Apr 9 2019

Ein letzter Strand

Von Karl

Natal, Rio Grande do Norte, Brasilien

 

Auf dem Weg nach Natal wurde uns deutlicher, dass Brasilien ein riesiges Land ist mit riesigen Unterschieden. Die Infrastruktur nach Norden hin wurde langsam dünner. Zudem kamen wir in eine andere Zeitzone, aber in die Gegenrichtung als üblich wird die Uhr umgestellt. Was ich neues gesehen habe: Kaktus-Plantagen!

Ein letztes Mal bereise ich einen Ort auf dieser langen Reise. Kein Gedanke der mich sehr fröhlich stimmt. Nein, es ist die Zeit gekommen. Doch noch einmal darf ich hier eintauchen. Es ist Alax der uns empfängt. Ein Junger Mann der schon ein paar Jahre in der Schule als Lehrer gearbeitet hat, aber nun nochmal verreisen möchte. Neue Ideen, neue Ziele. Bei ihm wohnt noch die ganze Familie, das heißt ein kleinerer Bruder, sein Vater und seine Mutter. Während der Vater sich es nicht nehmen lässt immer einen witzigen Spruch zu drücken, zeichnet sich die Mutter durch umsorgende Gastfreundschaft aus. Sie arbeitet als Lehrerin.

Alax hat sogar sein Zimmer für uns geräumt und schläft im Wohnzimmer. Nicht nur das, er zeigt sich auch extrem hilfsbereit, denn es ist nicht so leicht mit dem Hafenagenten in Kontakt zu kommen, da seiner Aussage nach noch nie Passagiere hier in ein Containerschiff stiegen. Irgendwie klappt das dann aber mit Alax‘ Hilfe.

Der Vater arbeitet als Uber-Fahrer und bietet uns eine Tagestour mit diversen Sehenswürdigkeiten an, zum halben Preis, als sonst üblich. Schnäppchen und die Möglichkeit der Familie was zurück zu geben … da greifen wir direkt zu.

Ausflug in Rio Grande do Norte

Nach einer Weile Autobahn, biegen wir ein und passieren Alleen an Palmen, bis wir einer türkisen Flussmündung folgen.

Bald halten wir an einer Steilküste um den weiten Ozean zu überblicken. Unter uns ein idyllisch breiter Sandstrand. Bis in die Ferne verlängert sich dieser und liegt nahezu unberührt da. Es ist, was das Herz begehrt.

Unser Ziel ist der kleine Ort Praia da Pipa, was soviel wie Drachen-Strand bedeutet, wobei aber ein Steig-Drachen gemeint ist. Es ist ein verschlafener Hippie-Ort, mit Touris, Stränden, Lädchen und alles was die Touris so kaufen würden. Die Strände tragen wiederum verschiedene Namen. Einer ist als Liebesstrand bekannt. Von einem Parkplatz aus nähern wir uns wieder von oben und es führt eine steile Treppe hinab in eine grüne schmale Waldkette zwischen Fels und Strand.

Wir entgehen relativ flott wieder dem überlaufenen Ort und fahren zurück nach Tibau do Sul, vielleicht zehn Minuten entfernt. Auch hier gibt es einen Strand oder besser gesagt gleich zwei. In wenigen Laufminuten getrennt gibt es neben dem offenen Meer auch die Möglichkeit an der Flussmündung zu baden, was besonders für Nichtschwimmer*innen spannender ist, weil es vor Wellen geschützt ist. Ein Teppich aus Plastik-Stühlen, -Tischen und Schirmen wurde zudem aufgebaut. Restaurants verkaufen in ihren Bereichen Menüs mit viel Fisch, sowie Cocktails, Bier und das übliche. Auch Acai mit Cupuacu. Cupuacu ist eine Frucht, die wie Wein schmeckt.

und bei den Cocktails gibt es übrigens nicht nur Caipirinha.

Für ein paar Stunden genießen wir die Herrlichkeit des Ortes in vollen Zügen. Die Sonne ist ungebrochen und der Schatten der Abreise aus Südamerika ist nicht zu spüren. Dafür umspült die AtlantikGischt viel zu traumhaft die schwarzen Felschen auf dem weiß-gelben Strand. und im Hintergrund die Palmen …

Auf dem Weg zurück nach Natal halten wir noch in Pirangi do Norte einem Stadtteil des kleinen Städtchen Parnamirim nur noch wenige Kilometer vor Natal. Die Besonderheit hier ist der größte Cashew-Baum der Erde.

Wie ein kleiner Wald erscheint von außen der Baum mit seinen festen Blättern und dünnen Stämmen, die sich wie gelegte Leitungen durch die Luft schlängeln.

Auf Holzpfaden lässt sich das Innere des Baumes erkunden und so machen wir uns auf unter dem grünen Walddach zu wandeln.

Spannend ist dabei, dass schon die Mehrheit der Stämme irgendwie aus der Mitte heraus kommt.

Hinweisschilder klären über den Cashew-Baum und seine Nüsse auf, die demzufolge sehr gesund sein können. Auch fast alles andere ist essbar. Überraschend für mich war es, dass die Frucht mit der Nuss einer Paprika ziemlich ähnlich sieht. In der Erntezeit trägt der Baum Früchte mit einem Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen. Das Wort Cashew kommt von den indigenen Tupis, die vormals große Teile Brasiliens besiedelten. In vielen Sprachen wurde dieses Wort übernommen.

Wir lernen von der Familie noch eine Oma kennen und kochen einmal ausgiebig für alle. Azul macht wieder bolivianische Erdnusssuppe und von mir kommt deutscher Eierkuchen. Auch ein letztes Mal. Aber zur Freude der lieben Mutter und des jungen Bruders, die regelmäßig um unsere Töpfe und Pfannen schleichen.

Natals touristischster und sicherster Ort soll der Strand-Stadtteil Ponta Negra sein. Hier gibt es Surfer*innen wie Sand am Meer. Eine lange Strandpromenade, unzählige Hotels und Restaurants und Verkaufsstände säumen den gut frequentierten Strand. Ansonsten soll Natal nicht besonders sicher sein, so zumindest meint es Alax. Wir passen entsprechend auf. Besonders aber die Stadtteile nördlich des Rio Potengi sollen regelmäßig durch Raubüberfälle und Schießereien berühmt werden.

Wir planen nicht dorthin zu gehen, doch dann kommt die letzte Nacht und wir müssen Azul nachts zum Flughafen bringen. Nun gesellt sich zu der ausgiebigen Abschiedstrauer noch die Angst, denn tatsächlich werden auf dem Weg zum Flughafen, der im Norden liegt, auch immer wieder bewaffnete Raubüberfälle durchgeführt, so Alax, weshalb der Vater sich bereit erklärt uns zu fahren. Tatsächlich sehen wir in den frühen Morgenstunden ein paar Jugendliche durch die Straßen streifen, doch wir bleiben in Ruhe.

Abstieg

Es bleiben mir noch zwei Stunden zu schlafen, bis ich dann auch meinen Rucksack mir auf den Rücken schnüre. Ich hab noch 5 Reals, vielleicht 1,20 Euro, für den Bus, der 3,65 Reals kostet. Also stelle ich mich an die Haltestelle, doch nun bemerke ich, dass Sonntag ist und die Busse seltener verkehren. Um Acht soll ich am Hafen sein, doch dies lässt sich nun nicht mehr machen. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Wenn das Schiff weg ist, hab ich ein derbes Problem.

Gegen 8:45 war ich dann am Hafen und ich beginne das Warten am Eingang neben den beiden Sicherheitsleuten. Mhh, denke ich, da war der deutsche Pünktlichkeitsfanatiker doch schon wieder da. Natürlich ist das Schiff noch lange nicht weg. Mir wird zwar versucht irgendwas zu erklären, aber ich verstehe nun mal kaum etwas in portugiesisch. Ich beobachte wie LKWs mit ISO-Containern kommen und gehen. Ein Kranwagen lädt die Container auf und ab oder bringt sie woanders hin. Hin und her wuseln die Maschinen. Ein Gabelstapler-Team entfernt oder bringt Kühlaggregate an die weißen Kühlcontainer an.

Im nächsten Schritt sitze ich dann in einem weißen Container und warte wieder, dass Eduardo kommt. Das Spiel kenne ich schon und Geduld zu haben fällt mir nach über zehn Monaten Südamerika ziemlich leicht. Das berühmte Theaterstück würde in Natal übrigends „Warten auf Eduardo“ heißen, da das wohl so das üblichste war was ich an verschiedenen Orten im Hafen gemacht habe. Tatsächlich haben mich dann aber immer wieder andere Leute geführt oder gefahren.

Dann stehe ich bei der Hafenpolizei. Ein einziger völlig unmotivierter Beamter sitzt hinter seinen Rechner und schaut meine Papiere an. Er sagt nichts und gibt sie mir irgendwann wieder. Währenddessen sind gleich zwei Seeleute von der „CMA CGM Saint Laurent“ kommen. Meinem Schiff. „CMA CGM“ ist der Name der Reederei. Den einen ukrainischen Schiffsoffizier, Dmytro, erkenne ich auch direkt wieder. Nachdem ich ihm das erklärt habe, meint auch er, dass er mich wiedererkennt. Naja, freudiges Wiedersehen sieht anders aus, aber das ist wohl unseren kühlen Naturellen zu verdanken.

Sie haben zwei große Stapel blauer und roter Reisepässe mitgebracht, die der Hafenbeamte nun auch noch alle bearbeitet. Als das unspektakulärste Spektakel sein Ende fand, gehe ich einfach mit den beiden Seeleuten mit. Es ist nicht weit und das große Containerschiff unschwer zu erkennen. Im dunklen Ozean-Blau liegt sie wieder da. Beachtet mich nicht, aber für mich ist sie beachtlich. Die schiffseigenen Kräne sind am rotieren und laden und entladen nach und nach. Irgendwie ist der Schritt zum Schiff auch vertraut. Seltsam bekannt und aufregend zu gleich. und traurig, da es das Anfang vom Ende ist.

Wir gelangen zur Gangway und ich beginne den Aufstieg aufs Schiff. Aber der Aufstieg auf das Schiff ist auch der Abstieg von Südamerika …


Nov 13 2018

Der Belgier und der Killer

Von Karl

 

Im trockensten Ort der Welt, der Atacama-Wüste, ist besonders ein Ort bekannter als alle anderen: San Pedro de Atacama. Tausende Touris pilgern von ihren Lonely Planets geführt in den kleinen Ort, der eigentlich auch nix anderes ist, als eine Touri-Siedlung. Die Straßen sind so aufgebaut: Hostel, Kiosk, Restaurant, Reiseagentur, Hostel, Kiosk, Restaurant, Reiseagentur, Hostel, …

Viele Häuser sind aus Adobe, den luftgetrockneten Lehmziegeln, erbaut und sehen sich ähnlich. Dazu kommen noch die einheitlichen Holzschilder und die immergleichen Angebote. Der Boden ist zwar Dunkelbraun und alle Häuser Hellbraun, aber der Himmel ist strahlend blau. Am trockensten Ort gibt es natürlich keine Wolken und dies wäre hier wohl auch etwas kurioses.

Wir haben also eine große Anwahl verschiedener Anbieter*innen für unsere Pläne. Zudem finden wir am Ortsrand auch einen Gemüsestand, der uns das Kochen ermöglicht.

Valle de la Luna

Am Nachmittag geht‘s für uns auf eine Tour ins Valle de la Luna. Interessanterweise beginnt aber die Tour mit einer Wanderung durch eine Salzschlucht. Salz und Lehm haben bizarre Formen übrig gelassen. Wir lecken auch mal an der Wand und ja, es ist wirklich Salz. Wir klettern also durch dunkle Höhlen und offenen Schluchten. Auch wenn sonst die Umgebung steinig, wüstig und ganz ohne Vegetation ist, hier gibt es auch Sand-Dünen. Wir halten noch an weiteren Punkten, die aber allesamt eher Wüste, Fels und Sand zeigen. Der Ausblick ist manchmal schon beeindruckend.

Der letzte Stopp ist der für den Sonnenuntergang und angesichts der Menschenmassen, bleibt der Moment nur minder romantisch. Wo es kein Tropfen in der Atmosphäre gibt, verfärbt sich dann auch die Sonne nicht, wenn sie untergeht. So ist für mich der Sonnenuntergang weniger spektakulär, als er anderen Orten der Welt schon war und nicht das, was gern beworben wird.

El Tatio Geysiere

Die Nacht ist nur sehr kurz. Noch in der tiefen Dunkelheit springen wir in ein Bus. Dabei vergesse ich den extra gekochten Tee mit der Plastikflasche und sehe sie ein letztes Mal aus dem Fenster des Busses. Von meiner letzten Reihe aus, konnte ich aber auch nix dagegen mehr unternehmen. Wir schlafen erstmal noch etwas.

Unser etwas hyperaktiver und -begeisterter Guide holt uns dann wieder aus dem Schlaf, während wir auf das El-Tatio-Geysier-Feld fahren. Zig weiße Rauchsäulen steigen gen Himmel, während es draußen noch eisig ist. Es ist höchst beeindruckend. Manche Geysiere haben Säulen die sehr weit senkrecht gen Himmel wachsen. Andere sind noch klein. Der Guide erklärt uns, dass sie immer wieder versiegen oder neu entstehen. Ca. 80 Geysiere gibt es. Manche sind auch bunt um ihr Austrittsloch herum. Andere haben eine Art Häuschen gebaut. Benannt werden sie nach der Nationalität der Menschen, die schon darin gestorben sind. So ist der größere in der Mitte der Belgier. Es gibt aber auch einen großen am Rand, wo mehrere Leute gleichzeitig Suizid begangen haben und deswegen heißt dieser nur noch der „Killer-Geysier“.

Besonders beeindruckend ist auch ein Geysier der im immer gleichen Takt etwas höher aufbrodelt und dann wieder in sich zusammenfällt. Manche Bodenbereiche sind gefroren, andere warm und feucht. Pippi entdeckt deswegen schnell, dass es sich besser aushalten lässt, wenn die Eisklumpen-Füße auf den dunkleren warmen Bereich stehen.

Wir sind schwer beeindruckt von diesem sehr seltenen Naturschauspiel. Dem Vulkan El Tatio sei Dank, ist hier das größte Geysier-Feld der Südhalbkugel.

Am Rande gibt es noch ein Thermalbecken, wo kaltes und heißes Wasser gemischt wird. Doch so richtig Aufwärmen können wir uns hier nicht. Wenn mensch aber im Sand scharrt wird es teilweise verbrühend heiß. Vermutlich lässt es sich schwer steuern, wie warm es ist, da auch die Tagestemperatur schon extrem schwankt.

Auf dem Rückweg können wir uns noch süße Vicuñas, altbekannte Flamingos und typische Touris anschauen. Der Guide legt uns eine Routenänderung nahe, sodass wir statt in einem langweiligen Dorf neben einer schönen Schlucht halten. Ein kleiner Fluss hat hier ein tiefes Tal gegraben, dass schön bewachsen ist. Hier wachsen auch die Säulenkakteen, die circa einen Zentimeter pro Jahr größer werden. Einige von denen in dem unberührten Tal müssen also schon lange vor der Ankunft der Europäer*innen hier gewesen sein. Wir genießen den schönen Anblick eine Weile, bis es dann zurück nach San Pedro geht.

Ohne Umwege führt unser Weg dann auch direkt zum Busbahnhof.