Nov 9 2018

Pelikane und Robben

Von Karl

 

Gemüsegrenze

Schneller als erwartet erreicht der Bus die Grenze. Eben noch haben wir den kommenden Sonnenuntergang nebst riesiger schneebedeckter Kegel beobachtet, da biegt der Bus in den Bereich bolivianischen Grenzabfertigung ein. Das ist allerdings schnell gemacht. Dann folgt noch ein längerer Weg und wir halten in einer Art Busbahnhof.

Alle müssen wir aussteigen, unsere Sachen packen und an einem Schalter unsere grünen bolivianischen Touri-Ausweise abgeben. Am nächsten Schalter bekommen wir nun Kassenbons mit Strichcode. Wieder etwas was wir bis zur Ausreise aufheben müssen.

Parallel läuft die SAG, eine Agentur des Landwirtschaftsministerium, mit Hunden durch die Reihen. Interessanterweise ist Chile sehr streng mit der Einfuhr von Lebensmitteln, insbesondere von frischen Essen. Ein roher Apfel kann 100 US-Dollar Strafe kosten. Eigentlich wollten wir unser übriges Essen zum Abendbrot mampfen, aber dazu kamen wir nicht. Wir haben es einfach im Bus gelassen und die frische Avocado unterm Sitz versteckt.

Als ich aber den Spürhund sehe, bekomme ich es dann doch mit der Angst zu tun. Der Hund schlägt bei verschiedenen Gepäck immer wieder an und die grimmigen Hundeführer*innen lassen daraufhin alles durchwühlen. Als eine Frau vor uns in der Reihe ihre offene Milch kurz unbeaufsichtigt lässt, springt sogar der Hund hoch und leckt daran. Ich versuche mich normal zu benehmen. Leichter gedacht als getan. Das gesamte Gepäck geht durch große Scanner, wie sie bei Flughäfen geläufig sind. Da am anderen Ende des Förderbandes die Uniformierten schwer beschäftigt sind mit dem Gepäck anderer Reisender, nehme ich flink meinen Kram und verlasse den Bereich.

Zwischen Ankommens- und Abfahrtsbereich wurde ein Gitter errichtet, sodass auch der Bus wohl erst freigegeben werden muss, bevor er auf unserer Hälfte dann vorfährt. Auf meinem Platz finde ich dann meinen Essensbeutel ausgeschüttet vor. Offensichtlich wurde hier gewühlt und kontrolliert, aber die Avocado ist noch im Versteck. Als dann der Bus das Terminal verlässt, sind wir etwas vergnügt und beginnen mit der Vernichtung des verbotenen Gemüses. Nochmal Glück gehabt.

Warten und Schlafen vor der Tür

Gegen Mitternacht entlässt uns der Bus auf der Rückseite des internationalen Terminals. Um etwas Geld zu sparen im nun teureren Chile, begeben wir uns in das nationale Terminal und versuchen irgendwie eine Warteposition zu finden, die angenehm ist. Nun kostet alles wieder zehntausende Pesos, denn der Wechselkurs ist ungefähr 750 Pesos für 1 Euro, bei gleichzeitig hohem Preisniveau. Wir sind in Arica, der nördlichsten Stadt Chiles. Die Grenze zu Peru ist ganz nah. Wir haben das trocken kalte Hochland gegen das trocken-warme Küstenklima getauscht.

Eigentlich liegt die Stadt in der Wüste. Der Strand scheint ungebrochen in die Dünen hinter der Stadt überzugehen. Wenn da nicht künstliche Bewässerung und einige Palmen wären.

Unser nächtlicher Aufenthalt währt nicht lange, denn der Busbahnhof soll geschlossen werden. Wir ziehen etwas durch die Straße, aber als uns irgendwelche düsteren Gestalten grüßen, gehen wir zur angestrebten Unterkunft. Da wir aber keine Klingel finden und auch nicht stören wollen, bauen wir ein Lager vor der Tür auf.

Leider lässt es sich auch hier kaum pennen und nach nicht einmal einer Stunde öffnet sich die Tür. Ein alter Mann mit perfektem Englisch öffnet die Tür. Der Alte holt uns in sein Wohnzimmer. Wir haben nicht das Gefühl in einem Hostel zu sein, denn alles sieht aus wie in dem Wohnzimmer alter Leute. Viele Sofas, viele Bilder, Blumen, ein Hometrainer, ein langer Essenstisch, viele kleine Deckchen. Richtig viele Bilder hängen an den Wänden.

Der Alte sagt, dass es gefährlich ist draußen und hat tatsächlich direkt zwei Betten im unbelegten Mehrbettzimmer. Vorher bekommen wir noch Saft und Kekse und er erklärt uns die Stadt und Sehenswürdigkeiten. Er macht einen sehr vertrauenswürdigen und rührigen Eindruck. Damit haben wir nachts um 3 Uhr nicht gerechnet. Dankbar bringen wir unser Gepäck in das Zimmer und legen uns in ein richtiges Bett.

Sehenswertes

Der Alte hat das weltbeste Frühstück. Zumindest in Südamerika. Mit Genuss verzehren wir gutes Brot, guten Kaffee, Saft, Käse, Marmelade, viel Obst und Müsli. Wenn was alle ist, kommt er mit neuem und bietet auf Nachfrage sämtliche Infos zur Region. In dem weitläufigem Haus beginnt unser Start in Chile und Arica damit bestens. Der Alte scheint übrigens aus Neuseeland eingewandert zu sein.

Wir beginnen Arica zu erkunden. Arica hat im Norden einen weiten Sandstrand und im Süden Hafen und steinige Küste. Der Hafen ist ein gewöhnlicher Container-Hafen, der aber auch einen jedermensch zugänglichen Bereich bietet. Im Wasser schaukeln schon vom Weiten sichtbar große und kleine Fischereiboote. Im Containerhafen auch Container- und Schüttgut-Frachter.

Im allgemein zugänglichen Bereich befinden sich zwei Fischmärkte, einer Indoor und einer am Ende, Outdoor. Viele der Verkäufer*innen arbeiten gleichzeitig daran den frischen Fisch zu verarbeiten. Die Vielfalt der Meerestiere ist dabei erstaunlich. Es werden auch Fischteile angeboten, die offensichtlich von Tieren stammen, deren Länge meine Größe deutlich übersteigt. Vielleicht Haie, Wale oder Delfine?

An der Wasserkante sind aber andere Tiere das große Spektakel. Seelöwen und Pelikane streiten sich um die Fischreste, die hin und wieder von den Fischern ins Wasser geworfen werden. Hunderte Pelikane warten mit ihren langen Schnäbeln auf den Steinen und Dächern. Die Robben sonnen sich oder tollen durch das Wasser, dass es nur so spritzt. Auch andere, vor allem kleinere, Vögel mischen sich dazwischen.

Vor dem Hafen von Arica kann auch Fisch gekauft werden, allerdings gibt es dort auch sehr gute und günstige Empanadas, die frisch zubereitet werden. Ja, ich gestehe, wir mussten dort halten und probieren.

Der Hauptmarkt der Stadt hat dagegen seine besten Tage gesehen und nur wenige bieten noch Obst und Gemüse an. Es gibt einen anderen Markt, der besser funktioniert. Nichtsdestotrotz fehlt die Straßen-Markt-Kultur hier fast völlig, im Vergleich zu Bolivien, wo es der Herzmuskel zu sein scheint. Dagegen begegnen uns riesige Einkaufscenter. Shopping Malls kommen uns auch im weiteren Verlauf in Chile immer wieder unter und sie sind der Ort wo wir die meisten Menschen antreffen. Wenn die Straßen sonst leer und ausgestorben erscheinen: In der Shopping Mall ist die Hölle los. Die Liebe zum Einkaufscentern ist mir etwas ungeheuer.

Sehenswert ist Arica ist auch der Ausblick vom Morro, einem riesigen Felsvorsprung, der bis ans Wasser reicht und einen Ausblick über die Stadt erlaubt. Es fehlt nur die Spielkonsole und schon ließen sich die bunten Containerchen und Sandberge in Schiffe und LKWs verladen. Vielleicht noch ein Regler für die Eisenbahn.

Ganz im Hintergrund befindet sich der weitläufige Strand Aricas. Von einigen wenigen Buden und alten Hochhäusern belagert, ist der Strand ziemlich ruhig und bietet lange und große Wellen. Ideal um mal wieder das Surfbrett unter die Füße zu bekommen. Auch wenn die heftige Strömung und die harten Wellen einiges an Kraft kosten. Kurz nicht aufgepasst und schon bin ich mit dem Brett weit abgedriftet. Da ist es besser zu liegen und zu paddeln.

Nun sind wir also in Chile angekommen und damit wird es noch ein Weilchen weitergehen (-;

 

PS.: Eine Karte von Chile mit Arica ganz im Norden: