Apr 7 2019

Salvador, Yemayá und Tapioca

Von Karl

Salvador, Bahia, Brasilien

 

nach Salvador

Unser Start von Arraial do Cabo (Bundesstaat Rio de Janeiro) gestaltete sich nicht ganz leicht. Es gibt nur Verbindungen nach Rio de Janeiro, sodass wir erstmal mit dem Stadtbus nach Cabo Frio fuhren, was gleich der nächste Ort ist. Leider gab‘s hier auch keine Wunschverbindungen, sodass wir erstmal zum unaussprechlichen Campos dos Goytacazes aufbrachen. Gegen Mitternacht begannen wir dort dann mit dem letzten Schalterbediensteten eine theoretische Odyssee durch die letzten Verbindungen und Preise. Schlussendlich entschieden wir uns für Eunápolis im Bundesstaat Bahia, wo es auch hingehen soll.

Gegen Mittag waren dann auch dort, doch leider gab es nur Verbindungen über Nacht in die ehemalige Hauptstadt Salvador. Wir begann also die Stadt zu erkunden, aber jede*r ist hier der Meinung, dass die Stadt nicht sehenswert ist. Gut, es gibt nun auch nicht so viel zu erkunden, aber lecker Acai essen ist trotzdem drin.

Ein kleiner Platz neben der modernen Kirche lädt zum Verweilen ein. Das schönste aber in Eunápolis war wieder die Motorradfahrt zurück zum Busbahnhof. ach, die Motorrad-Taxis, ich werd‘s vermissen …

Salvador

Salvador war mal wichtiger und das als es Brasiliens Hauptstadt war. Heute eher aus kultureller Sicht berühmt. Sie gestaltet sich wie viele brasilianische Großstädte sehr durchmischt. Große Schnellstraßen durchkreuzen arme Favelas und reiche Hochhaussiedlungen. In letzteren Haben wir bei einer Professorin, genannt Ilma, ein Zuhause bekommen. Vom 9ten Stock aus bietet der Balkon schon einen kleinen Ausblick auf die Gegend. Der Sicherheitsdienst nahm es ganz genau und der Pool ist geheizt. Kinderparadies und Muckibude haben wir nicht genutzt. Mag es mal angenehm zu sein, in so einer Umgebung abzusteigen, sind wir, Azul und ich, doch einig, dass ein mit Mauer, Stacheldraht und Elektrozaun umgebenes Zuhause uns nicht gefällt.

Salvador war im 18. Jahrhundert mal Hauptstadt Brasiliens. Viele Sklav*innen unter anderem aus dem heutigen Angola wurden hierher gebracht und haben die Region nachhaltig geprägt. Immer wieder kam es zu Aufständen und Streiks, die gegen die Sklaverei und Kolonialherren in Portugal sich richteten und schlussendlich auch erfolgreich waren. Ausdruck dieser Zeit ist auch der Kampf- bzw. Tanzsport Capoeira, der seine Heimat besonders auch in der Bahia hat, wie die Region genannt wird.

Yemayá

Mit den Sklav*innen kamen auch deren Religionen nach Brasilien und Teile haben sich bis heute gehalten. Teils wurden die Religionen von der katholischen Kirche okkupiert. Eine der Religionen ist die der Yoruba aus Nigeria und Benin, die über die Zeit zur eigenständigen afrobrasilianischen Religion Candomblé wurde. Teil dieser Religion ist die Heilige Yemayá, die symbolisch für das Meer steht. Ihr zu Ehren wird jedes Jahr im Januar in verschiedenen Städten Brasiliens ein Fest abgehalten. Ilma machte uns darauf aufmerksam, dass am nächsten Tag, nach unserer Ankunft, dieses Fest im Stadtteil Rio Vermelho (zu deutsch: Roter Fluss) stattfinden wird, und, dass Salvador außerordentlich feierlaunig ist und jede Gelegenheit gerne genutzt wird.

So war dann auch unser Eindruck. Schon Kilometer vor dem angepeilten Ort der Feierlichkeiten, sehen wir tausende Begeisterte, die zu den Stränden pilgern und ihren Weg durch die unzähligen Verkäufer*innen schlängeln. Neben den üblichen Essen und Trinken, besonders Bierdosen, gibt es auch frittierten Käse. Der erst frisch über einen kleinen Eimer mit Holzkohle gegrillt wird, nachdem wir bestellt haben.

Wir erreichen dann auch, nachdem wir durch die Massen an Trinkenden uns durchgeschlängelt haben, einen Strandbereich. Teil der Tradition ist es Blumen ins Wasser zu werfen. Unzählige Tulpen schwammen schon im Wasser und der Strand ist gesäumt durch welke und nasse Blumen. Oft wird Frauen ein paar Blumen geschenkt, die sie dann ins Wasser werfen. Je nach Einkommen, auch ein Blumenstrauß oder sogar mit einer kleinen Bootsfahrt.

Rio Vermelho hat viele kleine Strände und wir hangeln uns von Strand zu Strand weiter bis wir zu einem größeren kommen, der auch massiv überlaufen ist. Unzählige Bötchen schaukeln im Wasser oder warten am Strand auf Kundschaft oder um das Spektakel zu beobachten. Genauso wie Fernsehsender, die eine eigene große Plattform aufgebaut haben. Tatsächlich gibt es hier auch Zelte für rituelle Segnungen und teils steigen Priester in religiösen Trachten mit großen Blumengestecken auf die schaukelnden Boote. Unter dem gespannten Interesse der Umstehenden die das auf jeden Fall sehen und photographieren müssen.

Oberhalb des Strandes steppt auch der Bär. Essen und Trinken soweit das Auge reicht. Tausende die feierlaunig die Straßen bevölkern. Die eigentlich breite Uferstraße folgend kommen dann auch Bars mit DJs und Boxen um die Straße mit tanzbarer Musik zu bespielen. Den Rhythmen folgend bewegen sich die hunderten Menschen, wenn sie nicht von umziehenden Gruppen, Bierträger*innen oder der brutalen Polizei geschubst werden. Die Polizei tritt in kleinen Gruppen auf und es ist sehr ratsam nicht denen im Weg zu stehen, weil, wie ich beobachten musste, sie schnell mal den Schlagstock zücken und kräftig zulangen.

Wir versuchen die entsprechenden Korridore frei zu halten und genießen die MPB. MPB meint soviel wie brasilianische Popmusik. In Brasilien hat sich eine eigene Popmusik entwickelt die auch immer wieder weltweit bekannte Titel hervorbrachte. Natürlich läuft auch etwas Elektro, Rock und Reggae. Salvador ist, ähnlich wie Rio de Janeiro, ein Ort, der besonders LGBTIQ-freundlich ist. Wir tanzen entlang des Regenbogens bis uns die Füße schmerzen. Teil der Tradition dieses Festes scheint auch der Verkauf von Armbändchen zu sein, die es auch in Regenbogenfarben gibt. MPB ist einfach zu finden, falls ihr mal reinhören wollt.

Pelourinho

Salvadors touristisches Zentrum ist Pelourinho. Es ist die hübsch restauriert Altstadt. Sie liegt in der Oberstadt. Die Unterstadt liegt auf Meeresspiegelniveau und wurde über die Jahrzehnte weitestgehend aufgeschüttet.

Um von der Ober- in die Unter-Stadt zu kommen, oder umgekehrt, gibt es neben der verschiedenen sich windenden Wege, den Elevador Lacerda, einen historischen Aufzug. Der beige-weiße Bau ist hübsch restauriert und enthält mehrere Aufzüge. Über eine Brücke führt der Weg zum oberen Ende des Aufzugs.

Ein weiter Ausblick erlaubt der Blick durch die breiten Fenster auf die verschiedenen Häfen. Der Aufzug ist sehr günstig und entsprechend sollte Kleingeld parat gehalten werden. Unweit des Aus- und Einstiegs in der Unterstadt gibt es auch einen großen Markt mit allerlei Handwerk und Souvenir-Kram.

Obschon alles ganz nett ist, chillen wir doch mehr am Wasser als alles andere und fahren rechtzeitig mit der S-Bahn zurück. Mittlerweile gibt es zwei Linien, die seit Jahrzehnten geplant und gebaut werden, aber für Salvadors Bedarf zu wenig ist. Mir kam zu Ohren, dass die Metro ein ähnlich belächeltes Großprojekt ist wie der Berliner Flughafen.

Wir müssen pünktlich zurück sein, denn Ilma lud uns ein, mit zu einem Axé-Konzert zu kommen. Axé hat auch afrobrasilianische und bahianische Wurzeln und ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden, auch außerhalb von Bahia. Falls ihr mal reinhören wollt, ich hab euch mal Daniela Mercury rausgesucht, eine Axé-Ikone. Das Konzert ist in vollem Gang und das schon am frühen Abend. Ich bin beeindruckt von der Leidenschaft die die Menschen durchströmt. Bis zur Oma hinterm Verkaufsstand lassen sich alle mitreißen. Die Oma verkauft übrigens Tapioca.

Auch Ilma und viele andere essen gerne Tapioca, insbesondere zum Frühstück. Tapioca ist eine weißes Pulver was es in allen Lebensmittelgeschäften gibt und aus Maniok gemacht wird. Das beeindruckende ist dabei die Zubereitung. Das Pulver wird feingesiebt und ohne Öl oder Wasser in eine Pfanne gegeben. Zur Not etwas festgedrückt, wird das weiße Pulver erhitzt. Dabei verbindet es sich nach und nach zu einer Masse, sodass es wie eine weißer Eierkuchen aussieht. Nur einmal drehen und servieren bevor es braun wird. Es schmeckt nach nichts und ist etwas gummiartig. Wichtig ist nun die Füllung, das heißt, was eingerollt wird. Die Faulen und Armen nutzen Salz und Margarine. Darüber hinaus sind verschiedene Fleisch- und Käsesorten beliebt, manchmal mit Rührei, gekochten Gemüße oder gar süß. Ich denke ich packe mir auch ein Päckchen ein.

Nachdem unser Hunger gestillt ist, geht es zurück zwischen die Tanzenden um es ihnen gleich zu tun. Es ist tatsächlich eine unglaublich gut tuende Musik. Sie lässt entspanntes langsames Zappeln zu, aber auch energetisches Ausrasten, wenn einen nach einer anstrengenden Arbeitswoche gerade danach ist. Auf der Bühne singt Margareth Menezes. Hört’s euch mal an. Sie ist auch ziemlich berühmt und als sie ihren Hit Dandalunda schmettert sind alle aus dem Häuschen.

Es gibt zudem eine große Halle auf dem Gelände die sich der solidarischen Wirtschaft verschrieben hat und viele Produkte aus alternativer Produktion, z.B. von Kollektiven, anbietet.

Vieles sind auch Produkte die auf die Schwarze Tradition beziehungsweise das afrobrasilianische Leben sich beziehen. So werden viele bunte Tücher angeboten, die vor allem Frauen um den Kopf tragen und auf der Stirn verknoten. Aber auch antirassistische Initiativen verkaufen Shirts mit Statements, oder ökologisch-vegane Seife, oder recycelte Kunst, oder oder oder …

Erneut gehen wir begeistert nach dem kleinen Shopping zurück zur Tanzwiese. Leider endet das Konzert relativ früh. Nach einem spätabendlichen Acai fahren wir ein letztes Mal zu Ilma nach Hause, denn am nächsten Tag steigen wir ein letztes Mal in den Fernbus. Nicht ohne im Busbahnhof nochmal fett Feijoada zu futtern.


Nov 13 2018

Der Belgier und der Killer

Von Karl

 

Im trockensten Ort der Welt, der Atacama-Wüste, ist besonders ein Ort bekannter als alle anderen: San Pedro de Atacama. Tausende Touris pilgern von ihren Lonely Planets geführt in den kleinen Ort, der eigentlich auch nix anderes ist, als eine Touri-Siedlung. Die Straßen sind so aufgebaut: Hostel, Kiosk, Restaurant, Reiseagentur, Hostel, Kiosk, Restaurant, Reiseagentur, Hostel, …

Viele Häuser sind aus Adobe, den luftgetrockneten Lehmziegeln, erbaut und sehen sich ähnlich. Dazu kommen noch die einheitlichen Holzschilder und die immergleichen Angebote. Der Boden ist zwar Dunkelbraun und alle Häuser Hellbraun, aber der Himmel ist strahlend blau. Am trockensten Ort gibt es natürlich keine Wolken und dies wäre hier wohl auch etwas kurioses.

Wir haben also eine große Anwahl verschiedener Anbieter*innen für unsere Pläne. Zudem finden wir am Ortsrand auch einen Gemüsestand, der uns das Kochen ermöglicht.

Valle de la Luna

Am Nachmittag geht‘s für uns auf eine Tour ins Valle de la Luna. Interessanterweise beginnt aber die Tour mit einer Wanderung durch eine Salzschlucht. Salz und Lehm haben bizarre Formen übrig gelassen. Wir lecken auch mal an der Wand und ja, es ist wirklich Salz. Wir klettern also durch dunkle Höhlen und offenen Schluchten. Auch wenn sonst die Umgebung steinig, wüstig und ganz ohne Vegetation ist, hier gibt es auch Sand-Dünen. Wir halten noch an weiteren Punkten, die aber allesamt eher Wüste, Fels und Sand zeigen. Der Ausblick ist manchmal schon beeindruckend.

Der letzte Stopp ist der für den Sonnenuntergang und angesichts der Menschenmassen, bleibt der Moment nur minder romantisch. Wo es kein Tropfen in der Atmosphäre gibt, verfärbt sich dann auch die Sonne nicht, wenn sie untergeht. So ist für mich der Sonnenuntergang weniger spektakulär, als er anderen Orten der Welt schon war und nicht das, was gern beworben wird.

El Tatio Geysiere

Die Nacht ist nur sehr kurz. Noch in der tiefen Dunkelheit springen wir in ein Bus. Dabei vergesse ich den extra gekochten Tee mit der Plastikflasche und sehe sie ein letztes Mal aus dem Fenster des Busses. Von meiner letzten Reihe aus, konnte ich aber auch nix dagegen mehr unternehmen. Wir schlafen erstmal noch etwas.

Unser etwas hyperaktiver und -begeisterter Guide holt uns dann wieder aus dem Schlaf, während wir auf das El-Tatio-Geysier-Feld fahren. Zig weiße Rauchsäulen steigen gen Himmel, während es draußen noch eisig ist. Es ist höchst beeindruckend. Manche Geysiere haben Säulen die sehr weit senkrecht gen Himmel wachsen. Andere sind noch klein. Der Guide erklärt uns, dass sie immer wieder versiegen oder neu entstehen. Ca. 80 Geysiere gibt es. Manche sind auch bunt um ihr Austrittsloch herum. Andere haben eine Art Häuschen gebaut. Benannt werden sie nach der Nationalität der Menschen, die schon darin gestorben sind. So ist der größere in der Mitte der Belgier. Es gibt aber auch einen großen am Rand, wo mehrere Leute gleichzeitig Suizid begangen haben und deswegen heißt dieser nur noch der „Killer-Geysier“.

Besonders beeindruckend ist auch ein Geysier der im immer gleichen Takt etwas höher aufbrodelt und dann wieder in sich zusammenfällt. Manche Bodenbereiche sind gefroren, andere warm und feucht. Pippi entdeckt deswegen schnell, dass es sich besser aushalten lässt, wenn die Eisklumpen-Füße auf den dunkleren warmen Bereich stehen.

Wir sind schwer beeindruckt von diesem sehr seltenen Naturschauspiel. Dem Vulkan El Tatio sei Dank, ist hier das größte Geysier-Feld der Südhalbkugel.

Am Rande gibt es noch ein Thermalbecken, wo kaltes und heißes Wasser gemischt wird. Doch so richtig Aufwärmen können wir uns hier nicht. Wenn mensch aber im Sand scharrt wird es teilweise verbrühend heiß. Vermutlich lässt es sich schwer steuern, wie warm es ist, da auch die Tagestemperatur schon extrem schwankt.

Auf dem Rückweg können wir uns noch süße Vicuñas, altbekannte Flamingos und typische Touris anschauen. Der Guide legt uns eine Routenänderung nahe, sodass wir statt in einem langweiligen Dorf neben einer schönen Schlucht halten. Ein kleiner Fluss hat hier ein tiefes Tal gegraben, dass schön bewachsen ist. Hier wachsen auch die Säulenkakteen, die circa einen Zentimeter pro Jahr größer werden. Einige von denen in dem unberührten Tal müssen also schon lange vor der Ankunft der Europäer*innen hier gewesen sein. Wir genießen den schönen Anblick eine Weile, bis es dann zurück nach San Pedro geht.

Ohne Umwege führt unser Weg dann auch direkt zum Busbahnhof.


Nov 3 2018

Drei Tage im Geländewagen über Salz, neben Flamingos und bei heißen Quellen

Von Karl

 

Wir quetschen uns in die nachträglich eingebaute letzte und dritte Reihe eines Geländewagens. Ziemlich eng für die Beine. Der nette Touren-Verkäufer macht nochmal die Scheiben sauber, während Moises, der Fahrer, die Plane verschnürt, in dem unser Gepäck sich befindet. Als er dann aber hinterm Steuer sitzt, sagt er kurz und freundlich: „So, ich bin Moises, euer Führer und wir fahren nun drei Tage gemeinsam“. Die vier anderen nicken freundlich und schön rollt der Toyota los.

Schon der Bus nach Uyuni, einer Kleinstadt im Südwesten Boliviens, zeigte uns, dass es eine touristische Stadt ist. Alle Plätze waren an Backpacker verkauft. Nun, hier scheint sich eine Busfirma zu halten, weil es die Backpacker gibt.

Noch ziemlich früh, vielleicht gegen 6 Uhr, wirft uns der Bus in Uyuni raus. Es ist sehr kalt im trockenen Wüstenhochland. Selbst alle kurzfristig verfügbare Kleidung scheint kaum zu reichen und nur die Hoffnung auf die bald wärmende Sonne bleibt. Ansonsten verraten die staubigen Straßen, dass es sonst heiß und trocken sein kann. Auf der UV-Mess-Anzeige in der Innenstadt ist noch keine Gefahrenstufe ausgewiesen.

Wir fragen im ersten Touren-Büro nach guten Angeboten, bekommen aber nur die teurere Preisklasse aufgetischt. In einem Hinterzimmer finden wir später Frühstück nebst Gas-Heizer und Wifi. Hier haben sich all die anderen Rucksack-Touris vom Bus hinführen lassen. Während Pippi eine gute Stunde auf das Frühstück wartet, mache ich im angrenzenden Büro nebenan ein Schnäppchen. Der Verkäufer wiederholt sich: „Bitte reden sie mit den anderen nicht über den Preis“.

Moises, wie er leibt und lebt

Tag 1

Moises hält nach nur wenigen Kreuzungen, denn er lädt Kühlboxen ein. Unser Mittag erklärt er.

Gleich hinter dem Ortsausgang halten wir ein erstes Mal zum Photographieren. Am Eisenbahn-Friedhof. Durch den Bergbau-Boom, u.a. Silber, wurden vor Jahrzehnten mal Eisenbahn-Trassen gebaut, wodurch auch Uyuni einen wichtigen Bahnhof bekam. Die alten Kohle-Loks rosten nun im Wüstenstaub vor sich hin.

Da nun mal alle Touris die selben Reiseführer-Bücher haben, sich in den Hostels immer wieder treffen und austauschen und auch sonst sich alle Touren-Angebote stark ähneln, sind auch wir Teil der Welle die über diese Sehenswürdigkeit hinwegfegt. Hunderte Touris klettern schon vor uns durch die Fahrstände und Wassertanks, posieren auf den Dächern oder machen schlicht Selfis davor. Kaum eine Lok ohne Touris. Diese Welle begegnen wir an jedem unserer Stopps. Wir einsam mag der Ort wohl sonst sein?

Anschließend geht es aber raus aus Uyuni. Wir halten in einem kleinen Dörfchen am Rande der Salzwüste, der Uyuni ihren Namen verleiht: „Salar de Uyuni“. Das Dörfchen hat nur Verkaufsstände und ein Museum, dass nicht den sehenswertesten Eindruck macht. Alle Stände haben mal wieder das selbe Angebot. Einzig, dass es Schnitzkunst aus Kaktus-Holz gibt, scheint mir spannend. Interessanter aber, dass der Salzabbau auch Teil der Einnahmen an dem Ort sind. Ähnlich wie Ziegel sind Salz-Blöcke auf Europaletten gelagert. Salz ist ganz schön schwer, aber leichter als ein gleichgroßer Ton-Ziegel.

Auf Hinterhöfen lagern große Salz-Kegel, diesmal als loser Sand. Alte Laster kommen vom Salzsee oder fahren raus. 25.000 Tonnen Salz werden jährlich abgebaut, aber angesichts der Größe des Salzsees, die sogar aus dem Weltall zu sehen sein soll, bedroht dies den See noch nicht. Stolz ist Bolivien auch auf die neue Lithium-Fabrik. Sollten die Lithium-Ionen-Akkus und der Elektro-Motor das Erbe des Verbrennungsmotors tatsächlich antreten, so liegt im See noch ungeahnter Reichtum, denn hier verbirgt sich auch eine der weltweit größten Lithium-Lagerstätte.

Nach nur wenigen Minuten fahren wir ein paar hundert Meter raus auf den Salz-See. Eine unendliche weiße Fläche empfängt uns. Wenn nicht anders bekannt, könnte der Anblick immer auch für eine Schnee- oder Eisfläche gehalten werden. Es gibt auch kleine Pfützen und aufgehäufte Salz-Kegel. Der Salzsee liegt so hoch wie La Paz, 3.600m, und ist mit über 10.000 Quadratkilometer der größte Salzsee der Welt.

Etwas weiter halten wir an anderen Pfützen, die aber den Eindruck machen, sie würden kochen. Allerdings ist das Wasser kalt und die Blasen die aufsteigen, eher Resultate von chemischen Reaktionen weit unter der Salz-Kruste. Die Kruste ist mindestens 30 Meter dick, sodass Busse und LKWs problemlos drüber fahren können. Darunter liegt aber noch Wasser und von den Gletschern kommt neues süßes Grundwasser unterirdisch rein. Da entstehen dann auch die Reaktionen die kleine blubbernde Pfützen bilden.

Als wir weiter über den Salzsee fahren, erscheint es mir ein Rätsel, wie eigentlich alle ihre Wege über den See finden. Mensch könnte sich zwar an den Fahrspuren orientieren, aber es gibt unzählige Abzweige und kein einziges Schild. An dem ersten Salzhotel mitten auf dem Salzsee wurden zig Länderflaggen und ein Symbol für die Rally Dakar Bolivia. Am Salzsee hat dann Moises auch das erste Mal sein reichliches Mittag ausgebreitet, welches uns immer wieder überraschte. Erstaunlich war wie er so viel davon vorbereiten und mitbringen konnte.

Am Salzhotel war der See nun endlos weit in alle Richtungen. Der Himmel ist bilderbuch-blau und von keiner einzigen Wolke unterbrochen. Am Rande erheben sich hohe Berge mit einzelnen Schnee-Adern. Neben dem Salzhotel gibt es eine kleine Pfütze in der sich gut sehen lässt, wie sich die Salzkristalle langsam bilden. Vom Rand aus bilden sich zerbrechliche Salzplatten auf dem Wasser, ganz so, als wenn das Wasser gefrieren würde. Sie sind anfangs auch eher durchsichtig und verraten nur durch die geänderte Spiegelung ihre beginnende Umwandlung.

Ein erster Stopp nach längerer Salzseetour ist ein kleiner Hügel mitten im See: die Insel Incahuasi. Wir sparen uns den Eindruck und wandern in der Stunde lieber um die Insel. Sie besteht aus vielen großen und kleinen Steinen und vor allem riesigen Säulen-Kakteen. Dass hier überhaupt etwas wächst, wo doch alles versalzen ist! Doch scheint es Leben zu geben, dass dem Salz trotzt. (Nur falls jemand besorgt war: Ja, ich habe den Witz beim Essen gemacht und gefragt ob jemand Salz möchte und dann auf die Tonnen unter unseren Füßen verwiesen)

Es ist übrigens ziemlich warm im Auto, weil dieses sich wie ein Treibhaus schön aufwärmt. Draußen dagegen ist es windig und kühl. Auch wenn es gleißend hell ist. Zum Teil des Nachmittags gehörte auch, dass wir an einen völlig abgeschiedenen Ort gefahren sind um dort besondere Photos zu machen. Aufgrund der immer-gleichen Umgebung lässt sich leicht mit Perspektiven spielen. Ein Ort wo auch der freundlich-wortkarge Moises aufblüht und seine Erfahrung einfließen lässt. So hat er auch einen Plastik-Dino im Kofferraum, damit jede*r einmal ein Photo machen kann wie er oder sie sich vor einem überdimensionalen Dinosaurier fürchtet. Natürlich stehen wir dafür viel weiter hinten, als der Dino selbst. Moises gibt von seiner Fußmatte aus Anweisungen, auf der er liegt, sodass wir ein paar sehr schicke Bilder gemacht haben. An den unberührten Ort sieht die Oberfläche aus, wie verschiedene Eisschollen zwischen denen eine Art Salz-Paste aufgestiegen ist und dann in der Sonne auskristallisierte.

Der letzte Stopp des ersten Tages gilt dem Sonnenuntergang, der schon relativ eisig daherkommt und auch nicht lange auf sich warten lässt. Die letzten Meter am Rande des Sees sind dann aber fast schon schlammig, aber auf den erfahrenen Moises ist verlass. Nicht aber wohl auf einen anderen Fahrer, der sich festgefahren hat im Salz-Schlamm. Gutmütig wie Moises ist, beginnt er mit den ersten Versuchen den Festgefahrenen raus zuziehen. Mittels einfacher Stahlseile, die gefährlich an den Fahrzeugen Funken erzeugen. Als dies auch nicht mittels zweier Fahrzeuge und zig Anschieber*innen klappt, geben wir auf. Vermutlich wurde schwere Technik geordert, denn am nächsten Tag war der Unglückliche nicht mehr da. Mit Untergang im See rechne ich mal nicht.

ja, es ist wirklich salzig

Unsere erste Unterkunft ist direkt am Rande des Sees und auch aus Salz gebaut. Das feste zu Ziegeln zurecht gemachte Salz ist der Rohstoff für den Hausbau gewesen. Bei Coca-Tee, meist Mate genannt, und Kaffee und Keksen warten wir auf das Abendbrot und kommen ins Gespräch. Mit uns reisen drei Mexikaner*innen, wovon zwei aber eigentlich in Chile leben. Dazu kommt noch ein allein-reisender Spanier. Erstmals merke ich den Unterschied zwischen den spanischen Spanisch und dem hiesigen. Viele „s“ und „c“ werden, wie das aus dem Englischen bekannte „th“ ausgesprochen, aber in Südamerika meist wie ein „s“. Das ist deutlich zu hören und für mich ist das Spanisch des Spanier, der sich dann als Baske entpuppt, anfangs nur schwer zu verstehen.

Da es nachts sehr kalt wird, gegen Null Grad Celsius, aber ich in Südamerika noch nie einer Heizung begegnet bin, wird auch hier mittels Decken die notwendige Wärme erzeugt. Eine Untersuchung von Pippis nötiger schwerer „Deck-Last“ ergab eine Schichtung von mindestens neun Lagen, von denen mindestens fünf schwere Woll-Decken sind. So lies sich die Nacht auch durchstehen, aber für den Kopf empfiehlt sich trotzdem eine Wollmütze und ggf ein Halstuch.

Tag 2

Der nächster Tag beginnt sehr früh und als wir den Jeep besteigen, ist die Sonne erst frisch aufgegangen. Wir halten für diversen Lagunen. Manche durch Eis oder Salz etwas eingeschränkt. Viele werden von Flamingos bewohnt. Die stelzenden Vögel suchen mit dem Schnabel im Schlamm nach etwas zu essen. Einer der Seen ist stark rot gefärbt durch den starken Bewuchs einer rote Alge. Deren Rot führt erst zur Verfärbung der vegetarisch sich ernährenden Vögel. Ihr Fell ist zur Geburt erst weiß und grau und wird dann durch die Ernährung rosa. Es leben tausende in der Gegend und mindestens drei verschiedene Arten kommen zusammen. Sie wirken tatsächlich etwas unbeholfen, denn auch beim Start im Wasser helfen sie mit ihren dünnen Beinchen nach.

Moises zeigt uns auch einen aktiven Vulkan aus einiger Entfernung, aber mehr als sehr kleine Rauchschwaden sind nicht zu sehen. Auch Steinformationen besuchen wir, die von Kälte und Wind geformt werden. Ich klettere etwas herum, aber beeindruckend sind sie dann doch nicht. Unter dem Sand befindet sich noch Eis. Noch vor Ende des Tages kommen wir zum Nationalreservat Eduardo Avaroa und bezahlen für den Eintritt.

Große Teile des Nationalparks liegen auf ungefähr 4.000m. Trotz kaum Regen und 3 Grad Durchschnittstemperaturen, leben hier zig Tier- und Pflanzenarten. Im Nachgang habe ich erfahren, dass besonders der Geländewagen-Tourismus, über den wir auch den einzigartigen Platz genießen konnten, die Natur stark bedroht. Moises holt mit Äpfeln auch Viscachas aus ihren Versteck und innerhalb weniger Minuten sind ein Dutzend dieser „Hasenmäuse“ da. Auf den ersten Blick hielt ich sie für Hasen, aber sie sind (eher) Chinchillas.

Nach wenigen Metern kommen wir in eine kleine Siedlung, in der wir übernachten. Nochmal höher als in den letzten Nächten, muss jede offene Spalte an der Bettdecke vermieden werden, weil die Temperaturen unter den Gefrierpunkt rauschen.

Tag 3

Da es noch früher losgeht als Tags zuvor, erscheinen im Stirnlampenlicht die Eisblumen an den Fensterscheiben. Nur wenige Stunden gibt es Strom im Gebäude, wenn der Generator angeworfen wird. Das Frühstück ist deshalb noch die meiste Zeit im Dunkeln. Während der ersten Meter im Jeep frieren wir dann auch noch schrecklich und fürchten um unsere Fußzehen.

Eis-Formationen die sich an der Luft gebildet haben

Mit der aufgehenden Sonne erreichen wir ein Geysir-Feld. Mit ohrenbetäubenden Zischen entweicht Wasserdampf aus einem Bodenloch und reicht einige Meter über uns in die Höhe. Angesichts der Eisesskälte und dem höhenbedingt niedrigeren Druck – wodurch Wasser früher kocht als auf Meereshöhe – ist der Wasserdampf sehr gut zu sehen. Durch den stetig starken Wind fegt der Wasserdampf über die Hügel. An anderen Stellen gibt es auch blubbernde Pfützen oder kleine wasser-speiende Löcher im Boden. Es ist ein seltenes Schauspiel, dass ich zum ersten Mal als solches sehe.

Wir fahren weiter bis zu einem Thermalbad. Aus heißen Quellen gespeistes Wasser wird in kleinen gemauerten Becken an der frischen Luft gesammelt. Für die vereisten Füße ein großartiger Ort. Das Wasser ist angenehm heiß und der Ausblick magisch. Dampf steigt um uns auf und verdeckt die junge Sonne. Nur unterbrochen durch die Welle an Touris aus Geländewagen, die gerade den Platz bevölkert. Überschüssiges Wasser fließt über den Rand in einen großen See. Ein großartiger Augenblick. Auch hier hat Moises nicht viel Zeit eingeplant, sodass es ziemlich zügig weiterging.

Wir halten noch an einem klaren See mit dem größten Berg der Region im Hintergrund: den Licancabur. Schon er liegt an der Grenze zu Chile. Er ist knapp 6000m hoch. Wir fahren etwas weiter südlich an einen Grenzposten der gefühlt im Nirgendwo liegt, wenn nicht hunderte Menschen hier rumwuseln würden. Hier lassen wir die Mexikaner*innen zurück, die von hier aus direkt weiter ins nahe San Pedro de Atacama reisen.

Auf dem Rückweg halten wir noch in einem uninteressanten Dorf und zwischen Felsformationen. In der Gegend wird auch Borax in größeren Tagebauen abgebaut. Eigentlich einigt uns alle das Gefühl schnell zurückzukommen, aber es müssen acht Stunden Fahrt nach Uyuni überwunden werden. Wir halten aber auch für Alpacas, Lamas und Vicuñas. Alles sind Lama-ähnliche Tiere und ihre Wolle wird genutzt. Wobei Lamas die günstigste Wolle, die Alpaca teurere und die Vicuñas die teuersten Fasern liefern, wodurch auch letztere sehr bedroht sind. Ein Paar Socken aus Vicuña-Wolle kann dann über 800€ kosten.

Ziemlich geschafft, wirft uns Moises dann in Uyuni wieder vor der Agentur aus seinem Jeep. Er fährt weiter zu Frau und Sohn, aber wird am nächsten morgen mit neuen Reisenden wieder mit seinem Wagen aufbrechen. Nur selten hat er mal einen Tag frei. Zeit für seine Familie in Uyuni.

Uns hält nix mehr hier, wir haben andere Pläne.