Nov 5 2018

Eine Zugfahrt

Von Karl

 

Nachdem uns nun der Jeep und Moises an eben jenem staubigen Stück Straße zurückgelassen hat, an dem wir drei Tage zuvor eingestiegen waren, führt unser Weg nur wenige Meter weiter bis wir einbiegen können, auf das Gelände des Bahnhofes. Ja, ihr lest richtige, diesmal ist es doch tatsächlich mal ein Zug. Ein bezahlbarer Zug. Nicht das es andernorts auch schon Züge gegeben hätte, doch waren sie meist zu teuer und als Tourismus-Attraktion angelegt. Für mehrere tausend Dollar wären Züge z.B. in Ecuador Strecken viele Tage irgendwo langgezuckelt, wo der Bus tatsächlich nicht einmal einen halben Tag benötigt.

In Bolivien dagegen gibt es noch zwei Bahnnetze, die noch unterhalten werden, günstig sind und vertretbar schnell sind, zumal es auch an asphaltierten Straßen mangelt. Nun gut, wir kaufen nun Tickets nach Oruro. Der Haken ist nur, der Zug fährt um 00:05 Uhr ab. Nicht, dass sonst noch Züge unterwegs wären. Der Bahnhof ist still. Die Abendsonne fällt schon schräg auf die unendliche Länge an Güterwaggons. Unser Zug steht auch schon da.

Wir müssen uns aber einige Stunden gedulden und machen Spaziergänge durch die Straßen Uyunis. Schnell verlassen wir die touristischen Abschnitte und finden Straßenstände mit Quinoa, Wollsocken und was es sonst noch alles gibt. Am zentralen Platz gibt es mehrere Dutzend verschiedene Restaurants und wir lassen uns nieder um zu warten. Als die Vorletzten gehen, erfahren wir, dass wir gern bleiben können von einem älteren Pärchen, dass wohl auch auf dem Zug wartet. Das Restaurant scheint auch Lebensraum einer Familie zu sein, denn nun bekommt auch die Tochter Essen, die Mutter schaut fern und der Sohn räumt Sachen rein. Als dann der Vater kommt, bekommen wir die Rechnung und die vermutete subtile Aufforderung doch zu gehen.

Im Bahnhof gibt es dann aber einen Aufenthaltsbereich, der etwas wärmer erscheint, denn die eisige Wüstenkälte hat den Ort erfasst. Nur wenige andere Touris warten darauf, dass es wohl bald losgeht.

Ziemlich entspannt scheinen die Bahnarbeiter in ihren Uniformen. Irgendwann rangiert der Zug dann auf das Gleis 1, sodass wir entspannt einsteigen können. Fast alle sitzen im selben Abteil. Der graue Zug gibt mir das Gefühl, dass dieser in den Hochzeiten des vergangenen Jahrhunderts erworben worden ist und seit damals mit Liebe instand gehalten wird. Es gibt eine Heizung, die aber kaum in der Lage ist, die Kälte zu vertreiben. Die Fenster sind durch Metall-Platten mit Lüftungsschlitzen verdeckt. Der Schaffner kommt durch und wir müssen unser Gepäck fein säuberlich in die Ablage legen. Pünktlich ruckelt der Zug los, aber zeitbedingt schlafen wir schnell ein. Der Schlaf ist etwas unruhig, denn die Schienen scheinen nicht schnurgerade zu sein. Immer wieder schauckelt der Waggon über einen Huckel, dann wieder mal nach rechts oder links.

Als die Sonne droht in den Wagen zu fallen, wachen wir auf und schieben die Metall-Platten nach oben. Diese rasten ein und geben einen Blick auf endlose Weiten frei. Der Zug tuckert über Sümpfe und Lagunen mit Schilf und Flamingos. In ihrer Ruhe gestört, steigen die unbeholfen auf, als das graue Monster durch ihre Landschaft schnauft.

Der Schaffner wischt schon wieder den Boden und gibt durch, dass wir eine halbe Stunde Verspätung haben. Am Horizont erscheint dann, am Fuße eines kleinen Gebirges, eine größere Stadt. Wir steuern schnurstracks auf sie zu, nun umgeben von endlos viel gelben Gras.