Jun 19 2018

Im Kontrast der Großstadt

19.Juni 2018, Piura, von Karl

Darf ich vorstellen: Arthur. Etwas kleiner, wuschlige schwarze Haare, immer etwas verpeilt und müde drauf. Nicht verlegen für ein ehrliches Grinsen. Unser Couchsurfer bewohnt im schicken Lima‘ Stadtteil Miraflores ein Zimmer in einer Studi-WG. Zusammen mit fünf anderen Studis aus aller Welt. Er ist als einziger aus Peru, bzw. aus Cusco. Eine Mitbewohnerin ist zur Zeit in Ecuador, sodass wir eines der kleinen Zimmerchen beziehen können.

Rundgang im reichen Lima

Trotz dessen, dass wir ihn schon weit vor um 10 Uhr aus dem Bett geklingelt haben, brechen wir nach einem kurzen Frühstück zu einem Stadtrundgang auf. Insofern das überhaupt möglich ist. Knapp 10 Millionen Menschen bewohnen Lima, was bedeutet, dass nahezu jede*r dritte Peruaner*in in Lima wohnt. Zwei Drittel davon in den ungeplanten Außenbezirken, die teils dörflich-ländlichen Charakter haben. Sie gelten teils als die ärmsten Orte Perus und von einem Besuch wird vielfach abgeraten. Schon gegen Mittag, sollen wir die „Favelas“ wieder verlassen haben. Wir machen uns aber erst gar nicht zu einer Armutstour auf.
Arthur geht mit uns an den Pazifik, den ich damit zum ersten Mal live sehe. Die luxuriösen Hochhaussiedlungen Limas sind durch einen schicken Park-Pfad, einer Steilküste und einer Autobahn von der Küste getrennt. Nur an wenigen Stellen gibt es die Möglichkeit ans Wasser zu kommen. Knapp 20 Grad laden zum Schwimmen ein, auch wenn lediglich eine Person dieser Idee folgt. Wir machen kehrt am Strand und lassen uns von Arthur noch Baranco, einen anderen schicken Stadtteil zeigen. Vieles hier erinnert nicht mehr an das uns vertraute Peru, sondern es könnte auch London sein. Die Preise sind teils um ein vielfaches höher. Alle kaufen in den Supermärkten ein. Die Straßen sind sauber und gerade gezogen. Hochhäuser. Kaum eine*r verkauft etwas auf der Straße. Es fehlt an den einfachen Restaurants, stattdessen gibt es Capuccino mit „Good Day“ Milch-Schaum-Schrift.
Besonders an London erinnert auch das triste Wetter. Von frühs bis abends ist es bewölkt und die diesigen Wolken hängen tief in den Hochhäusern. Der kalte Humboldtstrom im Pazifik macht Wasser und Luft deutlich kälter als Lima wegen seines Breitengrades sein müsste. Der Winter in Peru verbringt die Metropole dann im Nebel. Es kommt nie die Sonne durch. Kein Wunder, dass Arthur oft schlafen mag.

Pyramide zwischen Hochhäusern

Wir spielen mit Arthur des abends verschiedene Kartenspiele und kombinieren sie mit Wein und ausgedachten Strafen. So fliegen wir dann auf Besen über die Straße, halten Reden auf dem Dach oder tanzen alberne Videos in der Küche nach. Wir können die Zeit genießen und kochen viel. Arthur wünscht sich ein „deutsches“ Dessert. Eine Herausforderung angesichts des Verfügbaren im Supermarkt und in der Küche. Am Ende improvisieren wir Eierkuchen, die uns auch selbst sehr beeindrucken. Wie lange mag es her sein, dass wir dieses schöne Gericht genossen haben?
Am nächsten Tag – wir haben bis Mittags gepennt – brechen wir zu einer Ausgrabungsstätte auf. Eine alte Lehm-Pyramide erhebt sich surreal zwischen den Hochhäusern. Eine echte Pyramide, wie sie vor tausenden Jahren dort stand, von Archeolog*innen detailgetreu wider aufgebaut. Auf der Spitze der Pyramide müsste sich ein weiter Ausblick entfalten, doch dieser endet an den Hochhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Pyramide steht wie eine kleine alte Frau zwischen ihren hochgewachsenen Enkel*innen. Die Pyramide, in ihrer Zeit konserviert, im Kontrast mit der stürmischen Großstadt. Man möchte ihr zuhören, was sie die letzten tausenden Jahre gesehen hat.
Tags drauf geht es für uns ins Zentrum Limas, wo wir kurz ein Literaturmuseum und lang ein Kunstmuseum besuchen. Weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, sogar kostenlos. Die Kunst Perus hat für mich einen beeindruckenden Bruch durchgemacht. Dieser wird sogar nach Kolonialherrenart „präkolumbisch“ oder „prähispanisch“ genannt. Das bezeichnet die Zeit, bevor die Europäer*innen alles geraubt, versklavt und beherrscht haben. Neben den berühmten Inkas gab es eine Vielzahl weiterer Völker und bezeichnend ist, dass bei vielen Ausstellungsstücken geschrieben steht, dass nicht klar ist, wie genau dies oder jenes genutzt wurde. Zum Beispiel wird eine Art komplexer Rechenschieber aus Fäden ausgestellt, was darauf hinweist, wie weit die Inkas schon waren, aber wie es funktioniert, wird wohl keine*r mehr rausfinden. Mit der Ankunft der spanischen Konquistadoren ist die peruanische Kunst stark von der europäischen dieser Zeit bestimmt worden. Eine katholische Heiligpreisung folgt der anderen.

Wasserspiele

Wir entdecken zwischen den Sehenswürdigkeiten eine weitere vegetarische Speise für uns: Chaufa. Das ist Reis mit ein wenig Ei und Gemüse, gefärbt mittels Soja-Sauce. Wie es als asiatisches Gericht auch in Deutschland gern serviert wird. Auch hier in den vielen asiatischen Restaurants als Basis im Angebot. Ziemlich schmackhaft und sehr sättigend. Auch deshalb, weil sich bei den Portionen an den Anden orientiert wird und es fraglich ist warum der Reis-Berg vor einem nicht links und rechts runterkullert. Es ist immer zu viel Chaufa auf einem Teller.
Auch Tortilla con Verduras (Gemüße-Tortilla) kann ich vegetarischen Peru-Reisenden ans Herz legen. Hier wird ein riesige Ei-Masse mit etwas Gemüße auf einen Berg Reis abgelegt und als unessbar große Portion serviert. Weil wir einmal bei Reisenden-Tipps sind: Die Banco de Nacion nimmt keine Bearbeitungsgebühr, wenn ihr Geld abhebt. und die Busgesellschaft Oltursa können wir weiterempfehlen.
Mit Arthur geht es an unseren letzten Abend in den Parque de Agua. Einen riesigen Gelände mit zig Springbrunnen. Mit Musik und Licht sehr schön in Szene gesetzt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Von einer riesigen Laser-Show beeindruckt, laufen wir unter Wasserstrahlen durch und lassen uns von Springbrunnen einsperren. Wir werden nass; und bewundern die sich ändernden Wasserstrahlen. Wir bleiben lange und machen viele Photos. Irgendwann sind wir müde und geschafft machen uns auf nach Haus.
Mit der Metro. Metropolitano meint ein Netz aus Bussen, die auf eigenen Schnellspuren auf der Stadtautobahn unterwegs sind. Es gibt einige Linien, die nicht an allen Haltestellen halten. An fahren sie einfach vorbei. Sie sind farbig und mit Buchstaben oder Zahlen differenziert. Es soll noch eine Eisenbahn geben die verschiedene Stadtteile verbindet.

Was ich nicht liebe

Noch eine Weile sitze ich mit Arthur, der französischen Mitbewohnerin und einem weiteren Gast aus Belgien in der Küche, trinke Bier und spiele Karten. Leider hat die Fußball-Weltmeisterschaft begonnen und alle sind aus dem Häuschen. Für Peru ist es besonders krass, weil sie seit 36 Jahren erstmals wieder mitspielen. Als Deutsche werden wir ständig darauf angesprochen, da die deutsche Elf Titelverteidiger ist und besonders mich nervt es zunehmend an. Weder interessiert mich der kommerzielle Fußball, noch fühle ich mich meinem Land, noch mit den reichen Fußball-Spielern verbunden. Auch als ich mich an dem Abend gezwungen sehe, mich dafür zu erklären, gibt es kaum Verständnis in der Runde. Ich muss doch mein Land nicht mögen, nur weil es mir seinen Pass ausgestellt hat?
Aber freust du dich denn nicht wenn dein Team gewinnt?
Was ich denke: Warum mein Team?
Was ich antworte: Nein. Warum?
Ich lass die drei sitzen, die das ambitionierte Ziel haben um fünf Uhr früh aufzustehen, weil dann das erste Spiel übertragen wird.
Als sie wieder ins Bett gehen, fangen wir an unsere Rucksäcke zu packen. Arthur schaut uns ungläubig an, als wir um 8 Uhr abends immer noch nicht wissen wo die Busse abfahren und wir noch kein Ticket haben. Offensichtlich können wir noch eine Spur lässiger als der lässigste Typ vor uns. Tatsächlich werden wir eines besseren belehrt und finden keine Bustickets mehr, die uns über Nacht ins ersehnte Trujillo bringen. Eine Großstadt am Meer, die wir uns etwas preiswerter und mit Sandstrand ausmalen. Ein freundlicher Taxifahrer klappert mit uns die hunderten Busagenturen in der Innenstadt ab, aber in der Regel müssen die Agentinnen noch nicht mal in den Computer schauen um mit dem Kopf zu schütteln.
Etwas abgeschlagen lassen wir uns die gute halbe Stunde zum großen nördlichen Busterminal fahren. Dort stehen wir einem Busbahnhof gegenüber, der einigen Flughäfen sicherlich den Rang abläuft. Er ist einfach riesig. Wir fragen uns – es ist mittlerweile schon fast 11 Uhr abends – an den Schaltern von hunderten Firmen durch und werden tatsächlich noch fündig. „Titanic“ – welch kreativer Busfirma-Name! – verkauft uns noch zwei Tickets in einem älteren und sehr engen Modell. Die vielen Menschen um mich herum rauben den Sauerstoff und sorgen für wohlige Wärme. Nicht lange und ich entschwinde in die Welt der schönen Träume und damit aus Lima, der größten und Hauptstadt Perus. Gute Nacht!

PS.: Lima und unsere nächsten Stopps auf einer Karte:

Lima, Trujillo, Piura

StepMap Lima, Trujillo, Piura

Mai 30 2018

Wo wir zur Zeit sind:

Zur Zeit sind wir in Ayacucho, kamen aus Cusco und weiter geht’s nach Huancayo …

Ayacucho

StepMap Ayacucho

Mai 29 2018

Frederic

29. Mai 2018

Ayacucho

von Karl

 

Manche Menschen leben länger als sie gelebt haben. Arnos Bruder ist ein solcher. Arno ist eine Rampensau. So bezeichnet er sich selbst. Er muss wohl als Kind in ein Wörterbuch gefallen sein. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall hat er viel zu erzählen und freut sich wenn er Fragen gestellt bekommt. Am liebsten über Peru, über Ivochote, dem Kakao-Anbau und natürlich „Peru Puro“. Seinem Baby. Er ist Geschäftsführer dieser Importfirma. Im direkten Handel, was er nicht ohne stolz sagt, in Abgrenzung zum Fairen Handel, importiert er direkt von den Bauern und Bäuerinnen Kakao nach Deutschland. Es gibt keine Zwischenhändler. Alles ist voll ökologisch und angebaut wird Chuncho, eine Ur-Kakao-Sorte. Daraus entsteht Edelkakao und -schokolade, die Arno dann in Deutschland vermarktet. So viel zur Vorrede.

Wie alles begann.

Schon am Minibus in Cusco lerne ich einen ehemaligen Ivochoter kennen. Gabriel ist jetzt Fahrer eines Minibusunternehmens, hat früher in Quillabamba im Kakao-Business gearbeitet und davor Strom in Ivochote verlegt. Seine Kolleg*innen stehen noch an der Straße um die letzten Plätze zu verkaufen. Laut rufen sie „Quillabamba“ auf die dichtbefahrene Straße. Die Fahrt nach Quillabamba lehrt uns das erste Mal bei tageslicht die Realität eines echten Gebirges. Immer wieder geht es Serpentinen hoch und runter. Oft führen die Straßen an Berghängen entlang. Ab über 3.500 Metern nimmt auch die Baumvegetation ab und die Berge sehen gelblicher aus, geprägt von dem Gras. Oft kann weit in das Tal hinein geschaut werden, sodass atemberaubende Ausblicke entstehen. Irgendwann halten wir auf einen Pass, der gut über 4.000m liegt. Nebel oder Wolken wabern von der anderen Seite über den Pass. Kurz darauf fahren wir im Achterbahntempo kilometerlang durch Wolken, bis wir wieder im Regenwald rauskommen. Eine der bedrohtesten und seltensten Vegetationszonen sind die Nebelwälder. Das sind Regenwälder die die meiste Zeit im Nebel stehen. Vielleicht sind wir durch einen solchen gefahren.

In Quillabamba finden wir eine günstige Unterkunft und schon steht Arno vor der Tür. Ganz wie ein deutscher Tourist auszusehen hat – nur – dass gerade er, gar keiner ist. Sandalen, beige-graue Trekkinghose, T-Shirt, gerötete schweißige Haut von der Hitze, blaues Shirt und lichter werdendes braunes Haar. Ein ständiges Grinsen begleitet das lose Mundwerk. Er führt uns gleich an unseren morgigen Treffpunkt und wir nutzen die Gelegenheit für eine Vorgespräch für unseren nächsten Film. Der Kakao in Ivochote soll den Fairen Handel in Deutschland bewerben. und wir sind das Film-Team. Unsere Magenschmerzen gehen vor allem zur spanischen Sprache. Wir können uns zwar verständigen, aber ein Interview ist nochmal eine andere Liga.

Der Geschäftsführer betont schon jetzt wie edel sein Kakao ist und dass kaum jemand, der oder die den Kakao probiert hat, diesen nicht wieder gekauft hat. Eine Info die uns noch öfters mitgeteilt wird.

Quillabamba

Wir nutzen die kurze Zeit in Quillabamba für einen Spaziergang und tatsächlich sind irgendwelche Festlichkeiten am Hauptplatz. Tribünen sind aufgebaut und viele Menschen mit und ohne Kostümen sind unterwegs. Plötzlich zieht an uns eine tanzende und musizierende Gruppe vorbei. Später werden wir solche Gruppen immer wieder sehen, nicht selten im Zusammenhang mit der Kirche. Quillabamba ist die größte Stadt mit 200.000 Einwohner*innen im Distrikt Echarati. Es ist vor allem deswegen reicher, weil sämtlicher Handel mit den umliegenden Dörfern über diese Stadt geht. Die Bäuerinnen und Bauern aus Ivochote zum Beispiel müssen für jede Reparatur nach Quillabamba. 6 Stunden hin und 6 Stunden zurück. Wenn es keinen Erdrutsch gab, sonst dauert es länger. Nicht selten fahren die Busse nachts, weil es da nicht so heiß ist. D.h. 2 Uhr nachts Abfahrt in Ivochote und dann wieder 2 Uhr nachts Abfahrt in Quillabamba. Schlafen scheint nicht so angesagt zu sein. Es gibt ja Coca.

Die Rentner*innen-Reise-Gruppe, kurz RRG

Arno meint, wir kommen genau richtig. Zum ersten Mal gibt es eine Touri-Gruppe aus Deutschland die u.a. mehrere Tage nach Ivochote reist. Es sind zwei Plätze frei geworden und nun können auch wir einfach mitkommen und werden mit ihnen an alle interessanten Plätze geführt. Tatsächlich macht uns das alles einfacher. Nach der einen Übernachtung in Quillabamba gehen wir mit unseren Gepäck zu Arnos Hotel und erwarten die Gruppe. Gemeinsam mit Ihnen packen wir unseren Kram auf das Dach des Minibusses.

Ich setze mich in die letzte Reihe und lerne im laufe der Fahrt nach Ivochote die beiden „jüngeren“ der Reise kennen, mit denen ich die Reihe teile. Ein Pärchen aus Franken. Er ist auch eher vom Typ Rampensau, schwer in Ordnung und nicht verlegen schlechte Witze zu machen. Dann kennt er noch das Känguru und engagiert sich gegen zu viel Religion in dieser Welt. Ganz sympathisch. Seine Frau dagegen, ist eher zurückhaltend. Wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nix von ihr.

Schon am Bus lerne ich den Sachsen kennen. Zwischen den ganzen schwäbisch-fränkischen Dialekten sticht er hervor. Reiseteam-intern nennen wir ihn „die Komödie“, weil er es schafft jedes Fettnäpfchen mitzunehmen. Er ist ganz lieb, nur kehrt er seine negative Sicht stark nach draußen. Wir schauen uns unbeteiligt die Konflikte zwischen ihm und der RRG an. Die Unterhaltung hatten wir gar nicht gebucht. Aber das schönste kommt ja meist überraschend. Nur die „Jüngeren“ scheinen ihn wirklich integrieren zu wollen.

Dann ist da das Vierer-Team vom Weltladen Ulm. Mit der kleinen braunhaarigen als zurückhaltende Anführerin. Die drei anderen Rentnerinnen sind auch ehrenamtlich Engagierte. Sie sind noch mehr dabei das als schönen Urlaub zu nehmen und erzählen viel und gern aus ihrem Leben.

Ein noch älteres Ehepaar, scheinbar Verwandte oder Bekannte von Arno, begleitet uns noch, doch besonders Er ist sehr in sich gekehrt. Freundlich sind sie wohl alle.

Bienvenido en Ivochote

Die Fahrt von Quillabamba nach Ivochote wurde mehrmals für Photo-Pausen unterbrochen. Allerdings ist der Bergregenwald mit dem Rio Urubamba auch ein prächtiges Motiv. Der Fluss schlängelt sich zwischen den steilen grünen Berghängen. Hier im Gebirge ist er nicht der ruhige Breite, sondern ein reißender Strom. Irgendwann verlassen wir die asphaltierte Strecke und biegen in Kiteni auf die Schotterpiste. Über sechs Stunden dauert die Fahrt, was angesichts der üblichen Distanzen in Peru eher wenig bis durchschnittlich ist. Ivochote ist ein Dorf mit einigen hundert Einwohner*innen. Ivochote liegt komplett rechtssseitig des schnellen Rio Urubamba und ist mit einer Hängebrücke mit dem anderen Ufer angebunden. Für Motorräder ist sie breit genug, nicht aber für Autos. Wir sind in einem der Hotels am Fluss untergebracht. Im Dorfkern thront ein großes Schulgelände und ein überdachter Fußballplatz mit einer kleinen Tribüne. Riesig im Vergleich zu den nicht mal hundert Schüler*innen.

Peru gibt viel Geld für Schulen aus, aber die Korruption ist auch hier ein Problem. Architekt*innen planen gerne groß, weil dann mehr abgerechnet werden kann und damit der prozentuale Eigenanteil größer wird. Eine andere Schule hatte sogar ein kleines Wasserbecken, jedoch ohne Wasser. und eine große Küche, jedoch ohne dem nötigen Gas. Auch die Lehrer*innen möchten lieber in den Städten arbeiten, sodass Bestechung bei der entsprechenden Vergabestelle normal sein. Mit 10.000 Soles für einen Großstadt-Arbeitsplatz sollte gerechnet werden. Auch seien Lehrer*innen schlechter je entfernter die Schule von der Großstadt liegt. Selbst an den Wegen abseits der Dörfer gibt es Schulen, für die Kinder der Bäuerinnen und Bauern, sowie der noch entfernter lebenden Mechungas, der einheimischen Indigenen.

Viele der Menschen in Ivochote arbeiten zur Zeit auch für die Gasfirma. Seit einiger Zeit wird eine sehr lange Erdgaspipeline von Camisea, was noch viel weiter östlich im Flachland-Regenwald liegt, bis an die Küste gezogen; das heißt auch einmal komplett über die Anden. Dafür wurden schon die meisten Kilometer im Bergregenwald abgeholzt und die Rohre ausgelegt. Arno hat uns auch einige Lagerstädte der zukünftigen Rohrelemente gezeigt. Anfangs seien viele vor Ort begeistert gewesen, weil die Firma Geschenke verteilt hat, die Straßen asphaltiert und viel Geld in Ausgleichsmaßnahmen gesteckt wurden. und natürlich weil es gut-bezahlte Arbeit gab. Als die Baufelder weiter-wanderten und die Naturzerstörung übrig blieb, begann der Protest. Camps der Gasfirma wurden in Brand gesteckt. Wenn deren Hubschrauber landeten, kamen die Einheimischen mit Fackeln. Dann schickte die Regierung das Militär. Um die Gasfirma zu schützen. Mittlerweile ist der Protest abgeebbt und der Bau geht weiter.

Jonathan

Mit Dreirad-Motorrädern soll es zum Kakao-Bauern Jonathan gehen. Mit dabei, der Präsident der ökologischen Kakao-Vereinigung Ivochote, oder einfach nur Adolfo. Manchmal auch Alfonso. Eines der Motorräder ist neu gekauft. Wir starten am neuen Zentrum der Vereinigung, wo wir auch mit Essen versorgt werden. Neue Toiletten, neue Küche, Gästezimmer, Lager, Versammlungsraum. Alles per Hand gemacht und mit Material von vor Ort. Es ist einfacher den Flusskies zu sieben und zu Zement anzurühren, als einen Laster kommen zu lassen. Bewundernswert was hier geschafft wurde. Jonathan und Adolfo sind noch dabei Bretter zuzuschneiden als wir frühstücken. Damit drei Reihen auf der Ladefläche eines Motorrads Platz nehmen kann. Neben dem Fahrer sind links und rechts noch je ein Sitz.

Ivochote liegt unter 500 Metern, aber die Bauernhöfe auf ca. 1.200 Metern über dem Meeresspiegel. Nach nur wenigen Kilometern den Schotterweg hinauf, platzt der Abluftschlauch am Motor. Stundenlang versuchen wir das zu reparieren. Teils mit Bananenblättern. Am Ende tut es ein Lappen und stetiges kühlen mit klaren Wasser vom Beifahrer. Der neue Schlauch muss erst in Quillabamba besorgt werden. Eine Weltreise entfernt. Jonathans Bauernhof besichtigen wir, der aus mehreren Holzbauten besteht und einem gut gepflegten Schrebergarten den Rang abläuft. Es gibt eine Küche, einen überdachten Versammlungstisch, eine Kakao-Anzucht, Unterkünfte, einen Gemüsegarten und einiges an Werkzeugen. Hühner laufen frei rum. Es gibt zig gut gepflegte Bäume, u.a zeigt er uns Zimt. Auch sein jüngster Sohn fährt mit seinem kleinen Fahrrad über den Hof und nähert sich immer wieder schüchtern den entzückten Rentner*innen die gerne mal wieder ein Photo von einem süßen Kind machen.

Er gibt uns Früchte zu essen, die wir noch nicht mal in Quillabamba kaufen könnten, weil die sehr schnell schlecht werden. Die kann mensch nur hier essen, wo sie wachsen. Früchte die ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe. Leider sogar sehr leckere Früchte.

Der soziale Kakao

Wir werden auch hier von einer der Frauen-Gruppen bekocht. Arno erklärt, dass eines der zentralen Projekte der Kakao-Vereinigung die Frauen-Gruppen sind. Vormals sind nur die Männer zum Verkauf des Kakaos und wegen anderen Besorgungen ins Dorf gegangen. Nun aber treffen sich die Frauen und das stärke ihr Selbstbewusstsein ungemein. Als eine Frau von ihrem betrunkenen Mann immer wieder geschlagen wurde, haben sie sich gemeinsam aufgemacht und mit dem Mann gesprochen. Chefin des neuen Zentrums oder offiziell die Sekretärin der Vereinigung ist Amelia und hat als Frau eine führende Rolle eingenommen.

Ein weiterer Teil ist die Unterrichtung von Schwester Esther. Schwester Esther ist über einen christlichen Orden in das Tal gekommen und stammt aus dem Regenwald Indonesiens. Im Gegensatz zu den Bäuerinnen und Bauern kennt sie sich mit dem Regenwald aus. Arno erklärte uns, dass die meisten in Ivochote aus dem Hochland zugewandert sind und den Regenwald nicht kennen. Sie denken an die eigene Versorgung, sodass sie Land kaufen, abholzen, drei Jahre Kakao anbauen und dann neue Felder brauchen, weil der Boden keine Nährstoffe mehr trägt. Nun wird nachhaltig angebaut. Arno ist studierter Tropenökologe und trägt sein Wissen mit bei. Das wirkt sich auch auf die Ernährung aus. Mittlerweile werden verschiedenste Pflanzen zur eigenen Versorgung angebaut, wie beispielsweise Salat, Tomaten und es wird sogar Kuchen gebacken. Alles das gab es vorher nicht. Mittlerweile ist es Teil der Schulspeißungen und es gibt Schulgärten.

Der Regenwald wird als nachhaltige Quelle geschützt, wieder aufgeforstet und für den Eigenbedarf genutzt. Über 90% von Jonathans Fläche ist natürlicher Regenwald, den er nun nicht mehr abholzen will. Vielleicht jagt er mal ein Tier, erntet eine Frucht oder fällt einen Baum für Neubauten. Nur ein paar Hektar nutzt er für den Kakao-Anbau.

Der Kakao

Kakao wächst an kleinen Bäumen die nicht größer sind als drei Meter. Interessanterweise wachsen die gelben oder roten Früchte direkt am Stamm oder den Ästen aber nicht bei den Blättern. Die Früchte sind hart, wasserflaschen-groß und geformt wie ein Football. Mit der Machete schlägt Jonathan eine Frucht in zwei und es kommt ein weißer Fruchtschleim zu Gesicht in dem die Kakao-Kerne geschützt sind. Der Schleim schmeckt ganz pasabel, aber die Kerne sind im Interesse von Adolfos Kolleg*innen. Die Kerne werden gewaschen, fermentiert und getrocknet. Erst dann werden sie Teils in Quillabamba weiterverarbeitet oder direkt nach Europa verschifft. Den Kakao erst „vor Ort“ zu Schokolade zu verarbeiten, ist ökologischer, weil der Transport dann nicht gekühlt werden muss.

Wir interviewen Adolfo zwischen Jonathans Kakao-Bäumen nach dem die RRG weitergezogen ist. Er sagt, dass der Klimawandel tatsächlich ein großes Problem ist. Mittlerweile breitet sich ein Insekt aus, welches sich vom Schleim ernährt und damit die Kerne im Wachstum schädigt. Das Insekt hat diese Höhen erst für sich entdecken können, weil es wärmer wurde. Ca. 50% der Früchte seien befallen. Ein riesiges Problem. Arno hält die Ur-Sorten für den Schlüssel um dem Trend Herr zu werden, sowie großflächigen Regenwaldschutz und Aufforstungen. Damit das Mikroklima im Urubamba-Tal konstant bleibt.

Arme Deutsche

Am letzten Abend sitzen wir sprachlos mit der RRG am Abendbrot-Tisch. Sie sammeln Geld für die Frauen-Gruppen. Ich habe die Bäuerinnen und Bauern als selbstbestimmte und stolze Menschen wahrgenommen. Ich konnte viel von Ihnen lernen und bin immer noch tief beeindruckt, wie sie ihr Leben gestalten und was sie geschafft haben. Menschen denen ich auf Augenhöhe begegnet bin und denen ich viel zugehört habe. Ihnen Geld zu spenden empfinde ich dabei als Abwertung. Ich der reiche Deutsche unterstreicht damit seine privilegierte Position. Rosa und ich wenden uns ab, was uns aber nicht so leicht gemacht wird. Sie diskutieren am Tisch den Gesamtpreis und legen fest wie viel jede*r zu geben hat. Als Rosa ablehnt, trifft sie der unverständliche Todesblick einer Rentnerin.

Bei einer Schulbesichtigung übergeben einige Rentnerinnen ihre Geschenke an die Direktorin der Schule. Nie wurde gefragt, was gebraucht wird. Kugelschreiber, Notizheftchen, Mini-Täschchen, Wasserbomben, … werden überreicht. Meines Erachtens Sachen, die sie einfach nicht mehr gebraucht haben. Sie denken, sie würden etwas gutes tun, wissen aber überhaupt nicht, ob es überhaupt helfen wird. Eigentlich geht es gar nicht darum den peruanischen Kindern zu helfen, sondern das gute Gewissen der schenkenden Deutschen. Die geistig Armen und die materiell Armen treffen sich hier in bewundernswerter Freundlichkeit.

Als sie dann sogar für Arno Geld sammeln, bin ich dann dran den Todesblick der Rentnerin einzufangen. Nie wurde ich gefragt, was ich davon halte, wie viel ich geben mag oder dergleichen. Nein, ich wurde einfach aufgefordert 30 Euro zu geben.

Der Touri-Tag

Unser letzter Tag vor der Abreise in Ivochote, ist ein touristischer Programmpunkt. Den Urubamba flussabwärts durchbricht der Fluss den letzten Gebirgszug der Anden und geht in den Flachlandregenwald über. Das Wasser gelangt über verschiedene Flüsse irgendwann in den Amazonas. Faszinierend ist dabei, dass die Amazonas-Mündung viele tausende Kilometer entfernt ist, aber der Höhenunterschied lediglich 300 Meter beträgt.

Wir fahren mit zwei lokalen Langbooten den Fluss hinab. Die Holzboote sind gute 40 Meter lang und mit Auto-Sesseln ausgestattet. Der Fluss macht noch einige Wendungen und hat einige Stromschnellen die viel Geschick erfordern. Ein Ausfall des Motors wäre der sichere Tod. Nach zig Stromschnellen und Hängebrücken erreichen wir die Schluchten des „Pongo de Mainique“. Faszinierend ragen links und rechts die Felswände auf. Hin und wieder durch Wasserfälle abgenutzt. Es ist leiser hier. Der laute Regenwald ist etwas zurückgetreten und nur das Wasser plätschert. Der Fluss ist immer noch reißend, aber er zeigt es nicht. Es ist kühler im Schatten der Felsen. Es ist dunkler ohne dem Grün und der Sonne.

Wir wandern später in einen Seitenarm und genießen ein Bad an einer ruhigeren Stelle. Gleich daneben hat der kleine Fluss eine natürliche Wasserrutsche gebastelt, was mich sehr lange sehr erfreut. Im Schatten der Bäume bleibt die Zeit stehen. Alle Arbeit mit dem Film ist vergessen. Ich lass mich immer wieder treiben und springe immer wieder von den Felsen in das kalte Nass. Die Sonne wärmt bedächtig die Felsen. Wohl Stunden hätte ich verbringen können, wenn nicht der Rest der Gruppe den Rückweg angebrochen hätte.

Arnos Bruder

Auf dem Weg zurück fordert Schwester Esther den Bootsfahrer auf kurz langsamer zu fahren. An einem Stein am Rande ist ein Name eingeschlagen. Fein säuberlich steht dort „Frederic“ geschrieben. Arnos Bruder. Er ist als Abenteuer-Tourist auf dem Rio Urubamba unterwegs gewesen, ist gekentert und wurde an dieser Stelle das letzte Mal gesehen. Wir staunen, dass Arno mit uns unterwegs ist. Er ist der Grund, warum Arno und seine Eltern immer wieder in diese Region kommen. Seit über 16 Jahren schon. Sie haben den Verein „Frederic – Hilfe für Peru“ aufgebaut, den viele in Ivochote kennen. Genauso wie Arno ein bunter Hund im Dorf ist. Der Verein ist der Anfang, der irgendwann zum direkten Handel mit Kakao führte. Es ist beeindruckend welche Spuren Frederic hinterlassen hat und wie er nun weiterlebt. Weit über sein Leben hinaus. Er war Backpacker, so wie wir.


Mai 28 2018

die Gewerkschaft der Herzen

21. Mai 2018

Cusco

von Karl

 

Es muss ja auch mal ein Ende haben. Unser Pech. Dass wir eigentlich in 1,5 Tagen die Strecke Porto Velho bis Cusco schaffen wollten, ist schon jetzt illusorisch, aber vielleicht kommt jetzt die verdiente Wende. Wir sind gerade aus dem Bus vor dem brasilianischen Grenzposten herausgepurzelt, schon werden uns Plätze im einzigen Mini-Bus nach Puerto Maldonado zu besten Preisen angeboten. Sofort schlagen wir zu, hieven unser Gepäck mit aufs Dach und gehen mit unseren Reisepässen zum Polizei-Büro. Der Grenzbeamte erklärt uns, dass wir bei der Einreise nur 15 Tage Aufenthalt in Brasilien angegeben haben, heute wäre schon der Tag 24 und für jeden Tag drüber wird eine Steuer fällig. Er ist aber so kulant und verlängert das im System. Ich hielte diese Angabe für bloße Statistik, aber offensichtlich hat sie Folgen. Gibt es doch nette Polizist*innen? Als uns der Bus bei dem peruanischen Büro rauswirft geben wir auch gleich 60 Tage an. Bestimmt viel zu viel, aber sicher ist sicher. Grenzbeamt*innen sind vielleicht nicht immer gut drauf.

Peru gibt uns etwas Sicherheit wieder, weil wir nun unser gebüffeltes Spanisch auch etwas anwenden können. Wir können uns selbst verständigen, das gibt uns mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Der Mini-Bus düst so schnell er kann durch den schon gewohnten Regenwald. Nach Sonnenuntergang erreichen wir Puerto Maldonado und nehmen ein dreirädriges Moped-Taxi zum Busbahnhof von dem die Busse nach Cusco abfahren. Für uns ist es ungewohnt überraschend, dass ein Dutzend verschiedener Anbieter nahezu zeitgleich abends zum selben Zielort abfährt. Das muss diese Marktwirtschaft sein, wo alle umeinander konkurrieren und niemand verdient. Etwas gerädert von den letzten Tagen nehmen wir ein „Bett“, statt des üblichen Sitzplatzes. Das heißt dann aber nur, dass der Sitz etwas komfortabler ist. Die Lehne lässt sich weit zurückklappen. Der Reisebus fährt über Nacht. Da es an einer Klimaanlage fehlt, wird es auch zusehend kälter im Bus, während wir uns merklich Serpentinen hochschlängeln. Erste Kopfschmerzen machen sich breit.

In Cusco fallen wir aus dem Bus, greifen das Gepäck und fangen an uns zu orientieren. Ohne Ansage, ziemlich abrupt, waren wir einfach da. Ich verlasse den Busbahnhof, das Terminal Terrestre, und merke wie beim leichten Anstieg mein Herz anfängt ungewöhnlich schnell und stark zu pochen.

Ein Taxi bringt uns dann zum Couchsurfer, der bei unserer Ankunft auch aus dem Fenster winkt, aber dann nicht die Tür öffnet. Etwas verärgert warten wir noch eine viertel Stunde, aber jedes Klingeln und Klopfen hilft nicht. Wir sind verblüfft und rätseln warum er nun die Tür nicht öffnet und uns hier sitzen lässt. Wir ziehen um die Ecke und der Zufall bietet uns direkt ein Hostel an. Nennen wir es Glück im Unglück.

Endlich ankommen. Es ist das schöne Gefühl, endlich einen Anker zu haben. Endlich können wir wieder unseren Kram aus dem Rucksack in allen Ecken verteilen. Der neue Gastgeber lässt mit sich reden und wir bekommen sogar noch Frühstück. Der Weg in den vierten Stock bringt mein Herz erneut auf Höchsttouren, wo ich doch sonst kein Problem mit Treppen habe. Bei meinem ersten Coca-Tee kann ich den Blick über Cusco schweifen lassen. Wir haben in unserem Glück sogar noch einen fulminanten Ausblick auf Cusco erhalten.

Cusco schmiegt sich zwischen Bergen in einem weitläufigen Tal und ist im Zentrum durch rote Kolonial-Dächer geprägt. Der übliche Morgennebel über Cusco zieht gerade langsam von dannen. Die Berge um Cusco haben nur wenige Bäume. Nicht verwunderlich auf ca. 3.500 m über Meeresspiegel, da beginnt in den Anden die Baumgrenze. Ja, Cusco ist eine der höchsten Städte und deshalb auch die ganzen körperlichen Beschwerden. Die Höhenkrankheit hat uns erwischt. Kopfschmerzen, etwas Übelkeit, allgemeine Benommenheit. Vor allem aber schlapp. Eigentlich fühle ich mich den ganzen Tag wie frisch aufgestanden, nach einer hart durchzechten Nacht. Der berühmte Kater danach. Nur, dass er nicht weggeht. Mensch kann sich nur bedingt dran gewöhnen. Oft werden die Coca-Blätter empfohlen. Die sollen etwas helfen. Zum Kauen oder als Tee aufgebrüht. Schmeckt übrigens wie Kräuter-Tee nur in leckerer. Die Höhe bringt auch ungewohnte Kälte mit sich, so gehen hier die Temperaturen bis kurz vor dem Gefrierpunkt runter und erreichen selten 20 Grad.

Wir versuchen uns eine peruanische SIM-Karte zu organisieren, aber das gestaltet sich als Schnipsel-Jagd. Die ersten Läden verkaufen keine SIM-Karten, obwohl Handy-Netz-Werbung draußen dran ist. Dann versuchen wir es in den Handy-Läden, aber die verweisen auf einen größeren. Den endlich gefunden, stellen wir fest, dass die SIM-Karten dieses Anbieters nicht mit unseren Handys funktionieren. Also geht das Spiel auf ein neues los, aber tatsächlich funktioniert es dann irgendwann.

Wir kommen immer wieder an Touri-Sachen vorbei wie alte Kirchen und Inka-Ruinen. Die ganze Stadt ist ein einziges Tourismus-Zentrum. Alles ist darauf ausgerichtet. Ein Hostel reiht sich manchen Orts ans andere. Die Sehenswürdigkeiten haben stolze Preise, sodass wir nix von innen sehen und eigentlich dreht sich auch alles um Machu Picchu, den Inka-Ruinen einige Kilometer von hier. Machu Picchu gehört zu den Top Ten Sehenswürdigkeiten in Südamerika und entsprechend viele Touris sind hier unterwegs. Uns interessiert das erstmal nicht, denn für uns ist die Fahrt zur Fair-Trade-Kakao-Plantage angedacht. Dafür bereiten wir uns vor.

Wir müssen dafür in Quillabamba umsteigen, und suchen das Busterminal nach Quillabamba. Tatsächlich finden wir das mit Hilfe sehr netter Bahnmitarbeiter. So wie wir das Terminal betreten, prasseln die Rufe auf uns ein. Die zig Anbieter möchten uns alle ihren Bus verkaufen. Sie verstehen auch nicht, dass wir gar nicht zum Machu Picchu möchten. Es gibt nämlich eine günstigere Route zu Machu Picchu über Santa Maria, was auf halber Strecke nach Quillabamba liegt. Montag wollen wir zurückkehren zum Busterminal.

Die nun übrige Zeit nutzen wir für einen Aufstieg zum Christo Blanco. Eine kleine Jesus-Statue, ähnlich der berühmten in Rio de Janeiro, thront am Rande der Stadt. Es ist auch die einzige Sehenswürdigkeit ohne teuer Eintritt zahlen zu müssen. Tausende Stufen führen uns zu ihm.

Wir müssen einige Pausen machen, weil unsere Herzen rebellieren. Es tut schon richtig weh. Das Herz pocht mit einer Gewalt gegen die Rippen, dass ich das Gefühl habe, es würde ohne Brustkorb herausspringen. Wenn unsere Herzen eine Gewerkschaft gründen würden, sie hätten schon längst gestreikt. Es kostet uns einiges an Zeit die Stufen zum Jesus zu erklimmen, aber wer sagt schon, dass der Weg zu Gott einfach ist. Scheint mir aber auch kein guter Gott zu sein, wenn er uns so quält. Dieser Gott kam mit den Konquistadoren nach Cusco. Vormals war Cusco Hauptstadt des Inka-Reiches, aber die Spanier*innen haben erstmal alle versklavt, alle Reichtümer geplündert und die Stadt zerstört. Danach wurde ihre Kolonie auf den Überresten errichtet und nun sind die europäischen Touris überall.

Zu Jesus‘ Fuße genießen wir den Überblick, horchen den Touri-Guides der Gruppenreisenden und schauen uns vom Aufstieg fertige Touris an. So vergeht etwas Zeit in der Sonne.

Selbst der spätere Abstieg macht uns noch zu schaffen und wir steuern nach kleinen Umwegen unsere Unterkunft an. Geplagt von der Sonne und den rebellierenden Herzen, versuchen wir uns etwas zu beruhigen, sodass wir morgen fit sind wenn es nach Quillabamba geht.

PS.: Die Stadt-Flagge von Cusco ist wunderschön (-;


Mai 28 2018

Mal wieder: ein Schwung Postkarten kommt nach Europa …

Auch welche? Mehr Infos unter Postkarten