Okt 18 2018

Pippis Ankunft in Lima

von Karl

 

Die Wüste scheint unendlich zu sein. Ich sitze zum hundertsten Mal auf meiner Reise in einem Reisebus. Diesmal ein besonders klappriger. Über Nacht ging es von Sullana nach Lima. Sullana ist ein naher Ort bei Piura, wo die Busse günstiger sein sollen. Ob das stimmt kann ich nicht sagen. Mein Bus hat nach Sullana noch Halt in Piura gemacht …

Die Wüste ist links und rechts. Rechts, also westlich, kommt auch immer mal der Pazifik zu Gesicht. Der Strand setzt sich unendlich nach links in teils riesige Dünen fort. Perus Küste ist meist trocken. So langsam nähern wir uns der 10-Millionen-Metropole Lima. Links und rechts stehen erste Lehm- und Ziegelhäuser mit Wellblech-Dächern. Das Gewusel nimmt zu, obschon wir noch ewig vom Zentrum entfernt sind. Ein erstes Mal hält der Bus, aber angesichts der Dimensionen in Lima, wird er noch mehrmals halten. Lima selbst überzeugt durch dauerhaft bewölktes Wetter.

Der altersschwache Bus klappert sich durch den Stau und irgendwann finde ich – nur durch die Hilfe anderer Mitreisenden – meinen Ausstieg. Der angepeilte Haupt-Busbahnhof von Lima, genannt „Gran Terminal Plaza Norte“, hat noch einige abgelegene Bushöfe in den Seitenstraßen. Dort ist mein Billig-Bus angekommen und nicht wie erwartet im eigentlichen Busbahnhof.

Angesichts der Größe beschließe ich direkt ein Taxi zu nehmen und finde mit dem Fahrer über Umwege die gesuchte Unterkunft die mir aber nicht aufmacht. Über das benachbarte Auto-Ersatzteil-Geschäft bekomme ich dann den Vermieter ans Telephon. Es seien keine Betten frei. Reservierung hin oder her, es täte ihm leid.

Was soll‘s 10 Meter weiter im Hostel bekomme ich sogar ein besseres Angebot. Als ich erfahre, dass es nur 15 Minuten zu Fuß zum Gran Terminal sind, denke ich, warum ich so viel für das Taxi ausgegeben habe.

Die Umgebung ist weit entfernt vom touristischen oder luxuriösen Zentrum. Ich erkunde etwas die grau-gelbe Umgebung. Ich komme beim Mittag mit einer ehemaligen Fernseh-Mitarbeiterin ins Gespräch. Sie will aber lieber umschulen und weniger Journalismus und mehr Marketing machen.

Spät abends, gegen 11 nehme ich eins von den Minibussen die zwischen Gran Terminal und Flughafen fahren. Das Gaspedal immer durchgedrückt, der Ausrufer und Kassierer immer ungeduldig, die Knie immer schmerzhaft eingeklemmt, die Musik schrecklich laut. So düse ich durch die kühle Nacht.

Am Flughafen warte ich dann. Nicht dass ich schon länger ungeduldig auf diesen Tag hinfieberte, aber nun bekomme ich das erste Mal Besuch auf meiner Reise. Pippi hat beschlossen ihren Jahresurlaub zu nehmen, um mit mir 5 Wochen bis nach Santiago de Chile zu reisen. Dem gebührt Respekt! Wir haben uns sehr lange nicht gesehen und umso erfreutet sind wir uns wiederzusehen.

Wir haben nicht viel Zeit für Lima eingeplant, zumal ich die Stadt schon kenne. Wir sehen uns den Hauptplatz an und genießen verschiedene Leckerein. Wir probieren auch eine Art Zabaglione. Wir vermuten dass Ei und Zucker schaumig geschlagen wurden um sie dann z.B. mit peruanischen Schwarzbier in einem Becher an der Straße zu verkaufen. Schmeckt ganz okay.

Ganz in der Nähe vom Plaza Mayor (Hauptplatz) gibt‘s übrigens ein voll leckeres und ausschließlich veganes Selbstbedienungsrestaurant. Ein Geheimtipp für andere Reisende!

Am nächsten Tag haben wir dann nur noch unsere Rucksäcke geschnürrt um zur zweitgrößten Stadt Perus aufzubrechen und auch für mich in neue Welten. Wieder versagt der Gran-Terminal-Busbahnhof und wir müssen in die Stadt fahren, was angesichts der extremen Anzahl an Fahrgästen eine Herausforderung sonders gleichen ist. Gegenüber vom Stadion gibt es eine große Anzahl von Busfirmen und wir sind positiv angetan von Cromotex, eine der hunderten Busfirmen. Auch ein Tipp für andere Reisende (-;


Okt 14 2018

Typisch Peru: Bier und Kartoffeln

Von Karl

 

Das erste Mal sehe ich alte Bekannte wieder: Kev und Alexandra. Schon vor Wochen haben wir bei Ihnen eine Unterkunft bekommen und an diese Gastfreundschaft entsinnend habe ich ein weiteres Mal angefragt und ohne zu zögern eine Einladung erhalten. Kev ist großer Freund von Bier und so setzen wir uns schon nach wenigen Stunden mit zwei seiner Freunde zusammen und unterhalten uns über das Reisen. Ich durfte seit langem mal wieder meine Kartentricks aufführen. (Ich muss definitiv mal wieder üben)

Papa rellena und dessen Zutaten

Den nächsten Morgen mache ich den Erfolgsschlager Eierkuchen, was sie dazu animiert mich nun immer einzuladen, wenn sie Essen zubereiten und so lerne ich neues peruanisches aus der Küche Kennen. Mit Alexandra koche ich „Papas rellenas“ („gefüllte Kartoffeln“). Dabei wird eine Arte Kartoffel-Yuca-Brei hergestellt und eine Füllung aus Tomaten, Zwiebeln, (gekochtem Fleisch,) und gekochtem Ei. In den Kartoffelbrei wird die Füllung gepackt und mit mehligen Händen lassen sich Kugeln formen. Diese werden dann gebraten bzw. frittiert. Mit Mayonnaise oder der hier verbreiteten scharfen Ají-Soße schmeckt das genial. Füllen kann mensch die Papas rellenas natürlich auch mit vielen anderen Sachen.

Maiz morada

Getränke scheinen auch aufwändig zu sein. So wird über Stunden „Maiz morada“ („Lila-Mais“) gekocht. Das ist die schwarze oder dunkel-lila-farbige Variante des grobkörnigen Mais‘. Den habe ich bislang nur in Peru gesehen. Ananas-Schalen kommen auch noch in den Topf. Das Wasser färbt sich dann schwarz bis dunkel-lila. Zusammen mit Zucker und Eiswürfeln wird das gefärbte Wasser serviert und schmeckt vorzüglich. Offizieller Name: Chicha morada.

Ansonsten habe ich die Zeit in Piura genutzt um ausgiebig alles zu Waschen und zu reparieren. Tatsächlich ist mehr kaputt als ich erwartet habe. Bis hin zum Rucksack. Ich hoffe er bleibt noch eine Weile stabil. Die Nähnadel war so sehr beansprucht worden, dass sie in der letzte Nacht sogar zerbrochen ist. Zum Glück hatte der Kiosk um die Ecke eine neue für mich. Ansonsten packe ich bei Alexandras Umzug mit an und Abends sind wir dann zu viert Pizza essen gewesen.

Kev und Alexandra sind für mich auch zwei Beispiele, die dem Klischee der überschwänglichen Latinas/os widersprechen. Der Abschied war kurz und knapp, trotzdem weiß ich, dass wir uns alle gefreut haben, uns wiederzusehen. und dass sie eingeladen sind, mich auch mal zu besuchen.


Okt 10 2018

Surfbrett statt Steigeisen

von Karl

 

Wer sich noch daran erinnert: In Machachi ist das Cotopaxi-Projekt kurz vor knapp gescheitert und nun folgt ein anderes: Surfbrett statt Steigeisen. Gerade eben habe ich völlig überraschend eine günstige Bleibe direkt am Strand gefunden. Mein Rucksack habe ich im Zimmer abgelegt und nun nehme ich die letzten Stufen runter an den verlassenen breiten Strand. Rechts kommt irgendwann eine Seebrücke und Fischerboote. Auf dem Meer stehen zig Erdölplattformen. Der Strandhang ist besiedelt mit flachen Häusern und einige davon für den wenigen Tourismus der nach Lobitos kommt. Links endet der Strand in Sandsteingebäuden. Etwas versteckt stehen Erdölspeicher und -pumpen, die sich beharrlich immer gleich bewegen. Auch hier setzt sich das trockene Geld vom Strand ins Hinterland fort. Es ist windig und trocken.

Die Wellen rollen nur leicht und nur links brechen sie schön. Eine kleine Bude am Strand verspricht Surfbretter und ich wage mich langsam heran. Zwei andere gehen gerade als ich komme. Im Häuschen scheint niemand zu sein, aber dann springt doch ein Mann aus der Hängematte und grinst mich an. Er gibt mir – als Anfänger – ein altes Brett und einen alten Neopren-Anzug. „So lange du Spaß hast“ ist seine letzte Antwort, als ich frage, wie lange ich im Wasser bleiben kann. Jackpot, denke ich.

Mit mir sind einige aus dem Hostel mit ihren Brettern ins Meer gekommen, sodass die wenigen funktionierenden Stellen durch die Profis belegt sind. Ich paddel mich um die Gruppe und setze mich im untiefen Wasser und finde langsam aber sicher die Wellen, die ich so lange vermisst habe. Die die sich so langsam und friedlich aufbauen. Vor denen ich mit aller Kraft fliehe. Die mich vom Heck her anheben und zum schnellen Gleiten bringen. Mit dem Beginn des Gleitens, beginnt die Welle auch zu brechen und ich kann immer weiter und weiter rutschen.

Immer wieder komme ich in das traumhafte Gefühl, während immer weniger Menschen im Wasser mit mir um die wenigen schönen Wellen konkurrieren. Die Sonne geht langsam gen Horizont. Dann ist es soweit. Ich stehe, selbst etwas überrascht, etwas länger auf dem Brett. Stabil surfe ich vielleicht fünf bis zehn Meter. Ein erstes Mal. Die Kraft die vom vielen Paddeln geschunden ist, ist wieder da, als wenn noch keine Stunde vergangen wäre. Die steife Brise, die mir die Gischt ins Gesicht schlägt, macht mir gar nix, denn ich will wieder hinter die Schaumkronen um den nächsten Ritt zu wagen.

Erst als mit den Abendstunden die Wellen ruhiger und die Sonne oranger wird, denke ich an den Kerl, der auch irgendwann Feierabend machen möchte. Er interessiert sich nicht für mich und ich lege ihm seine Sachen zum Trocken vor seine Hütte. Wo schon alle anderen liegen. Vom Sandsteinfels aus sehe ich einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang.

Hierhergekommen bin ich von Talara. Einer Kleinstadt an der Küste, die allerdings größer zu sein scheint, als viele der Kleinstädte hier. Dort liegen viele alte Fischerboote trocken und die Erdölindustrie scheint das Geschäft übernommen zu haben. Kleinbusse pendeln zwischen Talara und Lobitos. Die weißen oder silbernen Neunsitzer fahren nur zwei Blocks von EPPO entfernt ab. EPPO bedient alle Orte zwischen Mancora und Piura mit sehr kurz getackteten Bussen. Ich hab nie länger als 10 Minuten gewartet.

Von Mancora kommend habe ich noch einen Zwischenstopp in Los Órganos gemacht, aber die Stadt schien mir zerfallen. Sie hat es gewollt, aber nicht geschafft. Keine Menschen auf der Straße. Nix was mich da behalten hätte. Nach einer Stunde bin ich weiter gefahren.

Lobitos hat keine Infrastruktur und der günstige Hostelpreis wird versucht über ein teures Restaurant wieder reinzuholen. Ich fahr lieber zurück nach Talara und weiter nach Piura.


Jun 27 2018

Kaffee, der stresst

von Karl, 26. Juni 2018, Playas (General Villamil)

 

Heute stelle ich euch Piura vor. Piura hat für mich zwei Gesichter. Sie heißen NorAndino und Kev. Beide Gesichter möchte ich euch vorstellen. Auch wenn es vielleicht unglücklich losgeht, so seid beruhigt, es wird besser.

(Nicht) Willkommen bei NorAndino

Unser zentrales Anliegen in Piura war der Besuch der großen Exportfirma „NorAndino“. NorAndino beliefert die ganze Welt, vor allem aber Europa, mit fairen Kaffee, Kakao und Rohrzucker. Schon in Huancayo kannten Leute NorAndino. Mehrere Tausend Bäuerinnen und Bauern arbeiten für NorAndino und es gibt mindestens eine große Fabrik, sowie eine Geschäftsstelle. Wir haben Probleme Informationen von unserer Kontaktfrau zu bekommen und werden sie nicht einmal zu Gesicht bekommen. Am ausgemachten Tag rufen wir an und können dann doch einfach vorbei kommen. Nun warten wir lange, doch Interesse an uns hat hier niemand. Das war bei den anderen Firmen meist anders, weil unser Film oft eine Gelegenheit ist, auch die eigenen Produkte vorzustellen. Gratis Werbung halt. Irgendwann sprechen wir mit einem Ingenieur, aber auch ihm erzählen wir alles von vorn. Dann schickt er uns mit einen Fahrer in die Kaffee-Fabrik.

Unbegleitet schlendere ich zwischen riesigen Lagern von Kaffee-Säcken und lauten staubigen Rüttelmaschinen und Transportbändern umher und mache Photos und Filmaufnahmen. Ich verstehe nicht, was die Maschinen machen. Die Lagerhallen sind beeindruckend groß und es prangern die großen Bio- und Fair-Handels-Siegel der importierenden Länder an den Wänden. NorAndino ist offensichtlich eine große und stolze Firma. Neben den Maschinen ist es kaum auszuhalten. Es ist extrem laut und staubig. Obschon es sehr aufgeräumt aussieht, ist der Boden von dem staubigen Sand bedeckt. Der Staub entsteht in der Produktion und stammt von den Kaffee-Bohnen. Die Kaffee-Schalen torkeln neben manchen Maschinen durch die Luft. Die staubige Luft wird matt von den Lampen erhellt und taucht die Umgebung in dunkles Gelb. Ein Arbeiter begegnet mir, alle anderen sind in der Mittagspause. Die Maschinen laufen wohl auch ohne Arbeiter*innen ganz gut.

Unser Begleiter taucht wieder auf und erklärt uns, dass wir am nächsten Tag zu den Kaffee-Feldern können, allerdings müsste NorAndino für uns ein Auto mieten. 60 Soles meint er. Das sind ca 15 Euro. Wir überlegen lange, ob wir den Film weiter verfolgen, wenn wir sogar für unsere Arbeit zahlen sollen. Schlussendlich gewinnt die Neugier und wir willigen ein. Er erklärt uns noch, dass eine Präsidentin einer deutschen Firma oder NGO gerade bei NorAndino zu Gast ist und sie uns gern treffen mag. Wir sollen um 4 Uhr nochmal zum Büro kommen.

Punkt um 4 sitzen wir wieder an gewohnter Stelle und warten. Irgendwann ist es nach um 5 und ein Angestellter fragt uns, ob wir sie gern heute oder morgen treffen mögen. Auf heute haben wir kein Bock mehr. Wir kommen uns ziemlich verarscht vor.

Tags drauf sind wir dann schon um 7 Uhr in der Frühe vor der Geschäftsstelle und finden unseren wortkargen Fahrer samt Geländewagen. Auf geht‘s. Auf der neuen Landstraße geht es mit 160 Sachen voran. Nur für die Bodenwellen wird abgebremst, die extra dafür da sind, dass langsam gefahren wird; und wohl auch in den Dörfern an der Strecke die einzige Überlebensversicherung ist, die Straßenseite zu wechseln. Irgendwann wird die Straße zu Beton und dann zu Schotter. Wir durchqueren Bachläufe und sehen die Berge. Ich bin überrascht, dass der Fahrer gar nicht von NorAndino ist und auch nicht den Weg kennt. Er hat nur einen Namen und einen Ort. Wir fahren durch die Berge in verschiedene Dörfer und mehrere Dutzend Mal fragt unser Fahrer nach dem Weg. Nach über vier Stunden und mehren Hin und Her finden wir den gesuchten Mann und folgen seinem Motorrad.

In einem NorAndino-Kaffee-Tal

Ricces ist Agrar-Ingenieur und das erst seit ein paar Monaten bei NorAndino. Hinzu kommt noch seine Kollegin, die den selben Job mit der selben Erfahrung macht. Sie betreuen Bäuerinnen und Bauern bei der Kaffee-Produktion. Er zeigt mit der Hand in das Tal und erklärt uns, dass hier überall Kaffee von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern angebaut wird und auch alle für NorAndino arbeiten. Das ganze Tal. Ein NorAndino-Kaffee-Tal. Jede*r der Ingenieur*innen hat eine bestimmte Region und kümmert sich um eben jene Kaffee-Bäuerinnen und -Bauern dieser Region. Entlang eines steilen schlammigen Pfades steigen wir mit den beiden von dem Dorf abwärts gen Tal. Ricces und Kollegin sind sehr geduldig und freundlich mit uns und erklären uns alles mögliche zur Kaffee-Produktion.

Es werden verschiedene Sorten angebaut, die verschieden schnell tragen und verschieden ertragreich sind. Normal sind die Beeren an den Sträuchern grün und wenn sie geerntet werden rot bis dunkelrot. In etwa wie kleine Kirschen. Es gibt aber auch Sorten, die gelbe Beeren tragen. Ricces quetscht den Kern aus der Kirsche und zeigt uns damit, worum es bei der Kaffee-Produktion geht. Der Kern verliert noch seine Schale in der Fabrik und in Europa werden die Kerne dann geröstet, wodurch sich erst das Aroma entfaltet. Da das wichtig ist und das Aroma mit der Zeit verschwindet, wird nicht in Peru geröstet, sondern erst vor Ort.

Die Bäuerinnen und Bauern haben Bäche mit Gräben umgeleitet und fangen zum Teil das Wasser auf. Damit kann dann an den entscheidenden Stellen gewässert werden. Die Kaffee-Felder liegen am Hang im Bergregenwald versteckt. Es sind nur wenige Hektar große Flächen, die von außen für uns nicht zu erkennen sind. Zumal zwischen den Kaffee-Sträuchern noch Bäume gepflanzt wurden, die verschiedene Zitrusfrüchte tragen. Sie bringen den nötigen Schatten, weil sie allesamt größer sind als die nur menschenhohen Kaffee-Sträucher. Ricces bestätigt unser Frage nach dem Klimawandel so schnell wie wir sie gestellt haben. Unsichere Regen- und Trocken-Zeiten seien die Folge, sowie das verstärkte Auftreten von Schädlingen. Vor dem Klimawandel waren die Jahreszeiten eindeutiger. Start und Ende sind ungewisser.

Es ist erstaunlich, wie für alle Bäuerinnen und Bauern die wir schon in Südamerika getroffen haben, es offensichtlich ist, dass es den Klimawandel gibt. Während in Europa und Nordamerika es immer noch Menschen gibt, die daran zweifeln.

Wir haben großes Glück mit der von Ricces Kollegin gewählten Plantage, weil gerade geerntet wird, obwohl es nicht Erntezeit ist. Der Bauer und viele Bäuerinnen sammeln in Körben per Hand die roten Kirschen ein. Sie schauen etwas schüchtern als sie uns sehen. Als wenn sie sich etwas schämen. Ich habe den Eindruck, dass sie es jetzt besonders gut machen möchten. Wir platzieren Ricces, als den selbstbewusstesten, zwischen den Reihen mit Kaffee-Pflanzen und interviewen ihn. Er schlägt sich ganz gut und freut sich, fast schon wie ein Kleinkind, ein erstes Interview in seinem Leben gegeben zu haben.

Wir verabschieden uns von den Arbeitenden und arbeiten uns zwischen den Sträuchern den Steilhang hoch. Auf dem Weg angekommen begrüßt uns eine Tarantula, größer als meine Hand. Gefährlich sei sie wohl, aber Ricces vertreibt sie mit einem Holzstab. Eine Distanz, die mir etwas zu wenig ist. Für mich zu nah an der schon fast kuschelig anmutenden Spinne.

Wir schauen uns noch Verarbeitungsanlagen an, um zu verstehen, wie die Kerne vom Fruchtfleisch getrennt werden. Allerdings sind diese weitgehend klein und draußen. Mit einen umgeleiteten Bach werden die Bohnen gereinigt und später auf einer schwarzen Plane getrocknet. Laster bringen die Säcke voll mit Kernen dann in die vier Stunden entfernte Fabrik in Piura.

Erst gegen Sonnenuntergang sind wir wieder zurück in Piura und unserer Fahrer nimmt nur wenige Meter vor unserem Ausstieg einen Kollegen auf, der deutlich kräftiger und bedrohlicher ist. Beim Ausstieg will dieser dann das Geld abrechnen, aber nun sind es 770 Soles und damit ca. 200 Euro. Wir sind sehr verärgert und diskutieren lange mit ihm. Wir haben das Geld einfach nicht und können es auch nicht bezahlen. Die Situation ist sehr beschissen für uns. Erst will er mit uns zu NorAndino fahren, um zu erfragen ob die den Betrag teils übernehmen, aber er verfolgt seinen Vorschlag nicht. Plötzlich bietet er uns an, die eben getankten 160 Soles (40 Euros) zu zahlen. Für uns deutlich annehmbarer. Als die beiden dann glücklich gestimmt lächeln, erscheint uns dieser Deal als ziemliche Verarsche. Wir sind schnurstracks abgedampft und ärgern uns noch eine Weile. Selbst wenn sie 160 Soles vertankt haben, so hat der Fahrer an dem Tag ja nix verdient. Warum dann die Freude? Wir können es uns nicht erklären. Wir denken zumindest: Nie wieder NorAndino.

Kev

Kev ist die positive Seite der Medaille Piura. Kev ist unser Gastgeber. Der erste Eindruck ist nicht, dass er offen auf Menschen zugeht, aber seine vielen Fragen strafen diesen Eindruck Lügen. Auch für uns hat er viel Zeit und Beratung. Als Ingenieur verdient er selbst für peruanische Verhältnisse extrem gut. Besitzt ein fünfstöckiges Haus mit zig Wohnungen, welche er an Angestellte, aber vor allem Studierende vermietet. Im fünften Stock können wir ein Zimmer beziehen. Ein anderes wird von einem jungen Venezolaner, 19 Jahre, und einer Venezolanerin, etwa Anfang 30, bewohnt. Das Wohnzimmer ist sehr groß und beherbergt auch eine geräumige Küche. Befremdlich wirkt der große Monitor an der Wand der in Echtzeit die Aufnahmen der Überwachungskameras im ganzen Hans anzeigt. Zu Kev gehört Alexandra, seine Freundin. Sie ist Studentin, aber verbringt viel Zeit im Wohnzimmer mit schlafen und fernsehen.

An den meisten Abenden sitzen wir bis nach Mitternacht und tauschen uns über Deutschland und Peru aus. Er erklärt uns, wie größere Firmen in Peru ihre Steuern zurück bekommen können, sodass sie unterm Stricht so gut wie keine zahlen. Ähnlich wie in Deutschland sind Spenden steuerlich absetzbar.

Auch seien viele Peruaner*innen sehr rücksichtslos untereinander, währenddessen sie sehr zuvorkommend gegenüber Ausländern seien. Kev ist großer Freund von Bier, sodass wir den einen Abend mit einer kurzen Motorradfahrt zur Tankstelle beginnen. Dabei zeigt er mir welche Bereiche beim letzten „El Niño“ überschwemmt wurden.

El Niño, zu deutsch „das Christkind“, ist ein ca. alle vier Jahre zur Weihnachtszeit auftretenden Klimaphänomen vor der Westküste Südamerikas. Normalerweise trägt der Humboldtstrom das Pazifik-Wasser vom Land weg, Richtung Westen, Richtung Indonesien. Dabei steigt kaltes Tiefenwasser vor der Küste auf, sodass das Klima an der Küste etwas kühler und sehr trocken ist. Wüste. Bei El Niño versiegt der Strom und das Wasser vor der Küste wird aufgeheizt. Es entsteht ein warm-feuchtes Klima mit starken Niederschlägen. Bäche werden zu riesigen Strömen. Kev meinte, dass das Wasser bis in die Häuser gelaufen ist, obwohl der aktuelle Flusslauf gut 10 bis 20 Meter tiefer liegt und ein sehr breites Flussbett hat. Alle Straßen waren überschwemmt. 2016 hat ein El Niño die Westküste heimgesucht. Aber nicht nur diese Region ist dann betroffen, sondern das Wettergleichgewicht auf der ganzen Erde gerät aus dem Fugen. Selbst in Europa soll es dann kälter sein. Die Meeresflora und -fauna an der Küste ist dadurch massiv gestört, sodass viele Tiere hungern und sterben, weil die Nahrungskette zu einer Art Domino-Kette wird. Peruanische Fischer haben, weil Weihnachten plötzlich keine Fische mehr da waren, dieses Phänomen irgendwann El Niño getauft.

Kev berät uns aber auch, wie wir den zusätzlichen Tag nutzen können, der uns geschenkt wurde, als wieder mal zu spät uns um Bustickets gekümmert haben. Also stehen wir eines vormittags an der Kreuzung um die Ecke und suchen den Bus ins empfohlene Catacaos. Ein touristisches Dorf ganz in der Nähe. Tatsächlich finden wir ihn irgendwann, doch Catacaos ist uns keinen langen Besuch wert. Es gibt sehr viel Handwerk mit Gold und Silber, doch brauchen wir gerade kein Schmuck. Nach nur wenigen Stunden nehmen wir den Bus in die Gegenrichtung.

 

Mit Kev habe ich einen Freund auf der Reise kennengelernt. Der viel Geduld mit mir hatte, obschon ich seine Sprache nur schlecht spreche. Bei der Verabschiedung ist er dann wieder ganz der distanzierte. Für uns geht es weiter, nächster Stopp ist an der Grenze. Seid gespannt (-;


Jun 19 2018

Im Kontrast der Großstadt

19.Juni 2018, Piura, von Karl

Darf ich vorstellen: Arthur. Etwas kleiner, wuschlige schwarze Haare, immer etwas verpeilt und müde drauf. Nicht verlegen für ein ehrliches Grinsen. Unser Couchsurfer bewohnt im schicken Lima‘ Stadtteil Miraflores ein Zimmer in einer Studi-WG. Zusammen mit fünf anderen Studis aus aller Welt. Er ist als einziger aus Peru, bzw. aus Cusco. Eine Mitbewohnerin ist zur Zeit in Ecuador, sodass wir eines der kleinen Zimmerchen beziehen können.

Rundgang im reichen Lima

Trotz dessen, dass wir ihn schon weit vor um 10 Uhr aus dem Bett geklingelt haben, brechen wir nach einem kurzen Frühstück zu einem Stadtrundgang auf. Insofern das überhaupt möglich ist. Knapp 10 Millionen Menschen bewohnen Lima, was bedeutet, dass nahezu jede*r dritte Peruaner*in in Lima wohnt. Zwei Drittel davon in den ungeplanten Außenbezirken, die teils dörflich-ländlichen Charakter haben. Sie gelten teils als die ärmsten Orte Perus und von einem Besuch wird vielfach abgeraten. Schon gegen Mittag, sollen wir die „Favelas“ wieder verlassen haben. Wir machen uns aber erst gar nicht zu einer Armutstour auf.
Arthur geht mit uns an den Pazifik, den ich damit zum ersten Mal live sehe. Die luxuriösen Hochhaussiedlungen Limas sind durch einen schicken Park-Pfad, einer Steilküste und einer Autobahn von der Küste getrennt. Nur an wenigen Stellen gibt es die Möglichkeit ans Wasser zu kommen. Knapp 20 Grad laden zum Schwimmen ein, auch wenn lediglich eine Person dieser Idee folgt. Wir machen kehrt am Strand und lassen uns von Arthur noch Baranco, einen anderen schicken Stadtteil zeigen. Vieles hier erinnert nicht mehr an das uns vertraute Peru, sondern es könnte auch London sein. Die Preise sind teils um ein vielfaches höher. Alle kaufen in den Supermärkten ein. Die Straßen sind sauber und gerade gezogen. Hochhäuser. Kaum eine*r verkauft etwas auf der Straße. Es fehlt an den einfachen Restaurants, stattdessen gibt es Capuccino mit „Good Day“ Milch-Schaum-Schrift.
Besonders an London erinnert auch das triste Wetter. Von frühs bis abends ist es bewölkt und die diesigen Wolken hängen tief in den Hochhäusern. Der kalte Humboldtstrom im Pazifik macht Wasser und Luft deutlich kälter als Lima wegen seines Breitengrades sein müsste. Der Winter in Peru verbringt die Metropole dann im Nebel. Es kommt nie die Sonne durch. Kein Wunder, dass Arthur oft schlafen mag.

Pyramide zwischen Hochhäusern

Wir spielen mit Arthur des abends verschiedene Kartenspiele und kombinieren sie mit Wein und ausgedachten Strafen. So fliegen wir dann auf Besen über die Straße, halten Reden auf dem Dach oder tanzen alberne Videos in der Küche nach. Wir können die Zeit genießen und kochen viel. Arthur wünscht sich ein „deutsches“ Dessert. Eine Herausforderung angesichts des Verfügbaren im Supermarkt und in der Küche. Am Ende improvisieren wir Eierkuchen, die uns auch selbst sehr beeindrucken. Wie lange mag es her sein, dass wir dieses schöne Gericht genossen haben?
Am nächsten Tag – wir haben bis Mittags gepennt – brechen wir zu einer Ausgrabungsstätte auf. Eine alte Lehm-Pyramide erhebt sich surreal zwischen den Hochhäusern. Eine echte Pyramide, wie sie vor tausenden Jahren dort stand, von Archeolog*innen detailgetreu wider aufgebaut. Auf der Spitze der Pyramide müsste sich ein weiter Ausblick entfalten, doch dieser endet an den Hochhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Pyramide steht wie eine kleine alte Frau zwischen ihren hochgewachsenen Enkel*innen. Die Pyramide, in ihrer Zeit konserviert, im Kontrast mit der stürmischen Großstadt. Man möchte ihr zuhören, was sie die letzten tausenden Jahre gesehen hat.
Tags drauf geht es für uns ins Zentrum Limas, wo wir kurz ein Literaturmuseum und lang ein Kunstmuseum besuchen. Weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, sogar kostenlos. Die Kunst Perus hat für mich einen beeindruckenden Bruch durchgemacht. Dieser wird sogar nach Kolonialherrenart „präkolumbisch“ oder „prähispanisch“ genannt. Das bezeichnet die Zeit, bevor die Europäer*innen alles geraubt, versklavt und beherrscht haben. Neben den berühmten Inkas gab es eine Vielzahl weiterer Völker und bezeichnend ist, dass bei vielen Ausstellungsstücken geschrieben steht, dass nicht klar ist, wie genau dies oder jenes genutzt wurde. Zum Beispiel wird eine Art komplexer Rechenschieber aus Fäden ausgestellt, was darauf hinweist, wie weit die Inkas schon waren, aber wie es funktioniert, wird wohl keine*r mehr rausfinden. Mit der Ankunft der spanischen Konquistadoren ist die peruanische Kunst stark von der europäischen dieser Zeit bestimmt worden. Eine katholische Heiligpreisung folgt der anderen.

Wasserspiele

Wir entdecken zwischen den Sehenswürdigkeiten eine weitere vegetarische Speise für uns: Chaufa. Das ist Reis mit ein wenig Ei und Gemüse, gefärbt mittels Soja-Sauce. Wie es als asiatisches Gericht auch in Deutschland gern serviert wird. Auch hier in den vielen asiatischen Restaurants als Basis im Angebot. Ziemlich schmackhaft und sehr sättigend. Auch deshalb, weil sich bei den Portionen an den Anden orientiert wird und es fraglich ist warum der Reis-Berg vor einem nicht links und rechts runterkullert. Es ist immer zu viel Chaufa auf einem Teller.
Auch Tortilla con Verduras (Gemüße-Tortilla) kann ich vegetarischen Peru-Reisenden ans Herz legen. Hier wird ein riesige Ei-Masse mit etwas Gemüße auf einen Berg Reis abgelegt und als unessbar große Portion serviert. Weil wir einmal bei Reisenden-Tipps sind: Die Banco de Nacion nimmt keine Bearbeitungsgebühr, wenn ihr Geld abhebt. und die Busgesellschaft Oltursa können wir weiterempfehlen.
Mit Arthur geht es an unseren letzten Abend in den Parque de Agua. Einen riesigen Gelände mit zig Springbrunnen. Mit Musik und Licht sehr schön in Szene gesetzt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Von einer riesigen Laser-Show beeindruckt, laufen wir unter Wasserstrahlen durch und lassen uns von Springbrunnen einsperren. Wir werden nass; und bewundern die sich ändernden Wasserstrahlen. Wir bleiben lange und machen viele Photos. Irgendwann sind wir müde und geschafft machen uns auf nach Haus.
Mit der Metro. Metropolitano meint ein Netz aus Bussen, die auf eigenen Schnellspuren auf der Stadtautobahn unterwegs sind. Es gibt einige Linien, die nicht an allen Haltestellen halten. An fahren sie einfach vorbei. Sie sind farbig und mit Buchstaben oder Zahlen differenziert. Es soll noch eine Eisenbahn geben die verschiedene Stadtteile verbindet.

Was ich nicht liebe

Noch eine Weile sitze ich mit Arthur, der französischen Mitbewohnerin und einem weiteren Gast aus Belgien in der Küche, trinke Bier und spiele Karten. Leider hat die Fußball-Weltmeisterschaft begonnen und alle sind aus dem Häuschen. Für Peru ist es besonders krass, weil sie seit 36 Jahren erstmals wieder mitspielen. Als Deutsche werden wir ständig darauf angesprochen, da die deutsche Elf Titelverteidiger ist und besonders mich nervt es zunehmend an. Weder interessiert mich der kommerzielle Fußball, noch fühle ich mich meinem Land, noch mit den reichen Fußball-Spielern verbunden. Auch als ich mich an dem Abend gezwungen sehe, mich dafür zu erklären, gibt es kaum Verständnis in der Runde. Ich muss doch mein Land nicht mögen, nur weil es mir seinen Pass ausgestellt hat?
Aber freust du dich denn nicht wenn dein Team gewinnt?
Was ich denke: Warum mein Team?
Was ich antworte: Nein. Warum?
Ich lass die drei sitzen, die das ambitionierte Ziel haben um fünf Uhr früh aufzustehen, weil dann das erste Spiel übertragen wird.
Als sie wieder ins Bett gehen, fangen wir an unsere Rucksäcke zu packen. Arthur schaut uns ungläubig an, als wir um 8 Uhr abends immer noch nicht wissen wo die Busse abfahren und wir noch kein Ticket haben. Offensichtlich können wir noch eine Spur lässiger als der lässigste Typ vor uns. Tatsächlich werden wir eines besseren belehrt und finden keine Bustickets mehr, die uns über Nacht ins ersehnte Trujillo bringen. Eine Großstadt am Meer, die wir uns etwas preiswerter und mit Sandstrand ausmalen. Ein freundlicher Taxifahrer klappert mit uns die hunderten Busagenturen in der Innenstadt ab, aber in der Regel müssen die Agentinnen noch nicht mal in den Computer schauen um mit dem Kopf zu schütteln.
Etwas abgeschlagen lassen wir uns die gute halbe Stunde zum großen nördlichen Busterminal fahren. Dort stehen wir einem Busbahnhof gegenüber, der einigen Flughäfen sicherlich den Rang abläuft. Er ist einfach riesig. Wir fragen uns – es ist mittlerweile schon fast 11 Uhr abends – an den Schaltern von hunderten Firmen durch und werden tatsächlich noch fündig. „Titanic“ – welch kreativer Busfirma-Name! – verkauft uns noch zwei Tickets in einem älteren und sehr engen Modell. Die vielen Menschen um mich herum rauben den Sauerstoff und sorgen für wohlige Wärme. Nicht lange und ich entschwinde in die Welt der schönen Träume und damit aus Lima, der größten und Hauptstadt Perus. Gute Nacht!

PS.: Lima und unsere nächsten Stopps auf einer Karte:

Lima, Trujillo, Piura

StepMap Lima, Trujillo, Piura