der Körper schon nach wenigen Stunden übersäht von Stichen. Aufgrund von Malariaerkrankungen und Denguefieber lässt das ein mulmiges Gefühl zurück. Aber wir werden uns gewöhnen an unsere tierischen Mitbewohner. Wir hören den Regen auf das Wellblechdach trommeln und das grau am Himmel wird wieder zu schwarz.


Apr 15 2018

Es geht los…

Der Tag X der Abreise, der lange Zeit nur verschwommen irgendwo in der Zukunft lag, ist da. Die Anreise nach Cayenne per Flugzeug kann aus Europa nur über Paris erfolgen. Also habe ich mich in den Zug gesetzt und fuhr von Chemnitz über Leipzig und Frankfurt nach Paris. Angekommen in Paris Est kam mir auch schon die erste Sprachbarierre in die Quere. Am Ticketschalter wollte ich ein Ticket für die Metro kaufen. Ich strahlte der Verkäuferin mein Bonj… entgegen als mir einfiel, dass es weit nach 23 Uhr war und ich eigentlich „Guten Abend“ sagen müsste. Aber da hörte mein französisch schon auf. Also entschied ich mich kurzum für „Hello“.

Die U-Bahn war gefüllt mit müden Gesichtern und ihren Augen, die unbeirrt von einsteigenden Fahrgästen, in die Luft starten. Nur ab und zu schauten mich überraschte Menschen an, denen ich wohl suspekt so beladen mit meinem großen Rucksack auf dem Rücken und meinem kleinen leuchtend grünen Rücksack auf der Brust erschien. An der Endhaltestelle Villejuif – Louis Aragon der Linie 7 wechselte ich die Bahn und fuhr mit der T7 Richtung Orly Airport Sud, wo die internationalen Flüge starten. Die Bahn wurde immer leerer und ein bisschen verwundert war ich darüber, dass scheinbar keiner der Mitfahrenden bis zum Flughafen wollte. Die S-Bahn hielt und spuckte mich an der Endhaltestelle aus. Angekommen in der Wartehalle des Flughafens sah ich schon die ersten gestrandeten Reisenden auf Bänken kauern. Jeder versuchte entweder einen Platz auf einer Bank oder in der Nähe einer Steckdose zu finden. Ich entschied mich für letzteres und richtete mein Nachtlager mit Isomatte und Schlafsack ein.

Gegen 3:30 Uhr war die Nacht vorbei. Der beginnende Trubel von Kehrmaschinen, ankommenden Gästen und Gepäckwagen am Flughafen weckte mich unsanft. Wartend auf den Check-In beobachte ich aufgeregte Menschen, die verzweifelt auf den Anzeigetafeln nach ihren Flügen suchten. Nur die Kinder schienen ihren Spaß am frühen Morgen zu haben und tobten zum Leidwesen ihrer Eltern durch die Eingangshalle. Gut 4 Stunden später war dann endlich der Check-In für mich, besser gesagt, ich selbst übernahm diese Aufgabe mithilfe eines Automatens. Auch das Gepäck sollte ich allein aufgeben, was mir aufgrund der französischen Schriftanzeige doch ein etwas mulmiges Gefühl bereitete. Weitere 4 Stunden später und nach erfolgreichen aber anstrengenden Sicherheitskontrollen wartete ich auf das Boarding. Da saß ich nun, neben all den anderen wartenden Reisenden und konnte immer noch nicht realisieren, dass ich in nur 10 Stunden am anderen Ende des Ozeans sein würde und da auch eine Weile oder eher eine große Weile verbringen würde.

Nach einem langen Flug setzten wir endlich zur Landung an. Es waren noch vier Minuten bis zur Landung. Auf dem Bildschirm meines Sitznachbarns sah ich durch die Außenkamera Bäume und noch mehr Bäume. Die Zeit bis zur Landung änderte sich, noch drei Minuten, noch zwei Minuten. Das Bild unter uns nicht. Alles was ich sehen konnte, war ein riesiges grünes Blättermeer. Dann tat sich ein Feldweg auf, ein Haus, ein zweites und schließlich die Landebahn. Der erste Eindruck von Cayenne als riesiges nicht endenwollendes grünes Waldgebiet, sollte sich in den nächsten Tagen bestätigen. Aus dem Flugzeug ging es sofort zur Passkontrolle, danach zum Gepäckband. Alles sehr überschaulich. Wie ich allerdings vom Flughafen in die Stadt kommen sollte, wusste ich noch nicht genau. Also begab ich mich auf die Suche nach einem Informationsschalter. Da die Dame in der Information mit Telefonieren beschäftigt war, fragte ich die zwei Wartenden vor mir nach dem Abfahrtsort von Bussen Richtung Stadtzentrum. Sie erklärten mir, dass es zwar keine Busse gäbe, aber Taxis, die um die 30 Euro kosteten. Dann fiel ihnen ein, dass sie mich auch in die Stadt mitnehmen könnten. Ich willigte ein und kurzerhand saß ich in einem Lieferwagen auf der Straße nach Monte Joly, einem Vorort von Cayenne. Auf den 10 km in die Stadt war nichts zu sehen, außer der Straße, auf der wir fuhren und tropische Bäume. Kurz vor dem Ziel standen wir in einem Stau, der sich nur minütlich um ein paar Meter vorwärts bewegte. Gerade als ich anbieten wollte den Rest bis zur Zieladresse zu laufen, fing es an in Strömen zu regnen. Auch der Regen sollte uns in der nächsten Zeit ein ständiger Begleiter werden. Der Lieferwagen bog in eine vornehm wirkende Wohnsiedlung ein und auf halben Weg der Straße entdeckte ich eine Person auf der Straße. Ich verabschiedete mich von meinen Fahren mit Merci, Merci, Merci beaucoup und stieg aus. Carl hatte vor dem Haus gewartet, dass uns eine Cuchsurferin zur Verfügung gestellt hat, weil sie mit ihrer Familie übers Wochenende aufs Land fahren würde. Ein großer Garten mit Palmen und Swimmingpool, Terrasse und Küche zur Benutzung. Überwältigt von dieser Gastfreundschaft und unserem Glück, den Geräuschen der Nacht lauschend, erhoben wir unsere Gläser mit französischem Wein auf einen gelungen Start der Reise und eine aufregende Zeit, die vor uns lag.


Apr 13 2018

„Sorry, ich kann kein Französisch“

Cayenne

13. April 2018

„Cool, ich auch nicht“

Quincy sitzt unter dem Vorsprung eines kleinen Ladens. Eine schmale Kante lädt auch mich zum verweilen ein. Ich setz mich zu ihm. Quincy ist schmal gewachsen, lediglich auf der Oberlippe unrasiert, grinst die ganze Zeit, neigt sich im Gespräch mir zu. Weiße Sneakers, helle blaue Jeans und graues Polo-Shirt. Der arbeitssuchende Metallarbeiter aus Surinam grinst und zeigt auf meine verschwitzte Kleidung. „Wir tragen hier eher Flipflops und helle Kleidung“ Ich denke nochmal über meine schwarz-schwarze Einkleidung nach und grinse bestätigend zurück. Wir unterhalten uns über Französisch-Guyana und Surinam. Er hat schon mal in Paris gelebt, aber da ist es zu kalt. Er wartet noch auf die Erlaubnis in Frankreich und damit auch im Departement Französisch-Guyana arbeiten zu dürfen. Hier verdient er das 10fache im Vergleich zu Surinam. Aber empfiehlt mir Paramaribo und ich solle da hin reisen. Er bietet mir auch Hilfe an, wie ich nach Surinam komme. Dafür bekomme ich auch seine Handynummer. Er gibt noch zu vielen Auskunft und wir finden Gemeinsamkeiten. Warum kaufen Leute Wasser in Flaschen, obschon das Leitungswasser trinkbar ist?

Ich bin auf dem Weg zu meiner Unterkunft in der Hängematte. Das ist die einzige bezahlbare Unterkunft hier im Ort. Erst abends meldet sich die Couchsurferin. Eineinhalb Stunden bin ich in der Sonne mit dem Rucksack gelaufen um vom Zentrum raus aus der Stadt zu kommen. In der angegebenen Straße befindet sich aber kein Schild. Nach einiger Zeit erst finde ich jemensch der selbst dort schläft und er zeigt auf das Tor neben uns. Eine Spanierin empfängt mich und baut mir eine Hängematte mit Netz gegen die Malaria-Mücken. Für heute wär‘s okay, sagt sie. Ich lern‘ die anderen beiden kennen, die hier auch pennen und erst sehr spät kommt noch ein Vierter hinzu. Sehr nette Leute. Sehr hilfsbereite Menschen. Allerdings sprechen hier alle Französisch. Hätten sie auch Ukrainisch sprechen können.

Am frühen Morgen hat die CMA CGM St Laurent im Hafen Degrad des Cannes festgemacht und nach dem Frühstück sind wir von Bord gegangen. Schon vorher war der Hafenagent da und wir haben ein Taxi vereinbart. Er bringt uns aus dem Hafen zur Agentur, wo das Taxi wartet. Das Renten-Quartett wohnt auf halber Strecke nach Cayenne. Wir verabschieden uns, nicht ohne mir ihre Kontaktadressen zu schenken. Ich bin eingeladen auf Champagner. Ich hatte erzählt, dass ich das erst zweimal welchen getrunken habe und auch nur den billigsten aus einen französischem Supermarkt. Außerdem will ich sie beim eigenhändigen Krabbenfischen in der Bretagne im Mai besuchen. Das Taxi bringt mich ins Zentrum und ich suche Wifi, was aber im ersten Anlauf am Französisch scheitert. Als mir das instabile Netz zu anstrengend wird, gebe ich die Hoffnung auf die Couchsurferin auf und mach mich auf die Strecke zur Hängematte.

Unter einem Holzgerüst mit Tisch, Stühlen und Wellblechdach sind die Hängematte gespannt. Im Prinzip im Garten einer jungen Familie mit zwei Kindern. Sämtliche Sachen müssen in Netzen unters Dach oder auf Stühlen, weil ziemlich viele kleine Tiere hier herumkrabbeln und es bei Regen sonst alles nass werden würde. Hängematte ist übrigens etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann ist es ziemlich chillig drinn zu schlafen. Bitte mehr davon!

 

 
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