Jul 12 2018

Zwischen Ford, Dodge und Volkswagen

11. Juli 2018, Quito, von Karl

 

Tag 1 … der erste Eindruck von Quevedo

Ich mache meine Hängematte mit dem weißen Seil an dem rostigen Metallpfeiler fest. Für das andere Ende suche ich auch einen Pfeiler, muss aber erstmal das Regal mit verschiedenen Motorölen wegtragen. Ich bringe die Hängematte möglichst weit unten an, damit sie, sollten die Seile an den vertikalen Pfeilern rutschen, ich nicht so schmerzhaft falle. Ganz langsam setze ich mich in die Hängematte und nach einigen knacken, scheinen die Seile fest genug für die kommende Nacht.
Während des Probeliegens beobachte ich mein heutiges Schlafgemach erneut. Links stehen mehrere größere Autos, an denen das ein oder andere aus- oder abgebaut wurde. Wenn ich meinen Kopf überstrecke kann ich an Rosas Hängematte vorbei Cesar beim Arbeiten beobachten. Gerade baut er an dem hintersten Fahrzeug und hantiert mit einer Leuchte. Der schlanke 30jährige, der meines Erachtens nach viel jünger aussieht, bietet uns diese Nacht eine besondere Schlafgelegenheit. Seine Auto-Werkstatt. Sie hat ein sehr hohes Dach und eine große Toreinfahrt in den Hof.

unser Schlafplatz für zwei Nächte in Quevedo

Der Hof ist weitläufig und bietet noch anderen Kfz-Arbeitenden und Wohnenden Zugänge. Alle aber trennt ein großes Metalltor zur Straße. Auf dem Hof bellen oder schlafen vier Hunde. Auch erreichen wir so die Toilette in der hinteren Ecke des Hofes, wobei der Eimer mit dem Wasser nicht fehlen darf, der hier die Spülung ersetzt. Es gibt ein Wasserhahn beim Tor.
Cesar möchte noch bis 6 Uhr arbeiten. Er macht einen ernsten und beflissenen Eindruck. Er hat eine Mission und die ist sein Leben den Autos zu widmen. Sein Traum ist es, mit der Werkstatt und größer und erfolgreicher zu werden. und daran arbeitet er ununterbrochen. Stich um 8 Uhr frühs beginnt er und legt die Leuchte erst um 6 Uhr beiseite. Ungewöhnlich pünktlich.
Standesgemäß setzt er uns in ein Auto einer Kundin oder eines Kunden und wir düsen durch Quevedos frischer Nacht. Durch den Ort den uns kein Reiseführer je empfohlen hat. Auf dem Weg nach Mindo, bleiben wir dort hängen, weil wir abseits der empfohlenen Touri-Pfade Eindrücke sammeln möchten. Bevor wir allerdings losfahren, muss Cesar doch noch etwas an dem Fahrzeug prüfen.
Dann zeigt er uns Quevedo, in dem er aufgewachsen ist und in dem er zurückgekehrt ist und er bleiben möchte. Er hat zwar zeitweise z.B. in Argentinien gelebt, aber schlussendlich hat er seine Freundschaften und Leidenschaft in Quevedo. Die Stadt sei von den Arbeitenden in der Landwirtschaft geprägt und alles mögliche wird in der Umgebung angebaut. Bananen, Kakao, Avocado, und einiges mehr. Sie sei eine Arbeiter*innen-Stadt. Viele Geschäfte die Maschinen, wie z.B. Motorsensen verkaufen, belegen seine Aussage. Auf uns wirkt die Stadt auch nicht touristisch. Es gibt allerdings ein geschäftiges Zentrum, dass alles bietet was unser Herz begehrt. So landen wir in einem schicken Kuchen-Café. Dabei ist zu betonen, dass die Auslage eine riesige Anzahl an Torten und Kuchen bietet. Kuchen, besonders Rührkuchen, waren schon in Peru an vielen Ecken zu haben, aber hier gibt es sie nochmal schicker garniert.

Das gemeinsame Abendbrot wird durch Empanada und Morocho ergänzt. Ersteres sind frittierte Teigtaschen, die wir meist mit Käsefüllung essen. Morocho dagegen ist vergleichbar mit Milchreis, wird aber mit dem hiesigen Mais gemacht und meist in Tassen serviert. Zimt ist noch mit drinn. Der Mais hat größere Körner und ist weiß. Achja, Zucker fehlt natürlich nicht. Der Morocho hat unser Herz erobert.
Unser Heimweg wird durch einen DVD-Laden-Verkäufer noch vermiest. Wegen großen Hakenkreuzen an seinem Geschäft, sprechen wir ihn an, doch er lässt sich von unserem schlechten Spanisch kaum überzeugen, dass die alten Nazis nix tolles sind. Eher möchte er uns noch eine DVD andrehen mit den Dokus die auf History-Channel bzw. N24 laufen. Er ist großer Fan von den Nazis und zeigt uns stolz Photos von seinem Nazi-Opa, verschiedenen Hakenkreuzen die er gemalt hat, bis hin zu einem Hakenkreuz-Ehering. Frustriert lassen wir den alten Mann im Deutschland-Trikot stehen.

Tag 2 … Karaoke

Der eine ganze Tag, den wir in Quevedo verbringen können, wird von uns ganz entspannt gestaltet, zumal es keine Sehenswürdigkeiten gibt. Dann doch wieder Kuchen und Kaffee. Erst abends gehen wir mit Cesar aus und landen in einer der vielen Karaoke-Bars. Keine und Keiner scheint sich hier zu schämen und greift beherzt zum Hefter mit den Liedern und singt dann vom Platz aus sein oder ihr Lied. Cesar ist auch nicht der Fan davon, dafür wechseln wir aber die Bar und treffen Freunde von ihm. So vergeht der Abend mit Bier (das erste war mit gepressten Limetten und Eis) und etwas weniger Karaoke.
Es ist schon spät als wir wieder in der Werkstatt sind, aber Cesar baut trotzdem ganz beflissen sein Zelt auf. Ja, er baut jeden Abend ein Zelt, jedoch nur das Innen-Zelt, nicht das Äußere auf und schläft auf seiner Isomatte. In seiner Werkstatt zwischen den Autos.
Ob er immer hier schläft, frage ich ihn, wohl wissend, dass er ab und zu zu seinen Eltern fährt.
Nee, nicht immer, meint er, erst sein einem Jahr.
Cesar ist eine beeindruckende Person die zielstrebig durch das Leben geht. Wir fragen ihn was er denn mit 1000 Dollar machen würde, die er jeden Monat einfach zusätzlich bekommen würde. Auch da: Sparen, bis er ein besseres Grundstück für seine Werkstatt kaufen kann.

Ölpalmen-Plantage zur Palmöl-Gewinnung

Tag 3 … zwischen den Palmen

Die Nacht war nur sehr kurz und schon springen wir aus den Hängematten. Schon bevor Cesar aufsteht, haben wir alles zusammengepackt und warten am Tor. Dann macht er uns das Tor auf und vor uns steht eines dieser riesigen US-Geländewägen. Ein Kumpel von Cesar sitzt am Steuer. Wir springen auf, denn Cesars Kumpel nimmt uns mit auf seine Plantage. Erst dachten wir, wir sehen eine konventionelle Bananen-Plantage, aber dann stellt sich raus, dass er erst seit ein paar Monaten Ölpalmen anbaut, die er Afrikanische Palmen nennt. Nur etwa zehn Minuten außerhalb Quevedos biegen wir auch schon auf eine Schotterstraße und gelangen auf seine Finca. Er bezeichnet eine Plantage mit Häuschen als Finca. Die Ölpalmen sind dicke und eher kleinere Palmen mit großen ausladenden Blättern. Im Abstand von vielleicht zehn Metern stehen sie geordnet auf der aufgeräumten Wiese.
Auf der Strecke zur Finca haben wir drei Arbeiter mitgenommen und an seiner Finca wartet ein weiterer. Zwei von den Arbeitern könnten auch Jugendliche von nebenan sein. Sie machen die Motorsensen fertig, während Cesars Kumpel, der gleichzeitig auch Besitzer, Chef und Eigentümer ist, sich eine Tüte anzündet und in die Hängematte knallt. Er macht einen ganz Entspannten und lässt, immer wenn er eine durchzieht, auch mal seine Kollegen ziehen. Wir erfahren, dass er noch Hotels in Quevedo und an der Küste besitzt. Auf einer anderen Ölpalmen-Plantage angekommen, beginnen die Arbeiter dann sämtliches Bodenbegründung wegzutrimmen und entfernen Farne von den Ölpalmen.
An einer anderen Stelle zeigt er uns noch weitere Ölpalmen-Plantagen, aber auch welche mit Kakao oder Avocado. Zudem will er ein Hotel, Seilbahnen und eine Motocross-Strecke errichten. Träume kann mensch haben, aber solche … Ich glaube, er kommt aus gut betuchten Elternhaus.

Santo Domingo de los Colores

Tag 4 … Santo Domingo

Zurück bei Cesar nehmen wir unsere Sachen und verabschieden uns von ihm. Unser Weg sollte eigentlich bis nach Mindo gehen, doch wir übernachten in der Nähe des Busbahnhofes in Santo Domingo (de los Colores). Stanto Domingo ist eine größere Version von Quevedo: Viele Arbeiter*innen und viel Agrarindustrie. Ein kleiner Rundweg zeigt uns nochmal die touristisch ungeschminkte Seite einer Großstadt in Ecuador. In der Innenstadt gibt es eine zugestellte Fußgänger*innen-Zone in der alles mögliche verkauft wird. Wir gehen geschafft früh schlafen und nehmen schon frühs den Bus in Richtung Mindo …

PS.: Da wir Santo Domingo außerplanmäßig besucht haben, nun eine aktualisierte Karte mit unseren besuchten Orten in Ecuador: