Dez 25 2018

Auf den Spuren der Hauptstadt

Sucre, Bolivien

von Karl

 

Der Regen fällt erst langsam, aber entwickelt sich dann rapide zu einem ausgewachsenen Sturzregen. Endlich wird offensichtlich warum die vielen kleinen Bäche in viel zu breiten Flussbetten schlängeln. Bei Starkregen nimmt die sonnengetrocknete Erde kaum Wasser und schnell werden Bäche zu breiten Flüssen. Dem Lauf eines solchen Flusses folgend fährt mein kleiner Bus durch die ersten Vorortsiedlungen Sucres. Der verfassungsgemäßen Hauptstadt Boliviens. Die Regierungsgebäude sind zwar überwiegend in La Paz, aber gemäß Verfassung ist Sucre die Hauptstadt. Lediglich der oberste Gerichtshof und das Verfassungsgericht befinden sich in Sucre.

Von Potosí kommend passieren wir am Ortsrand ein unfassbar pinkes Schloss, dass innerhalb einer Militäranlage liegt. La Glorieta genannt. Eine der Belege für den unfassbaren Reichtum der in Potosí gemacht wurde, aber zu den Reichen wanderte die sich im klimatisch angenehmeren Sucre nieder ließen.
Durch den wellenweise kommenden Platzregen flüchtend erreiche ich meine Unterkunft, die eher einem Kloster ähnelt. Dicke Mauern mit unzähligen riesigen Zimmern, die sich um zwei Innenhöfe lagern. Sämtliche Details sind gefühlt uralt und auch die Holzdielen wurden schon vor Jahren repariert. Bis auf ganz wenige im anderen Innenhof, bin ich der einzige Reisende, der sich hier nieder lässt. Besonders nachts bekommt die Unterkunft den Flair eines Geisterfilms. Mich würde es nicht wundern wenn unter einem spitzen Schrei schwarze Fledermäuse von der religiösen Brunnenstatue im Innenhof bei Vollmond aufsteigen. Auch der einzige Angestellte ist oft nicht da, sehr demütig, zieht den einen Fuß hinter sich her und scheint mit der Behausung gealtert zu sein.

Ich bin dahin gekommen, da ich meine Unterkünfte auf einer bolivianischen Webseite finde, um die teureren, engen und immer gleichen Hostels nicht aufsuchen zu müssen. Zudem bin ich ja in Bolivien um Bolivien kennen zu lernen und nicht Europäer*innen.

Sucre

Das wohl beeindruckenste an Sucre ist die weiße Kolonial-Architektur. Ähnlich der in Potosí, nur deutlich weiter ausgebaut. Unzählige Gebäude sind gut erhalten. Der zentrale Platz in der Mitte ist schön übergrünt und zwei Kreuzungen entfernt gibt es den großen Markt mit all den Ernteprodukten die Bolivien zu bieten hat. Direkt am zentralen Platz liegt auch ein restauriertes Gebäude, dass über die Gründung Sucres informiert. Der Raum in dem die erste Verfassung verabschiedet wurde, ist zu besichtigen. Anfangs hieß das Land noch „Hoch-Peru“ und wurde erst später nach den Befreier Südamerikas Simon Bolivar benannt, der selbst nicht zur Gründung im Land war.
Dass es doch Backpacker gibt, sehe ich dann in einem Café, dass einen sozialen Anspruch formuliert. Nur welcher, bleibt unklar. Der Kaffee hat auch seinen Preis und geht über das Mittagessen auf dem Markt hinaus, dass ich zuvor zu mir genommen hatte. Dieses enthielt jedoch mehr als nur ein Getränk. Ein tiefer Teller Suppe und ein großer Berg mit Reis, Gemüße, Kochbanane und Kartoffel konnten mich glücklich machen. Zwei Welten, eine Stadt, fünf Minuten zu Fuß entfernt.
Am Rande einer Kirche gibt es einen weiten Platz, an dessen Rand sich ein schicker Blick über die Stadt ausrollt. Die roten Dachschindeln Sucres lassen sich von oben betrachten und sind unterbrochen von rechteckigen Betonbauten, die an den Ausläufern des Zentrums beginnen.

An den besagten Gerichten, die in pompösen Bauten untergebracht sind, beginnt auch ein langgezogener und gepflegter Park. Auch andere Straßenzüge sind verziert worden und es gibt mittig Gehwege mit Kunst und Bäumen. Auffällig sind auch die vielen Telephonzellen, die aussehen wir Dinosaurier.

Zufällig wohne ich einer Fahrschulübung bei, bei der eine abschüssige Straße abgesperrt wurde. Ein Polizist fährt mit dem Wagen den Parcours vor, während die Schüler*innen zuschauen.
Zu den gepflegten Sehenswürdigkeiten gehört auch der große Friedhof. Ältere Menschen, teilweise blind bieten hier Segnungen an. Sie legen teils die Hand auf dem Kopf oder sitzen einfach neben einen, während sie kirchliche Gebete runterrattern. Die Toten sind in kleinen Blöcken untergebracht, die in etwa so groß sind wie Mikrowellen. Oft mit irgendwelchen Verzierungen, Sprüchen, Kerzen und Blumen. Wie in Plattenbauten sind die einzelnen Mikrowellen-Wohnungen wie gestapelt. Ungefähr fünf übereinander, ein paar dutzend breit und vorder- und rückseitig.

Der Friedhof enthält auch einen jüdischen Teil, der allerdings abgesperrt ist und eine Erinnerungssäule an die vor den deutschen Faschismus ermordeten enthält. Weiter hinten werden noch berühmten Einwohner*innen gedacht, wie zum Beispiel dem Folklore-Singer Huascar Aparicio. Wenn ihr hier klickt, könnt ihr euch das Lied anhören, dessen Text am Grab steht.

Street Art in Sucre: „Du Bist nicht allein. Es gibt Feminismus“

Bei den Dinosauriern

Mit den kleinen Stadtbussen, Micros genannt, gibt es die Möglichkeit an den Ortsausgang zu fahren, wo hinter einer Betonfabrik eine Art Dinosaurier-Park sich befindet. Erlebnis-Park-mäßig begrüßen einen unzählige Dinos und dazugehörende Infotafeln die auf die Erdgeschichte hinweisen. Da die Dinosaurier schon vor über 65 Millionen Jahren ausgestorben sind, bis auf die Vogel-Dinos, geht es auch viel um Erdgeschichte. Das Besondere an dem Standort sind allerdings entsprechend alte Fußspuren verschiedener Saurier. Regelmäßig gibt es Führungen zu den Wänden mit den Fußspuren, welche wohl bald von der UNESCO geschützt werden. Noch läuft die Anerkennungsphase. Die Touris sind schon da.

Die entsprechende Wand ist riesig. Geschätzt mehrere Fußballfelder. Die Wand ist jetzt eine Wand, war aber mal ebenerdig. Zur Zeit der Dinos gab es noch nicht die Anden und an deren Stelle einen großen See, der von den Dinos aufgesucht wurde. Im Sumpfgebiet haben sie dann ihre Spuren hinterlassen. Erst später begann die Plattentektonik die Anden zu falten, die heute das zweithöchste Gebirge der Welt sind. Sodass jetzt der Eindruck entsteht, die Dinos seien die Wand hochgelaufen. Ihre Spuren zeigen wohl auch Sozialverhalten verschiedener Dino-Arten an.

die halbe Wand mit den Spuren, am Fuße arbeitet noch die Betonfabrik

Die benachbarte Betonfabrik arbeitet noch am Fuße der Wand. Sie waren es auch die die Spuren freigelegt hatten und nur weil ab da das Gestein nicht mehr zu gebrauchen war, haben sie aufgehört den Berg weiter ab zu tragen. Nun können Archäolog*innen die Spuren untersuchen. Weitere Sicherungsmaßnahmen sind in Vorbereitung.

Erlebnispark-Stimmung mit vielen Dinos; links im Hintergrund die Betonfabrik

Irgendwie ist es schon unglaublich, dass zig Millionen alte Spuren zu besichtigen sind. Es lässt sich ja nachvollziehen, dass in der Innenstadt kolonialzeitliche Gebäude zu besichtigen sind, aber die sind nur 200 Jahre alt … Aber 100 Millionen Jahre alte Fußspuren?