Mrz 18 2019

Fran, Chaco und Erdnuss

Von Karl

Filadelfia

 

Auf dem Weg nach Filadelfia

Gerade habe ich die Grenzkontrolle samt Sonnenaufgang hinter mir gelassen. Der Bus ruckelt nun ins Innere Paraguays vor. Die Grenzkontrolle war außergewöhnlich skeptisch. Jede*r einzelne musste mit ihren*seinen gesamten Gepäck sich einer intensiven Kontrolle unterziehen. In Reihen mussten wir uns aufstellen mit dem Gepäck vor uns.

Die Landschaft ist stark vom Chaco geprägt. Der Chaco ist eine trockene Naturlandschaft die am ehesten einer Savanne ähnelt. Mein erster Eindruck in Paraguays Natur ist die Vielfalt an Schmetterlingen. Sie schwirren am Straßenrand in großen Gruppen umher.

Die unerbittliche Sonne sorgt in dieser Region für die höchsten Temperaturen des Kontinentes und nun ist ja auch noch zu allen Überdruss Sommer. Was aber auch bedeutet, dass es Regenzeit ist und deshalb alles grün spriest. Später werden mir Bilder gezeigt, dass die Landschaft im Winter auch gelb sein kann.

Paraguays einzige Straße quer durch den eigenen Westen zur bolivianischen Grenze wurde irgendwann mal in den 60ern gebaut. Entsprechend ist die Ruta 9 oder Trans-Chaco genannt teils auch eher Sandpiste mit Asphaltinseln, um die der Bus dann bedächtig zirkelt. Der Bus entwickelt sich langsam zum Treibhaus. Hinzu kommt, dass der Bus immer mal hält, weil irgendwas mit dem Bus nicht stimmt und nun auch noch der Motor raucht, der bei diesem Modell noch neben dem Fahrer ist. Sie suchen offensichtlich eine Möglichkeit etwas zu reparieren.

Wir gelangen an einen weiteren Kontrollposten der Polizei und müssen erneut alle aussteigen und unser Gepäck aufreihen. Hinter dem Gepäck stehen wir und warten, dass die Pässe erneut kontrolliert werden. Erst kommt der Drogenhund, der aber nichts findet. Als dann jede*r durchwühlt wurde, warten wir dass der Bus zurückkehrt von der Werkstatt. Hier im nirgendwo lebt ja so gut wie niemand und die nächsten Siedlungen sind ziemlich weit entfernt. Hier sind mehrere Stunden Abstand die Normalität. Nach unzähliger Zeit kommt das altersmüde Monster doch wieder angerollt und es geht weiter. Der Bus wird unzählige weitere Male von der Polizei angehalten und kontrolliert. Nie haben sie was gefunden und wenn ich Drogen-Schmuggler wäre, ich würde nicht den Bus nutzen. Hintergrund ist wohl, dass Paraguay der größte Cannabis-Produzent Südamerikas ist. 90 % kommen von hier. In manchen Ecken lebt die Bevölkerung überwiegend vom Anbau und ist das ärmste und schwächste Glied in der Kette. Reich damit werden andere.

Ich spreche nochmal den Fahrer an, dass ich ja in Filadelfia aussteigen möchte. Anders als noch in Santa Cruz mir versichert wurde, wollen sie doch nicht nach Fildadelfia hineinfahren. Das wäre zu weit abseits der Straße. Kaum verwunderlich aber ärgerlich. An einem Abzweig lässt mich der Bus dann raus. Mitten in der Hitze des Tages. Selten habe ich so stark den Hitzedruck der Sonne gespürt.

Ein paar Jugendliche am Straßenrand meinen dass von hier nichts in die Stadt fährt. Gut, hier an der Kreuzung ist ja auch nicht viel. Ein paar kleine Häuser und Läden. Nun also der Daumen, mein alter Freund und Feind. Etwas über 10 km, vielleicht 15 km, muss ich überwinden. Zu spät bin ich eh schon.

Ich bekomme tatsächlich das ein oder andere Angebot, aber nach Filadelfia rein fährt niemand. Ein Pärchen meint dann, dass es mich zu einer besseren Stelle bringen könne. Der Haupteinfallsstraße nach Filadelfia. Das ist schon mal ziemlich nett.

Schnell wird klar, dass der Mann deutsch spricht und wir kommen ins Gespräch, wenn auch wegen der Kürze der Strecke, auch nicht lange. Er meint, viele sprechen hier deutsch, es gibt viele Mennonit*innen. Einige habe ich schon in Santa Cruz, auf der Straße und im Bus gesehen. Manche tragen noch Klamotten wie vor hundert Jahren, andere nehmen sich ganz modern aus. Mein Fahrer ist doch eher moderner. Seine Frau Venezolanerin.

An der Hauptstraße lässt er mich dann wieder raus und wir wuchten meinen Rucksack von der Ladefläche des Geländewagens. Tatsächlich ist die Straße etwas größer ausgebaut. Keine halbe Stunde später sitze ich in einem ähnlichem Fahrzeug. Mit so viele Gastfreundlichkeit hätte ich ja nicht gerechnet. Es fährt Hans, oder so ähnlich, ein alter weißer Mann, der mir auf fast perfekten Deutsch ungefragt alles mögliche über Filadelfia und die Mennonit*innen erzählt. Er sei der einzige registrierte Fremdenführer und hätte schon dem NDR hier alles gezeigt, als die mal zu Besuch waren. Grund ist, dass die Mennoniten untereinander Plautdietsch sprechen, ein ziemlich schwer zu verstehender Dialekt, der am ehesten mit dem Niederdeutschen verwandt ist. Ich hab mal ein Textbeispiel für euch photographiert. Stammt aus einem kleinen Magazin, welches sie rausgeben.

Filadelfia

Die geographisch Fitten unter euch werden vielleicht etwas stutzig sein über den Namen dieser Stadt. Gewöhnlich kennen wir die Schreibweise „Philadelphia“ und die wohl bekannteste Namensträgerin ist eine Millionenstadt an der Ostküste der USA. Damit aber die spanischsprechende Bevölkerung Paraguays die Stadt „richtig“ ausspricht, wurde der Name eingespanischt.

Filadelfia liegt so ziemlich im Zentrum von Paraguays Westen. Paraguay ist in verschiedener Hinsicht in einen West- und einen Ostteil geteilt dessen Grenze der Rio Paraguay ist, der wohl auch der Namensgeber ist. Die beiden Teile sind in etwa gleich groß, doch lediglich 10% leben in der Westhälfte. So ziemlich alles liegt im Osten. Nur ein paar Mennonit*innen und Indigene besiedeln den Westen, der gemeinhin einfach als Chaco bezeichnet wird. Es soll sogar noch unkontaktierte indigene Gemeinschaften geben.

Filadelfia ist Zentrum der größten mennonitischen Siedlung, welche sich in Kooperativen zusammen schlossen und so ihre Arbeit organisieren. Die Kooperative um die sich Filadelfia entwickelt, nennt sich Fernheim.

Auf den Weg in die Stadt fällt auf, dass es unzählige Monumente gibt, die alle zehn Jahre aufgestellt worden sind, um an die Erstbesiedlung zu erinnern. Paraguay und Bolivien stritten sich damals um den Chaco, vielleicht auch, weil eine Ölfirma Erdöl dort vermutete. Paraguay bot günstig Siedlungsland und die Mennonit*innen, die ursprünglich aus Deutschland nach Russland siedelten, verließen grad Russland aus Angst vor Stalin. So versuchte Paraguay das Land für sich zu vereinnahmen. Kurz darauf kam es zum Chaco-Krieg den Paraguay für sich entscheiden konnte. Später hat Paraguay dann doch kein Öl vorfinden können.

Die Stadt ist im Schachbrett angeordnet mit teilenden Strukturen. Die nördliche Hälfte wird von großen mennonitischen Villen belegt. Der Südwesten von vier verschiedenen indigenen Gruppen, die alle in Comunidades zusammenleben und zum Teil extrem ärmliche Behausungen haben. Die vier Gruppen heißen Enhlet, Avoreo, Nivaclé und Guaraní. Im Südosten der Stadt leben die Paraguayos in einfachen Häusern.

Altenheim

Hans hatte mich ein Block von der zentralen Kreuzung entfernt rausgelassen und so konnte ich zu Fuß mein Ziel erreichen. Die Apotheke im Zentrum. Gut, die Stadt ist nicht allzu groß, sodass Stradtrand und Zentrum keine 5 Minuten bei Auto auseinander liegen. Ich versuche es erstmal mit Warten und entdecke unzählige Plakate und Schilder, die in Deutsch gehalten sind. Äußerst kurios. Die Apotheke macht grad aber Siesta. Eigentlich sollte ich mich mit der Mitbewohnerin von Fran, meinem Gastgeber treffen, aber das war vor drei Stunden. Aus vielerlei Gründen bin ich ziemlich spät dran.

Hinter der Apotheke frage ich im Krankenhaus nach ihr. Sie habe mal in der Apotheke gearbeitet, nun wäre sie aber im Altenheim beschäftigt. Ich habe übrigens noch nie in Südamerika ein Altenheim gesehen. Etwas verwundert, laufe ich einen Block weiter und tatsächlich, da steht Altenheim, sogar in Deutsch, dran.

Es ist schwer dort jemand zu finden, bis ich dann Pfleger*innen im Aufenthaltsraum antreffe. Yenni habe grad keine Schicht. Eine Pflegerin versucht ihre Telephonnummer herauszufinden. Währenddessen betrachte ich verwundert das Dutzend altersschwache*r Rollstuhlfahrer*innen an. Mit spanischen Akzent spricht eine Pflegerin einen alten Mann sehr laut auf deutsch an. Erst versteht er nicht, dann sagt er nur „ja, ja“. Ganz wie in Deutschland, denke ich. Die anderen sind allesamt dem Fernseher zugedreht, wo eine ziemlich klischeegeladene Doku über die Bergwelt Perus läuft. Auch auf deutsch. Total ungewohnt, dass alles verständlich ist, nur die einheimische Bevölkerung bevorzugt mit mir spanisch zu sprechen.

Schlussendlich kann ich dann ein Treffen mit Yenni an der Hauptkreuzung organisieren und auf dem Rücksitz des Rollers geht‘s an den Ortsrand. Mitten auf der grünen Wiese des Nachbarn wurde aus roten Backsteinen ein Häuschen für zwei Personen gebaut. Fran und Yenni sind Mitbewohner*innen und teilen das meiste. Oft sitzen sie gemütlich auf der überdachten Terrasse. Besonders Yenni ist eine Freundin des gemütlichen Lebens. Wir trinken Bier, Rauchen, genießen die Natur. Es ist nun mal auch ein einmaliger Ausblick, denn kaum ein Ort liegt so abgelegen.

Später treffe ich Fran, ein weltoffener und immer freundlicher Mensch. Er zeigt ein sehr hohes Vertrauen und gibt mir den Schlüssel zu seinem Cross-Motorrad. Nach einer kurzen Fahrt gemeinsam.

Sie machen mich auch gleich mit zwei paraguayische Spezialitäten vertraut, die sich ziemlich ähneln. Sie bestehen größtenteils aus Mais, sind herzhaft und sehen aus wie gelber Rührkuchen. Das lustige ist, dass das eine den Namen „Sopa“, zu deutsch „Suppe“, trägt. Paraguay, so meinen sie, ist das einzige Land, dass eine feste, also nicht-flüssige, Suppe auf dem Speiseplan hat. Hauptbestandteil soll Maismehl sein. „Chipawasu“ dagegen wird aus ganzen Mais, Zwiebeln und Käse gemacht. Übrigens auch lecker.

Was besonders für die Region ist, dass es kein Wasserverteilsystem gibt und es auch im Allgemeinen kaum Regenwasser gibt. Deswegen wird jeder Quadratmeter Dachfläche genutzt um Wasser in einer Zisterne zu sammeln. Ab und zu schaltet er die Pumpe an, damit das Wasser in ein Dachbehälter fließt, womit dann geduscht und alles mögliche ganz gewöhnlich gemacht werden kann. In der Trockenzeit wird es wohl manchmal kritisch. Das entsalzte Grundwasser, welches die Mennonit*innen anbieten soll sehr teuer sein.

Erdnuss

Mit Bier und guter Unterhaltung verbringen wir den Abend auf der Terrasse. Mir wird nun erst richtig bewusst wie laut die Natur in meiner Umgebung hier ist. Ein massives Zirpen kommt aus den dichten Gras- und Baumlandschaften in der Nähe und machen auch noch in der Nacht ein extremes Konzert. Wären wir so dem Naturkonzert lauschen, geht der Mond auf. Es ist tatsächlich eines der schönsten Momente, denn der Mond scheint erst ein Feuer am Horizont zu sein, dass mitten in der dunkelsten Nacht ausgebrochen ist und reiht sich dann zwischen die Millionen Sterne ein, die schon den Himmel besprenkeln. Irgendwann muss ich aber auch von den vielen fliegenden Blutsaugern flüchten.

Fran ist Chef der Apotheke und vielleicht auch deswegen gut vernetzt. Er sprach von einer Erdnussfabrik und sofort wurde ich hellhörig. Am nächsten Tag schwinge ich mich wieder aufs Motorrad und fahre dorthin. Eine Mennonitin ist Chefin der Laborabteilung und nimmt mich in Empfang. Sie zeigt mir die verschiedenen Teile der Untersuchungsabteilungen, die zum einen die eigenen Produkte auf Unbedenklichkeit prüfen, als auch mit neuen Ideen experimentieren. Hinzu kommt, dass eine kleine Menge Erdnüsse gesalzen und geröstet in der Umgebung verkauft wird.

Leider ist gerade nicht die Saison, aber sie zeigt mir die Lagerhallen und Abfertigungsanlagen trotzdem. Teils sind sie so groß wie Hochhäuser und es unvorstellbar, dass sie auch schon an ihre Grenzen kamen. Es gab aber auch schon Dürren, wo kaum Erdnüsse zu verkaufen waren.

Die Bäuerinnen und Bauern sind auch Teil der Kooperative Fernheim. Lediglich in großen verpackten Säcken, teils nur noch mit dem Gabelstapler zu bewegen, lagern noch Erdnüsse auf dem Gelände. Lange Zeit waren Erdnussschalen ein Problem gewesen, meinte sie, denn es ist Müll der in großen Mengen anfällt und weggeschafft werden muss. Mittlerweile können sie ihn aber als Tierfutter verkaufen. Ohne Schale können mehr Erdnüsse pro Container verkauft werden. Die Haut von der Erdnuss wird je nach Kunde oder Kundin entfernt. Werden die Erdnüsse später mit Schokolade glasiert, so bleibt die Haut dran, weil die Schokolade daran besser haftet.

Der Absatz von Erdnüssen aus Paraguay ist dabei ziemlich beschwerlich, weil der Ankauf der Produkte meist erst im Hafen in Europa stattfindet. D.h. der Transport bis dahin muss im Preis enthalten sein. Die Erdnüsse aus Filadelfia müssen erst nach Asunción, dann weiter via Fluss oder Straße nach Buenos Aires und dann über’n Atlantik. Die argentinischen Produzent*innen haben jedoch viel größere Produktionsanlagen und haben deutlich geringere Transportkosten. Dies bedeutet für die die paraguayischen Erdnüsse, dass sie den Standortnachteil zusätzlich kompensieren müssen.

Zurück in ihrem Büro erklärt sie mir noch an einer Tafel die Kooperative Fernheim. Zu dieser gehört im Prinzip alles in Filadelfia. Der Supermarkt, das Altenheim, die Apotheke von Fran, das Hotel, das Krankenhaus, die Straßen, das Stromkraftwerk, Grundwasserentsalzungsanlage, und so weiter und so fort. Dabei wird in Wirtschaftsbetriebe und Soziales unterschieden. Was die einen erwirtschaften können die anderen als Wohltätigkeit ausgeben. Sie bietet mir an eine Stadtführung zu geben und wir verabreden uns für später.

Hygiene

Mit Fran besuche ich das Heimatmuseum. Ja, was eine gute deutsche Stadt halt immer braucht, ist eine deutschtümelndes Heimatmuseum. Allerlei Gegenstände aus den Anfängen in Filadelfia beziehungsweise der Flucht aus Russland, die wohl oft über einen deutschen Hafen ging. Empfehlen kann ich da eher das Naturkundemuseum, dass eine fulminante Sammlung der hiesigen Tier- und Pflanzenwelt hat. So gibt es Gürteltiere, Nabelschweine, Hirsche, Tapire, Guanakos, Jaguare, Pumas, Ozelots, Füchse, Wild- und Waldhunde und Wölfe. Aber auch die kleineren Vertreter sind ziemlich groß. Käfer und Mücken von der Größe einer Maus können durch die Luft schwirren.

Der wohl beeindruckenste Baum ist der Florettseidenbaum. Er hat die Form eines übergroßen Tropfens. Unten sehr bauchig und läuft dann auf 10 bis 15 Meter nach oben zusammen.

Da grad Regenzeit ist saugt sich der Baum weiter voll und ist entsprechend dick. In der Trockenzeit soll er nicht mal grün sein, aber zu meiner Zeit ist er es. Auf seinen dicken Bauch hat er Stacheln angebracht. Im Naturkundemuseum bekomme ich ein Stück Stamm in die Hand gedrückt. Im Vergleich zu den harten Hölzern der anderen Bäume, die extrem schwer sind, ist dieser sehr leicht. Ungewöhnlich leicht. An dem Holzscheit sind die Kammern gut zu erkennen in dem er Wasser sammeln kann.

Zu guter Letzt wird mir noch die Missionsarbeit gezeigt, was bis heute durchgeführt wird. Ich dachte, dass wäre irgendwann mal im Mittelalter gewesen, aber tatsächlich versuchen die Mennonit*innen heute noch die Indigenen vom Christentum zu überzeugen und dann zu taufen. Gut ist wer sich bekehren lässt. Noch sind sie dabei für die letzte indigene Sprache die Bibel zu übersetzen. Etwas ungläubig brechen wir an der Stelle ab und Fran und ich verschwinden.

Die gute Frau aus der Erdnussfabrik erwartet mich schon pünktlich vorm Supermarkt, der – so wie er ist – auch gut und gerne in Deutschland hätte stehen können und viele Produkte von dort enthält. Sie erklärt mir, dass die Mitarbeitenden und Mitglieder der Kooperative in allen eigenen Geschäften mittels einer Nummer einkaufen, sodass das Geld direkt von ihren Konto abgezogen wird. Jedes Mal als ich einkaufen war, bekam ich auch einen A5-Zettel mit Rechnungsübersicht.

Wir fahren einmal durch alle Viertel und sie erklärt lose vor sich hin. Dabei sind ihre Erzählungen über die verschiedenen Ethnien angereichert durch ihre rassistische Weltsicht. Sie erklärt mir, welche Gruppen für welche Arbeiten in ihren Fabriken, Feldern oder zu Hause geeignet wären. Das die einen nicht sauber machen könnten und die anderen gut sind um Felder zu vermessen. Als wir dann zu allen Überdruss noch in eine sehr enge Comunidad fahren, die nur aus ein paar Bretterverschlägen besteht möchte ich in dem Sitz versinken. Eigentlich spielten gerade ein paar Kinder Fußball, aber sie wendet mitten auf deren kleinen Platz. Sie dreht mit ihren übergroßen SUV mitten in der Siedlung und erklärt mir, dass „die noch nicht hygienisch“ genug seien.

Unterm Strich möchte auch sie keine Rassistin sein, aber es gab mir schwer zu denken. Sie meinte, dass es auch schon erste Indigene in den Kooperativen gäbe, aber die müssten halt den Aufnahmeprozess bestehen und das heißt im wesentlichen wohl so zu sein wie die Mennonit*innen. Sie hörte nicht auf mir weitere „ethnologische“ Erklärungen zu liefern. Eigentlich stellt sie die Mennonit*innen als die großen Heilsbringer dar. So hätten sie der einen Gruppe einen betonierten Mehrsport-Platz überdacht und mit großen Zisternen zur Wassergewinnung ausgestattet. Doch die Zisternen werden nicht genutzt. Sie seien halt nicht klug genug schon an morgen zu denken, sondern täten alle nur ans heute denken und wären dann überrascht wenn am nächsten Tag nicht genug da ist. An morgen täten halt nur die Mennonit*innen denken.

Schon in der Fabrik sprach sie davon, dass auch Frauen und Indigene beschäftigt werden, aber deren Arbeitsplätze sind schlussendlich wohl nicht gleichzusetzen. Während die einen wie Lebensmittel-Ingenieure in klimatisierten Räumen in aller Seelenruhe Proben nehmen, stehen die anderen an den lauten Maschinen in einem kleinen Raum und kontrollieren die durchlaufenden Erdnüsse.

Schlussendlich seien ihrer Meinung nach wohl viele Indigene auch nach Filadelfia gekommen weil sie sich Arbeit erhoffen. Das sah sie auch als ihre Aufgabe in Zukunft mehr Arbeit zu schaffen. Filadelfia sei im Wachstum begriffen. Leider wäre es dadurch nicht mehr so sicher wie vor ein paar Jahren. Da habe niemand den Autoschlüssel abgezogen oder die Haustür verschlossen. Auch die Stadtverwaltung gäbe es erst sein wenigen Jahren. Vorher war die Stadt komplett von der Kooperative verwaltet. Einige Sachen wollen sie nicht zurück geben, weil sie glauben, das besser machen zu können. Zum Beispiel den Straßenbau.

Wer an dem Kraftwerk vorbei kommt und weiß, dass auf der anderen Seite das paraguayische Kraftwerk steht, wird unweigerlich überlegen ob nicht der NDR nochmal mit Extra3 vorbeikommen sollte. Es gibt im Prinzip alles nochmal in mennonitischer Hand. Bis hin zu einer eigenen Post. Nachdem ich nun weiß, was der paraguayische Staat alles nicht perfekt macht und warum die anderen Gruppen nicht so gut sind, wie die deutschen Mennonit*innen, zeigt sie mir noch die großen Anwesen auf der Nordhälfte. Hier wohnen viel weniger Menschen in viel größeren Häusern. Es sind die Besitzenden und sogar Paraguay-weit dominieren die Mennonit*innen einige Wirtschaftszweige, insbesondere in der Landwirtschaft.

Guaraní

Zurück bei Fran bin ich auch irgendwie froh, nicht bei Mennonit*innen zu wohnen. Sie können mir auch bestätigen, dass viele Mennonit*innen klare rassistische und überlegene Weltbilder haben. Natürlich nicht alle. Fernheim ist vergleichsweise modern. Es gibt andere Kooperativen und die deutlich verschlossener sind und noch gefühlt im Mittelalter leben. Fran meint, dass die Indigenen in vielerlei Hinsicht respektiert und unterstützt werden. In keinem anderen Land Südamerika wurde das mit Anerkennung einer indigenen Sprache als Amtssprache so ernst genommen wie in Paraguay. Nun lernen alle in der Schule auch Guaraní und eine deutliche Mehrheit spricht diese Sprache. Guaraní bezeichnet sowohl eine indigene Gruppe, als auch ihre Sprache, sowie die paraguayische Währung und noch einiges mehr.

Besonders ärmere bevorzugen Guaraní und unterm Strich sprechen die meisten einen Spanisch-Guaraní-Mix. Je gehobener desto mehr Spanisch. Für euch ein paar Wörter in Guaraní:

mba‘eichapa = Hallo! Wie geht‘s?

Porá ha nde? = Gut, und dir?

Jaha = Auf geht’s!

Ja‘u = Lass uns was essen/trinken

„Danke“ lässt sich nur schwer übersetzen, weil es je nach Kontext verschiedene Wörter gibt. Deshalb hat sich da das spanische „Gracias“ durchgesetzt. Tatsächlich konnte ich zuhören wie sich Fran mit seiner Mitbewohnerin in Guaraní unterhielt, obwohl sie beide keine Guaraní-Indigene sind. Hier ein Hörbeispiel, extra für euch aufgenommen.

In den Argentinien-Texten habe ich euch von der Mate-Tradition berichtet. In Paraguay gibt es diese Tradition auch, allerdings mit kalten Wasser, meist sogar mit Eiswürfeln. Diese Variante nennt sich dann Tereré. Ich finde diese auch deutlich leckerer, weil es viel besser zu den heißen Wetter passt. An einem Tag habe ich mehrfach das Thermometer beobachtet und es verharrte bei durchgehend 39 Grad. Da ist es eine Wohltat mit Fran während der Spätschicht in der Apotheke Tereré zu trinken. Die Thermosbehälter sind in Paraguay größer. In manchen Läden können riesige Bottiche gekauft werden, so groß wie ein kleiner Kühlschrank. Das Tereré-Trinken ist auch ein sozialer Aspekt, da gemeinsam getrunken wird und nur dann allein, wenn mensch wirklich ganz allein ist. Eine Person gilt dabei als Ausschencker*in, d.h. zu der geht das Gefäß immer wieder zurück und sie füllt auf.

Auf den Weg zum Bus lies mich Fran sein Auto fahren, denn er genoss es einen Chauffeur zu haben. Da die Wege, bis auf die Hauptstraßen im Zentrum, nur aus Sand bestehen, verwandelten diese sich nach einem heftigen Regenschauer in Schlammpisten. Aber nicht nur das. Nach dem Regenschauer, wenn die Sonne die Wiesen trocknet schwillt das Naturkonzert, das Zirpen, so stark an, dass ich tatsächlich ins innere des Hauses flüchtete. Es ist schwer zu glauben, wenn mensch es nicht erlebt hat. Hier ein Hörbeispiel, für euch aufgenommen.

Nun, auf dem Weg zur Haltestelle, bin ich etwas von der Mitte abgekommen und da es sehr rutschig und zu den Seiten abfällig ist, rutschte sein Auto direkt in den Seitengraben, der sich zu einen Wasserkanal entwickelt hatte. Ich sah vor meinem inneren Auge schon, dass das Auto hinüber ist, doch Fran blieb ziemlich gelassen. Er rief einen Freund an, aber schon der zweite Geländewagen hatte ein Seil dabei und band dies um das Hinterrad. Dann zog er das Auto in der spektakulären Aktion den Graben entlang, während der Geländewagen selbst ausrutschte und zur anderen Seite strebte. An der nächsten Kreuzung hievte er aber Frans Auto aus dem Graben. Der lies es einfach an und wir fuhren weiter. Was für mich ein halber Schock war, scheint für ihn so oder so ähnlich öfters mal vorzukommen.

Ich hab die Tage bei Fran wirklich genießen können. Er hat ein sehr großes Herz und half mir in jeder Hinsicht. Eine echt außergewöhnliche Gastfreundschaft. Umso falscher fühlte es sich wieder an, in den Bus nach Asunción zu steigen. Er hat mir sogar ein zu Hause in meinem nächsten Ort organisiert.


Nov 17 2018

Pfirsichnektar, Weinbrand und die Saturnringe

Von Karl

 

Unser Start in La Serena war durch eine längere Wanderung geprägt. Erst nach einer knappen Stunde merken wir, dass weder die Straßenschilder noch die Karte falsch ist, sondern wir einfach in die falsche Richtung gelaufen sind. Unsere Unterkunft ist diesmal in einem heimeligen Einfamilien-Haus. Eine ältere Frau springt zwischen Wohnzimmer und Küche herum und macht den Eindruck, als wenn sie hier wohnen würde. Ist aber dann doch nur die Angestellte.

Chilenisch Essen und Trinken

Ein erster Weg führt zum schmucken Markt, in dem handwerkliche Produkte wie beispielsweise getöpferte Schalen verkauft werden. Im ersten Obergeschoss gibt es gut und günstig Frühstück oder Mittag. Zu den Eigenheiten der chilenischen Küche gehört unter anderem das allgegenwärtig kaufbare „Mote con Huesillo“. Ein Getränk aus Pfirsichnektar mit Trockenpfirsischen und Weizenkörnern. Dazu kommt noch Zucker und Wasser. Es schmeckt sehr süß und meine Recherchen belegen bislang: Bis auf Chilen*innen schmeckt niemand das Getränk.

Auf Märkten und bis in den Supermärkten hat es die Cochayuyo geschafft, eine Alge. Die besonders große Braunalge ist wohl ein Grundnahrungsmittel und wird beispielsweise mit in Suppen gemacht.

Altbekannter Klassiker ist auch die Empanada, wobei die Füllung „Pino“ in Chile weitverbreitet ist. Eine Rindfleisch-Mischung.

Neben Kuchen und Berlines (Pfannkuchen bzw. Berliner) finden sich bei der Bäckerei auch Sopaipilla. Mir wurde es als frittiertes Brot vorgestellt, aber Wikipedia spricht von Kürbis als zentrale Grundlage. Der Plural von Kuchen ist übrigens „Kuchenes“.

In allen Supermärkten gibt es Alfajor, ein übergroßer Keks mit Schokoüberzug und Karamellfüllung.

Die Eisfans müssen sich mal Paletta holen. Das ist Stil-Eis welches wie Schokoladen-Tafeln aussieht und wie Waffel-Eis verkauft wird. Wir haben in La Serena auch einen Automaten damit gefunden. Auch geschmacklich kommt es nah an die gefrorene Schokoladen-Tafel. Die Paletta-Stände bieten meist gleich mehrere Dutzend verschiedene Geschmacksorten.

Während unserem kurzen Stadtspaziergang vermissen wir wieder die Menschen in den Straßen, aber schlussendlich finden wir sie in den großen Shopping Malls. Anschließend führt unser Weg zum nahen Meer. Eine lange schicke Palmen-Allee ziert den Hauptweg und führt zum Leuchtturm. Der Strand ist auch ziemlich schön, nur ist direkt hinter alles mit Hotels und Cabañas (chilenische Variante des Bungalow) bebaut. Dieser Anblick zieht sich die ganze Kurve bis in die benachbarte (etwa gleich große) Stadt Coquimbo.

Valle de Elqui

Das Nahe Tal des Rio Elqui soll besonders sehenswert sein und deswegen fahren wir gleich frühs mit einer Tour den Fluss hoch. Als erstes halten wir an dem wenig spektakulären Puclaro-Staudamm. Ein Blick vom Damm ins Tal verrät: Wo der Fluss fließt ist Pflanzen-Wachstum und Landwirtschaft möglich. Die Berge selbst sind grau und braun und von wenigen Sträuchern und Kakteen bewachsen. Besonders Wein wird im Tal angebaut.

Chiles erste Literatur-Nobelpreis-Gewinnerin kommt auch aus dem Tal und deswegen besuchen wir das Museum von Gabriela Mistral in Vicuña. Da aber alles auf Spanisch ist, sind wir schnell durch. Zudem bin ich nicht angetan von ihrer trübseligen Literatur. Dass es aber schön gemacht ist, das kann ich nicht absprechen.

Der angebaute Wein im Tal wird nicht für Wein genutzt, sondern um Pisco herzustellen. Ein Weinbrand, der sowohl in Peru und als auch in Chile hergestellt wird. Oft auch Grundlage von Cocktails. Beide Länder sehen es als Nationalgetränk an und haben strenge Regeln, wie beispielsweise, dass kein Pisco aus dem Ausland importiert werden kann oder so heißen kann. In Chile kann nur Weinbrand aus dem Elqui-Tal Pisco heißen.

Wir halten also an einer halbindustriellen Pisco-Brennerei. Da grad nicht die Zeit dafür ist, sind die Anlagen leer. Im Lagerraum riecht es schon kräftig nach Alkohol. Es werden verschiedene Sorten hergestellt, je nach Lager-Zeit und damit auch Alkohol-Gehalt. Natürlich dürfen wir auch mal kosten. Je mehr ich davon trinke, desto besser schmeckt’s, aber dann bin ich auch gut dabei und froh dass es weiter zum Mittag geht ins Dorf Pisco Elqui. Es hat sich extra umbenannt.

Sternen so nahe

In Vicuña steigen wir aus und warten auf unseren Anschluss. Das kleine beschauliche Örtchen entpuppt sich als Hippie-Städtchen, wobei es uns ein Rätsel bleibt, was die ganzen Hippies hier machen. Nach Einbruch der Dunkelheit fahren wir zu einer Sternwarte. Allein in der Gegend gibt es in Sichtweite 4 Sternwarten. In ganz Chile gibt es circa die Hälfte aller Sternwarten der Welt. Grund ist der trockenste Ort der Erde mit einer der Partikel-freisten Luft. Dann bietet es sich besonders an hier Sternwarten zu errichten. Hier steht also die neuste und modernste Abhörtechnik für den Kosmos. Wir gehen nun nicht in die aller krasseste Anlage. Was wir aber sehen ist trotzdem krass.

Wir werden in ein kleines Observatorium geführt und der Fachmann richtet die Kuppel so aus, dass der Schlitz passend ist. Er zeigt uns die hellsten Sterne am Himmel, die vor allem andere Planeten unseres Sonnensystems sind. Venus, Merkur, Mars und Jupiter. Nach und nach dürfen wir durch das eingestellte Teleskop schauen. Interessanterweise ist es mit GPS ausgestattet, sodass es automatisch die richtige Position einbehält. Ohne dem System würde durch die Erdrotation nach einer Weile das Zielobjekt aus dem Bild verschwinden.

Durch das Fernrohr, dass vielleicht doppelt so groß ist wie ich, kann ich die Streifen beziehungsweise Wolken auf der Venus sehen. Wir sehen, dass der Merkur auch Zu- und Abnehmen kann, genau wie der Mond. Wir sehen einen Sturm auf dem Jupiter und – das war am beeindruckensten – den Saturn samt Saturnringe. Im Außengelände schauen wir noch durch ein weiteres installiertes Fernrohr (es regnet ja hier nie). Wir sehen spannende Sternformationen und Sternennebel. Bunte Sterne gibt es auch. Am Nachthimmel ist freiäugig gut die Milchstraße zu erkennen. Der Guide, der selbst dort arbeitet, zeigt uns zig Sternenbilder, die oft mit sehr viel Phantasie einhergehen.

Von der vielen Phantasie ganz begeistern entgleiten wir dann auch in unsere eigene Welt.


Nov 12 2018

Die Filmkulisse

Huaraz, Peru

von Rosa

Nächstes Ziel: Süden! Nagut, noch mal ein Stückchen Norden für einen besonderen Juwel. Manchmal sehen Fotos besser aus als die Realität. Alle Online-Dating-Nutzer wissen wovon ich spreche;). In diesem Fall zum Glück nicht. Da ist es genau andersherum. Denn man kann die Schönheit dieses Nationalparks einfach nicht auf Fotos festhalten.

Die Reise von Kolumbien nach Peru gestaltet sich schwieriger als erwartet. Im Ticketpreis nicht inklusive ist zu meiner Überraschung mein großer Rucksack. Der muss aber mit. Also beiße ich in den sauren Apfel und zahle 70 Euro für mein tragbares Haus. Meine Miene verfinstert sich allerdings noch einmal als mir die gute Frau am Schalter sagt, dass ich ein Ausreiseticket für Peru brauche, bevor ich überhaupt einreisen darf. Ganz dunkel kommt mir das bekannt vor. Also renne ich zum nächsten Internetpunkt und kaufe mir ein Ticket von Puno (Grenzstadt in Peru) nach La Paz für 12 Euro und bin mir fast sicher, dass ich es nie einlösen werde. Wie ich später erfahre, gibt es extra Internetseiten, die Fake-Tickets für solche Situationen ausstellen. Zurück zur Frau am Schalter. Sie macht schnell ein Foto vom Ticket und dann darf ich endlich zum Boarding. Dort kommt mein Rucksack nicht durch die Kontrolle. Angeblich habe ich scharfe Gegenstände dabei. Meine kleine Nagelschere und Nagelfeile habe ich in meinem Rucksack vergessen und jetzt landen sie im Müll. Ich stelle mir bildlich vor wie ich die Stewardess mit einer Nagelfeile bedrohe, damit sie mir ein vegetarisches Sandwich gibt. Aber noch nicht mal ein Sandwich ist im Flugticket inbegriffen. Das billigste Essbare was ich im Flughafen finde, ist eine Tüte Chips. Als ich sie in meinem Rucksack verstauen will, rufe ich laut Puta Madre! Es ist das Schimpfwort was ich schon so oft in Kolumbien, Ecuador und Peru gehört habe und diesmal ist es ein dreifaches Puta Madre! Kurz bin ich überrascht, dass ich sogar schon auf spanisch fluche, dann kommt der Ärger zurück. Als ich die Chips verstauen möchte, bemerke ich, dass ich zu viel Platz in meinem Rucksack habe. Das ist nicht gut. Das heißt immer: es fehlt etwas. Mein Schlafsack ist noch in Bogotá. Ich nehme ihn immer mit ins Handgepäck, weil die Busse in Südamerika durch die Klimaanlage so kalt temperiert werden, dass man fast erfriert. Warum das so ist, versteht keiner. Nun ist so eben ein Teil meines Schneckenhauses verloren gegangen. Dann auch noch mein Schutzmantel. Mein wärmendes Fell. Ausgerechnet jetzt wo es in den kalten Süden geht. Meine Chips und ich warten mürrisch am Gate. Dann muss ich mir jetzt eben eine extra Fettschicht gegen die Kälte zulegen. Hilft ja alles nix!

Die ersten Schneegipfel sind zu sehen. Langsam verliert das Flugzeug an Höhe. Lima begrüßt mich in bekannter Weise mit Nebel. Bei der Immigration nach Peru interessiert sich niemand für mein Ausreiseticket. Sehr schön. Ein aufgedrehter Taxifahrer bringt mich zum Gran Terminal Plaza Norte, dem größten Busbahnhof in Lima. Der Taxifahrer kann jedes Lied im Radio mitsingen und hat 14 Jahre in den USA gelebt. Aber es hat ihn wieder nach Peru gezogen. Weihnachten wäre hier besser, sagt er. Neben dem Busbahnhof befindet sich ein riesiges Shoppingcenter. Ich mache mich auf die Suche nach einem Schlafsack. Kurz bevor ich aufgeben möchte und meinem natürlichen Wärmespeicherplan mit Fast Food nachgehen will, finde ich doch noch ein Outdoor-Geschäft. Allerdings haben sie nur ein Monstrum von Schlafsack. Der Gedanke an die acht Stunden Fahrt in die Berge, schlägt die Zweifel in den Wind. Ich baue an. Mein Haus hat jetzt noch eine Garage. Wehe ich nicht mehr so schnell weg. Kurz vor Mitternacht rollt der Bus los von Lima wieder Richtung Norden. Ironischerweise ist die Heizung im Bus an.

Die Straßen sind noch fast leer am frühen Morgen. Die Innenstadt von Huaraz ist mit vielen Geschäften gesäumt. Rechts von der Hauptverkehrsader ist es sehr ruhig. Ich laufe den Berg hinauf bis zur Unterkunft. Doch anscheinend habe ich die falsche Straße erwischt und bin zwanzig Minuten in die falsche Richtung gelaufen. Puta Madre! Verschwitzt und müde komme ich endlich an. Es gibt eine heiße Dusche als Belohnung. Huaraz liegt in 3000 Meter Höhe und ist umgeben von imposanten Berglandschaften. Ein schneebedeckter Gipfel reiht sich an den nächsten. Zwei Stunden von Huaraz entfernt liegt der Nationalpark Huascarán, der einen großen Teil der Cordillera Blanca unter Schutz stellt. In dem über 3400 Quadratkilometer großen Gebiet gibt es unzählige Wanderwege, die über 16 Tage dauern können. Heiß empfohlen wurde mir der Trek zur Lagune 69, den man an einem Tag schaffen kann, wenn man zeitig aufsteht. Ganz nach dem Motto der frühe Vogel fliegt auf den Berg. Mit Fliegen hat die anstrengende Wanderung allerdings wenig zu tun.

Es ist mitten in der Nacht und der Wecker klingelt. Es gibt Leute, denen macht das zeitige Aufstehen nichts aus. Und dann gibt es mich. Aber seit ich die Fotos von der türkisblauen Lagune gesehen habe, bin ich ein Stück weit verliebt. Also schiebt sich mein Körper unter der warmen Bettdecke hervor in die noch kalte Morgenluft. Wir fahren mit dem Bus aus der Nacht der Sonne entgegen, die sich langsam hinter den Schneegipfeln zeigt. Das Aufstehen hat sich jetzt schon gelohnt. Die Bergriesen reihen sich aneinander bis wir von der Asphaltstraße auf eine Schotterstraße wechseln. Am Eingang des Nationalparks müssen wir acht Euro bezahlen und dann wird es richtig spannend. Mich umgeben hohe Felsmauern. Sie wirken wie abgehakt. Rote, braune, graue Farben wechseln sich in den Steinformationen ab.

Bevor die Wanderung losgeht, halten wir an einem See, dessen Farbe an schönste Karibikstrände erinnert. Nur gibt es hier eben noch Berge. Im Nationalpark soll sich angeblich auch der Berg befinden, der als Motiv für die bekannte Filmproduktionsfirma Paramount Pictures fungiert. Deswegen ist der Gruppenname unserer Wandergruppe Paramount. Vier Stunden dauert die Wanderung bis zur Lagune 69. Im Park gibt es über 400 Seen. Schon die ersten Meter begeistern mich.

Ein kleiner Bach schlängelt sich im Tal entlang. Aus den Felswänden sprudeln kleine Wasserfälle. Die Wanderstrecke gibt keinen Grund zur Langeweile. Die Flora und Fauna ist so abwechslungsreich, dass ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus komme. Die ersten Wanderer kommen aus dem Schnaufen nicht mehr raus. Wir sind fast auf 4000m Höhe. Ich fühle mich gut und kann lange Strecken ohne Pausen laufen.

Vor mir türmen sich immer neue Schneeriesen auf. Langsam werden auch meine Schritte langsamer und die letzten Meter auf dem steinigen Untergrund eine kleine Tortur. Ich biege um die letzte Kurve und schon sehe ich es türkisblau schimmern.

Es ist ein wunderschöner Anblick. Wie ein seltener Stein liegt das saftige blau zwischen großen Felsen hinter denen Eisberge thronen. Es sind fast keine Menschen da. Ich laufe über Steine, um die Lagune von allen Seiten zu betrachten. Doch so sehr ich mich auch bemühe, ich bekomme die Lagune nicht in ihrer vollen Pracht auf ein Foto.

Langsam trudeln die anderen Wanderer ein. Einer will es wissen und hat sogar eine Drohne dabei, um DAS Bild zu bekommen. Ich erfreue mich am Rückweg, der nur noch bergab geht.

Am Abend schnalle ich mir wieder mein Haus auf den Rücken und diesmal komme ich ohne Umwege beim Busbahnhof an. Ich kuschle mich in meinen neuen Schlafsack und fahre durch die Nacht zurück nach Lima.


Nov 9 2018

Pelikane und Robben

Von Karl

 

Gemüsegrenze

Schneller als erwartet erreicht der Bus die Grenze. Eben noch haben wir den kommenden Sonnenuntergang nebst riesiger schneebedeckter Kegel beobachtet, da biegt der Bus in den Bereich bolivianischen Grenzabfertigung ein. Das ist allerdings schnell gemacht. Dann folgt noch ein längerer Weg und wir halten in einer Art Busbahnhof.

Alle müssen wir aussteigen, unsere Sachen packen und an einem Schalter unsere grünen bolivianischen Touri-Ausweise abgeben. Am nächsten Schalter bekommen wir nun Kassenbons mit Strichcode. Wieder etwas was wir bis zur Ausreise aufheben müssen.

Parallel läuft die SAG, eine Agentur des Landwirtschaftsministerium, mit Hunden durch die Reihen. Interessanterweise ist Chile sehr streng mit der Einfuhr von Lebensmitteln, insbesondere von frischen Essen. Ein roher Apfel kann 100 US-Dollar Strafe kosten. Eigentlich wollten wir unser übriges Essen zum Abendbrot mampfen, aber dazu kamen wir nicht. Wir haben es einfach im Bus gelassen und die frische Avocado unterm Sitz versteckt.

Als ich aber den Spürhund sehe, bekomme ich es dann doch mit der Angst zu tun. Der Hund schlägt bei verschiedenen Gepäck immer wieder an und die grimmigen Hundeführer*innen lassen daraufhin alles durchwühlen. Als eine Frau vor uns in der Reihe ihre offene Milch kurz unbeaufsichtigt lässt, springt sogar der Hund hoch und leckt daran. Ich versuche mich normal zu benehmen. Leichter gedacht als getan. Das gesamte Gepäck geht durch große Scanner, wie sie bei Flughäfen geläufig sind. Da am anderen Ende des Förderbandes die Uniformierten schwer beschäftigt sind mit dem Gepäck anderer Reisender, nehme ich flink meinen Kram und verlasse den Bereich.

Zwischen Ankommens- und Abfahrtsbereich wurde ein Gitter errichtet, sodass auch der Bus wohl erst freigegeben werden muss, bevor er auf unserer Hälfte dann vorfährt. Auf meinem Platz finde ich dann meinen Essensbeutel ausgeschüttet vor. Offensichtlich wurde hier gewühlt und kontrolliert, aber die Avocado ist noch im Versteck. Als dann der Bus das Terminal verlässt, sind wir etwas vergnügt und beginnen mit der Vernichtung des verbotenen Gemüses. Nochmal Glück gehabt.

Warten und Schlafen vor der Tür

Gegen Mitternacht entlässt uns der Bus auf der Rückseite des internationalen Terminals. Um etwas Geld zu sparen im nun teureren Chile, begeben wir uns in das nationale Terminal und versuchen irgendwie eine Warteposition zu finden, die angenehm ist. Nun kostet alles wieder zehntausende Pesos, denn der Wechselkurs ist ungefähr 750 Pesos für 1 Euro, bei gleichzeitig hohem Preisniveau. Wir sind in Arica, der nördlichsten Stadt Chiles. Die Grenze zu Peru ist ganz nah. Wir haben das trocken kalte Hochland gegen das trocken-warme Küstenklima getauscht.

Eigentlich liegt die Stadt in der Wüste. Der Strand scheint ungebrochen in die Dünen hinter der Stadt überzugehen. Wenn da nicht künstliche Bewässerung und einige Palmen wären.

Unser nächtlicher Aufenthalt währt nicht lange, denn der Busbahnhof soll geschlossen werden. Wir ziehen etwas durch die Straße, aber als uns irgendwelche düsteren Gestalten grüßen, gehen wir zur angestrebten Unterkunft. Da wir aber keine Klingel finden und auch nicht stören wollen, bauen wir ein Lager vor der Tür auf.

Leider lässt es sich auch hier kaum pennen und nach nicht einmal einer Stunde öffnet sich die Tür. Ein alter Mann mit perfektem Englisch öffnet die Tür. Der Alte holt uns in sein Wohnzimmer. Wir haben nicht das Gefühl in einem Hostel zu sein, denn alles sieht aus wie in dem Wohnzimmer alter Leute. Viele Sofas, viele Bilder, Blumen, ein Hometrainer, ein langer Essenstisch, viele kleine Deckchen. Richtig viele Bilder hängen an den Wänden.

Der Alte sagt, dass es gefährlich ist draußen und hat tatsächlich direkt zwei Betten im unbelegten Mehrbettzimmer. Vorher bekommen wir noch Saft und Kekse und er erklärt uns die Stadt und Sehenswürdigkeiten. Er macht einen sehr vertrauenswürdigen und rührigen Eindruck. Damit haben wir nachts um 3 Uhr nicht gerechnet. Dankbar bringen wir unser Gepäck in das Zimmer und legen uns in ein richtiges Bett.

Sehenswertes

Der Alte hat das weltbeste Frühstück. Zumindest in Südamerika. Mit Genuss verzehren wir gutes Brot, guten Kaffee, Saft, Käse, Marmelade, viel Obst und Müsli. Wenn was alle ist, kommt er mit neuem und bietet auf Nachfrage sämtliche Infos zur Region. In dem weitläufigem Haus beginnt unser Start in Chile und Arica damit bestens. Der Alte scheint übrigens aus Neuseeland eingewandert zu sein.

Wir beginnen Arica zu erkunden. Arica hat im Norden einen weiten Sandstrand und im Süden Hafen und steinige Küste. Der Hafen ist ein gewöhnlicher Container-Hafen, der aber auch einen jedermensch zugänglichen Bereich bietet. Im Wasser schaukeln schon vom Weiten sichtbar große und kleine Fischereiboote. Im Containerhafen auch Container- und Schüttgut-Frachter.

Im allgemein zugänglichen Bereich befinden sich zwei Fischmärkte, einer Indoor und einer am Ende, Outdoor. Viele der Verkäufer*innen arbeiten gleichzeitig daran den frischen Fisch zu verarbeiten. Die Vielfalt der Meerestiere ist dabei erstaunlich. Es werden auch Fischteile angeboten, die offensichtlich von Tieren stammen, deren Länge meine Größe deutlich übersteigt. Vielleicht Haie, Wale oder Delfine?

An der Wasserkante sind aber andere Tiere das große Spektakel. Seelöwen und Pelikane streiten sich um die Fischreste, die hin und wieder von den Fischern ins Wasser geworfen werden. Hunderte Pelikane warten mit ihren langen Schnäbeln auf den Steinen und Dächern. Die Robben sonnen sich oder tollen durch das Wasser, dass es nur so spritzt. Auch andere, vor allem kleinere, Vögel mischen sich dazwischen.

Vor dem Hafen von Arica kann auch Fisch gekauft werden, allerdings gibt es dort auch sehr gute und günstige Empanadas, die frisch zubereitet werden. Ja, ich gestehe, wir mussten dort halten und probieren.

Der Hauptmarkt der Stadt hat dagegen seine besten Tage gesehen und nur wenige bieten noch Obst und Gemüse an. Es gibt einen anderen Markt, der besser funktioniert. Nichtsdestotrotz fehlt die Straßen-Markt-Kultur hier fast völlig, im Vergleich zu Bolivien, wo es der Herzmuskel zu sein scheint. Dagegen begegnen uns riesige Einkaufscenter. Shopping Malls kommen uns auch im weiteren Verlauf in Chile immer wieder unter und sie sind der Ort wo wir die meisten Menschen antreffen. Wenn die Straßen sonst leer und ausgestorben erscheinen: In der Shopping Mall ist die Hölle los. Die Liebe zum Einkaufscentern ist mir etwas ungeheuer.

Sehenswert ist Arica ist auch der Ausblick vom Morro, einem riesigen Felsvorsprung, der bis ans Wasser reicht und einen Ausblick über die Stadt erlaubt. Es fehlt nur die Spielkonsole und schon ließen sich die bunten Containerchen und Sandberge in Schiffe und LKWs verladen. Vielleicht noch ein Regler für die Eisenbahn.

Ganz im Hintergrund befindet sich der weitläufige Strand Aricas. Von einigen wenigen Buden und alten Hochhäusern belagert, ist der Strand ziemlich ruhig und bietet lange und große Wellen. Ideal um mal wieder das Surfbrett unter die Füße zu bekommen. Auch wenn die heftige Strömung und die harten Wellen einiges an Kraft kosten. Kurz nicht aufgepasst und schon bin ich mit dem Brett weit abgedriftet. Da ist es besser zu liegen und zu paddeln.

Nun sind wir also in Chile angekommen und damit wird es noch ein Weilchen weitergehen (-;

 

PS.: Eine Karte von Chile mit Arica ganz im Norden:


Okt 28 2018

Hoher See mit vielen Inseln

Von Karl

 

Puno ist die größte Stadt am Titicacasee. Der Titicacasee ist weltberühmt, weil es der höchste See der Welt mit kommerzieller Schifffahrt ist. Wir sind auf 3.800m angekommen und die Höhe der letzten Tage, sowie die Entbehrungen während der Wanderung schlagen zu, sodass ich mich teils sehr krank fühle. Puno liegt auf der peruanischen Seite. Der See liegt mit der anderen Hälfte in Bolivien. Der See verliert seit Jahren an Wasser und ist insbesondere vor Puno stark verschmutzt. Ansonsten hat er eine hohe Bedeutung für die Region die zu großen Teilen auch den Quechua– und Aymara-sprachigen Indigenen angehören. Der See sorgt für konstanteres Klima, dass viel Landwirtschaft zulässt.

Bei unseren ersten Rundgang in der Stadt kommt uns auch gleich eine Demonstration entgegen. Soweit wir die Forderungen verstehen, geht es um Gleichberechtigung insbesondere in den Gesundheitsinstitutionen. Viele laufen in den Krankenpfleger*innen-Berufsklamotten und haben selbstgebasteltete Schilder dabei. Sie zeigen sich sehr kämpferisch.

Die Stadt an sich, wirkt ruhig und das Zentrum von Touris eingenommen. Es gibt eine Fußgängerzone. Vom Zentrum sind es nur 20 Minuten bis zu einem Aussichtspunkt. Vorher sind noch hunderte Stufen zu erklimmen, aber bei den gut 4.200m hoch liegenden Metallvogel, bekommt man ein schönes Panorama über Puno und der Bucht von Puno. Tatsächlich ist der Titicacasee sehr groß und wirkt wie ein Meer.

Am zweiten Tag machen wir das, was wohl alle Touris machen. Wir umgehen die teuren Agenturen im Zentrum und bekommen ein 15 Soles Ticket für die Uros am Hafen. Die Uros leben als Volk auf selbstgebastelteten Inseln auf dem See. Aus Schilf haben sie alles erdenkliche gebaut. Bis hin zu Häuser. Sie wollen nicht an Land ziehen und haben Tourismus und Fischfang als einzige Einnahmequellen. Die 2.000 Insulaner*innen haben sich dabei gut organisiert, sodass ein Besuch ein freundliche aber verkaufsorientierte Massenabfertigung ist. Wenn das kleine Boot an ihrem Schilf anlandet kommen sie extra winkend heran. Es sind Schmuck und Handwerk zum Verkauf aufgebaut und jeden Tag scheint eine andere Familie mal dran zu sein. Es ist spannend mal auf Schilfinseln zu laufen und zu sehen, wie sie darauf leben, aber nach 15 Minuten ist auch alles gesehen. Es gibt auch Sonnenstrom und es würde mich nicht wundern, wenn sie ihr Smartphone immer schnell verstecken, damit alles so aussieht wie Touris das erwarten.

Wir bekommen noch eine Fahrt mit dem Schilfboot aufgequatscht und landen an einer anderen Insel mit ausschließlich Restaurants. Wir warten also eine weitere Stunde, ehe es zurück nach Puno geht.

Wir machen einen Haken an Puno und freuen uns auf unsere nächste Reise.

PS.: Punos Lage in Peru …


Okt 26 2018

Zu Fuß zum Pool und zurück

Von Karl

 

Es ist 3 Uhr früh, als wir vor unserem Hostel mit all unseren Sachen stehen. Wir warten in der noch kalten Nacht. Dann kommt ein Mann die Straße runter, nennt unsere Namen und nimmt uns mit. Immer wieder zwei Ecken und einmal telephonieren. Warten. Noch eine Ecke weiter und wieder telephonieren. Warten. Dann kommt der Bus und wir steigen schnell ein.

Tal der Condore

Zusammen mit einem guten Dutzend anderer Reisenden brechen wir auf zu unserer Wanderung ins Colca-Tal. Eines der tiefsten Täler der Erde. Genau genommen der zweittiefste Canyon der Erde. Über 3.200 m ist das Colca-Tal tief.

Noch morgens erreicht der Bus die Hauptstadt des Tals: Chivay. Dort gibt es kurz Frühstück und wir fahren weiter ins Tal hinein. Am Cruz del Condor machen wir Stopp und können einen fulminanten Ausblick wagen. Kilometer geht es steil nach unten, während wir auf Felsen sitzen. Gegenüber steigen die Berge auf bis sie weiße Kappen bekommen. Die Dimensionen sind unvorstellbar.

In den Lüften vor uns gleiten mühelos Condore. Braune oder Schwarz-Weiße. Sie zählen zu den größten Vögeln und beherrschen das Tal. Mal segeln sie über uns, mal segeln sie weit unter uns.

Abstieg

Nur kurz dürfen wir den Ausblick genießen, bevor es weiter geht an den Startpunkt unserer Wanderung bei Cabanaconde. Wir werden noch schnell aufgeteilt in die 3-Tages-Tour, 2-Tages-Tour und die Tages-Tour. Unser Guide, Fernando, kommt gerade von einer Tour und macht mit uns die Zweitägige. Nach nur wenigen Metern sind wir wieder am Rande der Schlucht und beginnen den Abstieg. Fernando ist nicht nur unser Guide, sondern auch das Lexikon zur Umgebung. So ist der Hang, den wir absteigen sehr trocken, während auf der anderen Seite auch Landwirtschaft möglich ist. Über grauen Schotter und Geröll geht es unter der sengenden Sonne Meter für Meter bergab. Eine Seite ist der Abgrund und auf der anderen geht es steil bergan. Kommt eine Kehre, wechseln die Seiten. Wir erfahren, dass im Talgrund 40 Grad Celsius herrschen. Wir haben zwar mit viel Wasser die Tour gestartet, aber der Pegel in der Flasche fällt kontinuierlich.

Gute drei Stunden sandig-rutschiger Abstieg später, erreichen wir den kontaminierten Fluss im Talgrund. Nach kurzer Pause geht es über eine Hängebrücke auf die andere Seite. Durch Gärten und vorbei an alten Frauen die Kekse, Obst und Wasser verkaufen. Wir kommen an unsere Pausenstation und bekommen mageres Mittag. Etwas enttäuscht versuchen wir unsere geschundenen Körper im Schatten zur Ruhe zu bringen, doch ein fettes Huhn lässt mich einfach nicht in Ruhe. Was auch immer ich den Huhn angetan hatte, es verfolgte mich über die Wiese bis wir den Ort wieder verließen. Gerne hätte ich die steilen Hänge aus ruhender Position unter dem schattigen Avocado-Baum genossen. Nun. Selten, dass ich einem Lebewesen ein Ende als Broiler gewünscht habe.

Bis zur unserem Ziel sind es aber nochmal drei Stunden. Wir beginnen die Wanderung entlang des Tals und schon bald folgen steile Auf- und Abstiege. Fernando entschuldigt sich immer wieder im voraus: Es sei halt ein Canyon. An einem Zwischenstopp bei einigen Kakteen erklärt er uns, dass diese auch industriell angebaut werden. Weil sich darauf ein kleiner Käfer parasitär entwickelt, der zerdrückt eine dunkelrote Farbe hat. Diese wird als Farbstoff und in der Kosmetik-Industrie verwendet.

Unsere Füße entwickeln zeitgleich Blasen und Muskelkater. Besonders Bergabstiege treffen nicht auf unsere Gegenliebe. Erste Blasen haben sich gebildet, die verarztet wurden. Eine halbe Stunde vor dem Ziel müssen wir unsere Wasservorräte auffüllen. Nochmal 5 Liter und etwas Obst. Zum Glück hat ein alter Mann ein kleinen Holzverschlag aufgebaut – im Nirgendwo. Als wir den letzten Anstieg geschafft haben, eröffnet sich ein erster Blick auf unser Tagesziel: Oasis de Sangalle.

In der Innenseite der Flusskurve breitet sich eine breite Grünfläche mit Palmen und Pools aus. Ein Pool entwickelt für uns schnell eine Anziehungskraft und spendet neue Motivation. Noch vor der Brücke auf die grüne Insel inzwischen der felsigen Landschaft, erscheint uns ein großer Wasserfall auf der gegenüberliegenden Seite. Mitten aus der Felswand scheint er zu entspringen und ab da und abwärts ist plötzlich alles grün. Doch dann ruft der Pool erneut. Ein letztes Mal über eine Brücke und letzte Meter nach oben, einmal quer durch das teils überwucherte Gebiet, bis wir in einer Bungalow-Siedlung ankommen. Strom ist hier Mangelware.

Unser Guide teilt uns auf die Zimmer auf. Kaum haben wir unsere Sachen in dem Bambus-Verschlag außerhalb der Reichweite von Kleintieren und Skorpionen geparkt, springe ich auch schon in den Pool. Das recht frische Wasser kühlt die geschundenen Beine und gleicht einer Wohltat. Ich könnte stundenlang darin ausspannen, wenn es nicht auf die Dauer zu kalt wäre. Zudem wirft sich der Schatten frühzeitig über uns und ich suche nach der Dusche die warmen Klamotten auf.

Gefühlte Ewigkeiten warte ich mit knurrenden Magen auf das Abendbrot und bleibe enttäuscht von der mageren Mahlzeit. Wir sind geschafft und suchen direkt den Weg in die Horizontale. Nicht ohne den krassen Sternenhimmel zu sehen. Fernab großstädtischer Lichter erscheinen Millionen kleiner Sterne und die Milchstraße ist ohne Probleme zu erkennen. Ich muss stehen bleiben und dieses seltene Bild tief in mir einprägen. Oft habe ich das Bild nicht gesehen. Mal bei einer Segelfahrt auf der Ostsee oder bei der Überfahrt mit dem Frachtschiff nach Südamerika oder auf dem Boot im Amazonas-Regenwald. Nein, so ein Himmel ist selten.

Aufstieg

Schon 4:30 Uhr treffen wir die Gruppe und Fernando, damit wir den Rückweg nach Cabanaconde machen. Diesmal eine andere Route, doch der Höhenunterschied bleibt gleich. Wir steigen direkt von 1.900m auf 3.300m. 1.400 Höhenmeter in wenigen Stunden. Im Zickzack den Weg über Schotter und Fels. Wir haben unsere Stirnlampen an und folgen jeweils unseren Vordermenschen. Andere Gruppen sind am Hang wie Lichterketten, die im Wind wackeln, zu erkennen. Langsam schieben wir uns Kurve um Kurve nach oben. Plötzlich sollen wir alle an die Innenseite gehen und warten. Eine Gruppe Esel rauscht an uns vorbei. Inklusive Esel-führer. Auf der gesamten Strecke nach oben transportieren Esel die nötigen Sachen für die Menschen im Tal oder Touris, die aufgegeben haben. Lediglich der Müll wird von Hand geleert und auf dem Rücken getragen. Der ältere Mann hat nur Sandalen an, zwei riesige Säcke Müll auf dem Rücken und überholt mich mühelos. Ich rede mir ein, dass ich kaum 1.400 Höhenmeter in Deutschland trainieren hätte können. Er schon.

Die Berge am Horizont werden zu erst in orangefarbenes Morgenlicht getaucht. Bis mich die wärmende Sonne erreicht, vergehen allerdings noch schweißtreibende Stunden. Das Orange wandelt sich langsam in kräftige Farben und diese fließen langsam ins Tal. Wie frische Farbe die nach und nach auf die Berggipfel aufgetragen wurde und dann über die Kanten ins Tal läuft.

Fernando hat uns mittlerweile drei Bäume gezeigt, bei denen wir uns wiedertreffen sollen. Sie sehen klein aus und ich glaube, dass sie ein erstes Zwischenziel mit Pause sind. Mittlerweile haben Pippi und ich die Strategie entwickelt, möglichst vorne zu laufen und Pausen zu vermeiden, damit wir an der eigentlichen Pausenstation eine umso größere Pause haben. Wir haben allerdings nicht mit DIESEN Bäumen gerechnet. Lange Zeit nehmen wir Stein für Stein während unsere Herzen pumpen und der Schweiß von der kühlen Luft schnell getrocknet wird. Als nach vielen unendlichen Minuten tatsächlich DIE Bäume wieder auftauchen, sind sie immer noch verdammt weit oben. Wir machen nun doch Trinkpausen und lassen unglaublich sportliche Menschen an uns vorbeiziehen. Immer wieder auch Esel. Manche Touris auf den schaukelnden Rücken am Rande des Abgrundes haben weiße Gesichter die im Kontrast das Esel-Fells schwarz erscheinen lassen.

Viele der Touris, die fast ausschließlich aus Westeuropa kommen, haben entsprechende Trekking-Kleidung und -Ausrüstung angelegt. Pippi mit Jeans und meinem alten Schulrucksack. Ich mit Leggins und Jutebeutel. Ja, wir passen nicht ganz ins Bild der gut vorbereiteten Extrembergsteiger*innen. Trotzdem wissen wir einen guten Teil unserer Gruppe hinter uns und beißen uns weiter den Berg hinauf. Nur, wo sind die scheiß Bäume?

Als sie dann doch wieder auftauchen, dämmert es mir endlich, dass die Bäume nicht klein und krüppelig sind, sondern groß und stolz. Ein Mann, der uns entgegen kommt, grüßt uns freundlich und verrät, dass es nur noch eine Stunde bergauf sei. Ich denke, dass die Distanz bis zum Gipfel gemeint ist, stelle aber fest, dass sie bis zu den Bäumen ist. Ja, tatsächlich sind wir noch an den riesigen drei Nadelbäumen angekommen. Ich habe kaum mit dem Pausieren begonnen, motiviert Fernando uns zum weiterwandern. Ich stelle mich innerlich auf weitere Stunden harten Anstiegs ein.

Doch nach zehn Meter klettern wir umständlich durch das Gipfelkreuz und erreichen einen Platz, voll mit Ankömmlingen. Geschafft! Wir Finisher ruhen uns kurz aus, bevor wir Siegesposen vor der Kamera machen. Meine Peace-Fahne kommt dabei zum Einsatz und motiviert Weitere sich damit zu photographieren. Ein Mann möchte sogar ein Photo mit mir, weil ich diese Idee mit der Flagge habe und er Frieden wichtig findet.

Die letzte halbe Stunde ist ohne Berge und wir erreichen Cabanaconde und somit auch unser Frühstück. Bevor ich aber in die letzte Straße einbiege, muss ich meine Augen reiben. Ein Mann läuft mit meinem Rucksack von links nach rechts und bringt ihn auch zum Frühstück. Die großen Rucksäcke haben wir am Vortag abgeben können und uns wurde versprochen dass wir sie hier wiederbekommen. Dass sie allerdings von jemandem durch das Dorf getragen werden, war uns nicht klar. Schon irgendwie komisch, den eigenen Rucksack an einem vorbeiwandern zu sehen.

Das Frühstück reihte sich in die Reihe der mageren Portionen ein, aber zumindest gab‘s Kaffee und Coca-Tee.

Nächster Stopp

Von nun an müssen wir nicht mehr laufen, sondern werden gefahren. Der Bus bringt uns zu einem Verkaufsstopp, wo auch je zwei Alpakas und Lamas warten. Highlight für uns soll aber ein Bad in einer heißen Quelle sein. Trotz der hohen Luft-Temperaturen tummeln sich einige Touris in den extra angelegten Becken, die mit bis zu 38 Grad sehr heiß sind. Der nahe Fluss ist ziemlich steinig, dafür aber erfrischend kalt. Das Quellwasser, dass auch teils einfach so in den Fluss fließt ist tatsächlich kochend heiß.

Unzählige Versuche uns das Mittagessen zu verkaufen haben wir während der Tour widerstanden und verabschieden uns kurz vorher bei Fernando, der sich rührend um uns gekümmert hat. Wir fahren nicht zurück nach Arequipa. Unser nächster Stopp soll Puno sein. Wir wurden von dem Touren-Anbieter in einen Touri-Bus gesetzt, wo eigentlich niemand so richtig motiviert ist. Der Guide im Bus zeigt uns zwar verschiedene reizvolle Landschaften, die aber hinter den Bildern der letzten Tage zurück bleiben.

Zum ersten Mal sehe ich aus der Ferne einen aktiven Vulkan, weil wir auf die Rauchsäule am Horizont aufmerksam gemacht werden. Schon komisch, dass die graue Wolke auf der Spitze aus dem Berg kommt. Der letzte Halt ist an einer riesigen Laguna auf über 4.400m. Auch hier packt die Alpaka-Produkte-Händlerin schon ihre Sachen ein und wir nehmen die letzte Hürde über Juliaca nach Puno.

PS.: Karte von der Gegend:


Okt 24 2018

Kleinstadt zwischen den Bergen

Von Karl

 

Selten, dass eine Stadt so warm und nah an schneebedeckten Gipfeln ist. Stehen wir auf dem zentralen Platz – der gewöhnlich in Peru Plaza de Armas heißt – wird das friedliche Palmen-Kathedrale-Panorama von den drei Gipfeln umrahmt: Misti, Chachani und Picchu Picchu. Wobei Ersterer sehr nah an der Stadt steht. An der zweitgrößten Stadt Perus: Arequipa. Sie gilt als rebellischer Gegenpol zu Lima, wo ein Drittel der peruanischen Bevölkerung lebt. Der peruanische Staat ist zentralistisch aufgebaut und viel Geld verbleibt in Lima. Gegen das erhebt sich immer wieder Protest und nach Arequipa folgen dann oft weitere Städte insbesondere im Süden.

Arequipa ist auch im Schachbrett aufgebaut, auch wenn die Hausnummern einer Straße mit jeder Kreuzung um ein weiteren Hunderter erhöht werden. Sodass die erste Ziffer Einem verrät, wie viele Blocks das gesuchte Haus entfernt ist. Ein System was nicht nur in Arequipa eingesetzt wird.

Ein Geheimnis konnte ich lüften, dass mich schon länger irritiert hat. Die Müllabfuhr mit der fröhlichen Musik. Warum tönt aus den Lautsprechern des Müllautos sehr laute Kindermusik oder zumindest fröhliche oder folkloristische Musik? In Ecuador war es immer das selbe Lied, in Peru ändert sich das ständig. Kommt das Müllauto durch die Straßen, hören so die Anwohner*innen dies und bringen noch schnell den Müll an die Straße. Da die Musik bis vor einigen Jahren die Menschen in Peru genervt hat, wurde sie durch schönere und verschiedenere ersetzt. Bei guter-Laune-Musik Müll abholen. Klingt nach einen angenehmeren Job. Zudem gibt es in wenigen Straßen Metallstäbe am Straßenrand, mit einem Metallkorb auf Augenhöhe, in dem der Müll abgestellt wird, bis er abgeholt wird. Das verhindert, dass die Straßenhunde den Müll zerreißen.

Ansonsten macht Arequipa einen friedlichen und kleinstädtischen Eindruck. Dass eine Million Menschen in dem Ballungsraum wohnen, merkten wir ihr kaum an.

Wir haben nur eine Übernachtung in Arequipa gebucht. Am nächsten Tag geht es in aller Frühe los. 2:40 Uhr klingelt der Wecker.

Hervorheben möchte ich noch Pippis geilen Salat. Dafür hat sie hat den lokalen Bergkäse geschnitten und in der Pfanne gebraten, was eine sehr geile Idee ist, die ich anderen nur empfehlen kann. Es ähnelt dann Halloumi. Den Käse und alle anderen Zutaten gibt es auf dem Mercado San Camillo. Dort kann günstig, lokal und gut alles mögliche erworben werden und sogar Snacks und Mahlzeiten gegessen werden. Wir haben Kartoffel-Spaghetti-Auflauf bekommen. Wie lecker der war! Auch gibt es schon die bolivianische Spezialität der Salteñas. Sie ähneln den Empanadas und sind meist mit Fleisch und Gemüse gefüllt. In Arequipa konnten wir vegetarische ergattern.

Glücklich nach so viel leckerem, ging es früh in die Koje.

Salteña auf dem Mercado San Camillo

PS.: und da ist übrigens Arequipa:


Okt 18 2018

Pippis Ankunft in Lima

von Karl

 

Die Wüste scheint unendlich zu sein. Ich sitze zum hundertsten Mal auf meiner Reise in einem Reisebus. Diesmal ein besonders klappriger. Über Nacht ging es von Sullana nach Lima. Sullana ist ein naher Ort bei Piura, wo die Busse günstiger sein sollen. Ob das stimmt kann ich nicht sagen. Mein Bus hat nach Sullana noch Halt in Piura gemacht …

Die Wüste ist links und rechts. Rechts, also westlich, kommt auch immer mal der Pazifik zu Gesicht. Der Strand setzt sich unendlich nach links in teils riesige Dünen fort. Perus Küste ist meist trocken. So langsam nähern wir uns der 10-Millionen-Metropole Lima. Links und rechts stehen erste Lehm- und Ziegelhäuser mit Wellblech-Dächern. Das Gewusel nimmt zu, obschon wir noch ewig vom Zentrum entfernt sind. Ein erstes Mal hält der Bus, aber angesichts der Dimensionen in Lima, wird er noch mehrmals halten. Lima selbst überzeugt durch dauerhaft bewölktes Wetter.

Der altersschwache Bus klappert sich durch den Stau und irgendwann finde ich – nur durch die Hilfe anderer Mitreisenden – meinen Ausstieg. Der angepeilte Haupt-Busbahnhof von Lima, genannt „Gran Terminal Plaza Norte“, hat noch einige abgelegene Bushöfe in den Seitenstraßen. Dort ist mein Billig-Bus angekommen und nicht wie erwartet im eigentlichen Busbahnhof.

Angesichts der Größe beschließe ich direkt ein Taxi zu nehmen und finde mit dem Fahrer über Umwege die gesuchte Unterkunft die mir aber nicht aufmacht. Über das benachbarte Auto-Ersatzteil-Geschäft bekomme ich dann den Vermieter ans Telephon. Es seien keine Betten frei. Reservierung hin oder her, es täte ihm leid.

Was soll‘s 10 Meter weiter im Hostel bekomme ich sogar ein besseres Angebot. Als ich erfahre, dass es nur 15 Minuten zu Fuß zum Gran Terminal sind, denke ich, warum ich so viel für das Taxi ausgegeben habe.

Die Umgebung ist weit entfernt vom touristischen oder luxuriösen Zentrum. Ich erkunde etwas die grau-gelbe Umgebung. Ich komme beim Mittag mit einer ehemaligen Fernseh-Mitarbeiterin ins Gespräch. Sie will aber lieber umschulen und weniger Journalismus und mehr Marketing machen.

Spät abends, gegen 11 nehme ich eins von den Minibussen die zwischen Gran Terminal und Flughafen fahren. Das Gaspedal immer durchgedrückt, der Ausrufer und Kassierer immer ungeduldig, die Knie immer schmerzhaft eingeklemmt, die Musik schrecklich laut. So düse ich durch die kühle Nacht.

Am Flughafen warte ich dann. Nicht dass ich schon länger ungeduldig auf diesen Tag hinfieberte, aber nun bekomme ich das erste Mal Besuch auf meiner Reise. Pippi hat beschlossen ihren Jahresurlaub zu nehmen, um mit mir 5 Wochen bis nach Santiago de Chile zu reisen. Dem gebührt Respekt! Wir haben uns sehr lange nicht gesehen und umso erfreutet sind wir uns wiederzusehen.

Wir haben nicht viel Zeit für Lima eingeplant, zumal ich die Stadt schon kenne. Wir sehen uns den Hauptplatz an und genießen verschiedene Leckerein. Wir probieren auch eine Art Zabaglione. Wir vermuten dass Ei und Zucker schaumig geschlagen wurden um sie dann z.B. mit peruanischen Schwarzbier in einem Becher an der Straße zu verkaufen. Schmeckt ganz okay.

Ganz in der Nähe vom Plaza Mayor (Hauptplatz) gibt‘s übrigens ein voll leckeres und ausschließlich veganes Selbstbedienungsrestaurant. Ein Geheimtipp für andere Reisende!

Am nächsten Tag haben wir dann nur noch unsere Rucksäcke geschnürrt um zur zweitgrößten Stadt Perus aufzubrechen und auch für mich in neue Welten. Wieder versagt der Gran-Terminal-Busbahnhof und wir müssen in die Stadt fahren, was angesichts der extremen Anzahl an Fahrgästen eine Herausforderung sonders gleichen ist. Gegenüber vom Stadion gibt es eine große Anzahl von Busfirmen und wir sind positiv angetan von Cromotex, eine der hunderten Busfirmen. Auch ein Tipp für andere Reisende (-;


Okt 14 2018

Typisch Peru: Bier und Kartoffeln

Von Karl

 

Das erste Mal sehe ich alte Bekannte wieder: Kev und Alexandra. Schon vor Wochen haben wir bei Ihnen eine Unterkunft bekommen und an diese Gastfreundschaft entsinnend habe ich ein weiteres Mal angefragt und ohne zu zögern eine Einladung erhalten. Kev ist großer Freund von Bier und so setzen wir uns schon nach wenigen Stunden mit zwei seiner Freunde zusammen und unterhalten uns über das Reisen. Ich durfte seit langem mal wieder meine Kartentricks aufführen. (Ich muss definitiv mal wieder üben)

Papa rellena und dessen Zutaten

Den nächsten Morgen mache ich den Erfolgsschlager Eierkuchen, was sie dazu animiert mich nun immer einzuladen, wenn sie Essen zubereiten und so lerne ich neues peruanisches aus der Küche Kennen. Mit Alexandra koche ich „Papas rellenas“ („gefüllte Kartoffeln“). Dabei wird eine Arte Kartoffel-Yuca-Brei hergestellt und eine Füllung aus Tomaten, Zwiebeln, (gekochtem Fleisch,) und gekochtem Ei. In den Kartoffelbrei wird die Füllung gepackt und mit mehligen Händen lassen sich Kugeln formen. Diese werden dann gebraten bzw. frittiert. Mit Mayonnaise oder der hier verbreiteten scharfen Ají-Soße schmeckt das genial. Füllen kann mensch die Papas rellenas natürlich auch mit vielen anderen Sachen.

Maiz morada

Getränke scheinen auch aufwändig zu sein. So wird über Stunden „Maiz morada“ („Lila-Mais“) gekocht. Das ist die schwarze oder dunkel-lila-farbige Variante des grobkörnigen Mais‘. Den habe ich bislang nur in Peru gesehen. Ananas-Schalen kommen auch noch in den Topf. Das Wasser färbt sich dann schwarz bis dunkel-lila. Zusammen mit Zucker und Eiswürfeln wird das gefärbte Wasser serviert und schmeckt vorzüglich. Offizieller Name: Chicha morada.

Ansonsten habe ich die Zeit in Piura genutzt um ausgiebig alles zu Waschen und zu reparieren. Tatsächlich ist mehr kaputt als ich erwartet habe. Bis hin zum Rucksack. Ich hoffe er bleibt noch eine Weile stabil. Die Nähnadel war so sehr beansprucht worden, dass sie in der letzte Nacht sogar zerbrochen ist. Zum Glück hatte der Kiosk um die Ecke eine neue für mich. Ansonsten packe ich bei Alexandras Umzug mit an und Abends sind wir dann zu viert Pizza essen gewesen.

Kev und Alexandra sind für mich auch zwei Beispiele, die dem Klischee der überschwänglichen Latinas/os widersprechen. Der Abschied war kurz und knapp, trotzdem weiß ich, dass wir uns alle gefreut haben, uns wiederzusehen. und dass sie eingeladen sind, mich auch mal zu besuchen.


Okt 10 2018

Surfbrett statt Steigeisen

von Karl

 

Wer sich noch daran erinnert: In Machachi ist das Cotopaxi-Projekt kurz vor knapp gescheitert und nun folgt ein anderes: Surfbrett statt Steigeisen. Gerade eben habe ich völlig überraschend eine günstige Bleibe direkt am Strand gefunden. Mein Rucksack habe ich im Zimmer abgelegt und nun nehme ich die letzten Stufen runter an den verlassenen breiten Strand. Rechts kommt irgendwann eine Seebrücke und Fischerboote. Auf dem Meer stehen zig Erdölplattformen. Der Strandhang ist besiedelt mit flachen Häusern und einige davon für den wenigen Tourismus der nach Lobitos kommt. Links endet der Strand in Sandsteingebäuden. Etwas versteckt stehen Erdölspeicher und -pumpen, die sich beharrlich immer gleich bewegen. Auch hier setzt sich das trockene Geld vom Strand ins Hinterland fort. Es ist windig und trocken.

Die Wellen rollen nur leicht und nur links brechen sie schön. Eine kleine Bude am Strand verspricht Surfbretter und ich wage mich langsam heran. Zwei andere gehen gerade als ich komme. Im Häuschen scheint niemand zu sein, aber dann springt doch ein Mann aus der Hängematte und grinst mich an. Er gibt mir – als Anfänger – ein altes Brett und einen alten Neopren-Anzug. „So lange du Spaß hast“ ist seine letzte Antwort, als ich frage, wie lange ich im Wasser bleiben kann. Jackpot, denke ich.

Mit mir sind einige aus dem Hostel mit ihren Brettern ins Meer gekommen, sodass die wenigen funktionierenden Stellen durch die Profis belegt sind. Ich paddel mich um die Gruppe und setze mich im untiefen Wasser und finde langsam aber sicher die Wellen, die ich so lange vermisst habe. Die die sich so langsam und friedlich aufbauen. Vor denen ich mit aller Kraft fliehe. Die mich vom Heck her anheben und zum schnellen Gleiten bringen. Mit dem Beginn des Gleitens, beginnt die Welle auch zu brechen und ich kann immer weiter und weiter rutschen.

Immer wieder komme ich in das traumhafte Gefühl, während immer weniger Menschen im Wasser mit mir um die wenigen schönen Wellen konkurrieren. Die Sonne geht langsam gen Horizont. Dann ist es soweit. Ich stehe, selbst etwas überrascht, etwas länger auf dem Brett. Stabil surfe ich vielleicht fünf bis zehn Meter. Ein erstes Mal. Die Kraft die vom vielen Paddeln geschunden ist, ist wieder da, als wenn noch keine Stunde vergangen wäre. Die steife Brise, die mir die Gischt ins Gesicht schlägt, macht mir gar nix, denn ich will wieder hinter die Schaumkronen um den nächsten Ritt zu wagen.

Erst als mit den Abendstunden die Wellen ruhiger und die Sonne oranger wird, denke ich an den Kerl, der auch irgendwann Feierabend machen möchte. Er interessiert sich nicht für mich und ich lege ihm seine Sachen zum Trocken vor seine Hütte. Wo schon alle anderen liegen. Vom Sandsteinfels aus sehe ich einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang.

Hierhergekommen bin ich von Talara. Einer Kleinstadt an der Küste, die allerdings größer zu sein scheint, als viele der Kleinstädte hier. Dort liegen viele alte Fischerboote trocken und die Erdölindustrie scheint das Geschäft übernommen zu haben. Kleinbusse pendeln zwischen Talara und Lobitos. Die weißen oder silbernen Neunsitzer fahren nur zwei Blocks von EPPO entfernt ab. EPPO bedient alle Orte zwischen Mancora und Piura mit sehr kurz getackteten Bussen. Ich hab nie länger als 10 Minuten gewartet.

Von Mancora kommend habe ich noch einen Zwischenstopp in Los Órganos gemacht, aber die Stadt schien mir zerfallen. Sie hat es gewollt, aber nicht geschafft. Keine Menschen auf der Straße. Nix was mich da behalten hätte. Nach einer Stunde bin ich weiter gefahren.

Lobitos hat keine Infrastruktur und der günstige Hostelpreis wird versucht über ein teures Restaurant wieder reinzuholen. Ich fahr lieber zurück nach Talara und weiter nach Piura.