Sep 13 2018

Die Odyssee zum Strand

Von Karl

 

Vor kurzem bin ich von einem befreundeten Peruaner gefragt worden, was ich denn vermissen werde, aus Lateinamerika, wenn ich zurück in Deutschland bin. „Vida sin Planes“ Das Leben ohne Pläne. Das ganz spontane Leben. Unbemerkt hat sich dieser Lebensstil eingeschlichen und als ich in Machachi aufbreche merke ich ganz deutlich, dass ich ihn schon lebe und erst später lerne ich ihn in Worte zu fassen. Kurz gesagt: Auch gut.

Ich geh also zur Panamericana, der Hauptachse Ecuadors, die auch direkt durch den Ort geht und stelle mich auf die richtige Straßenseite. Kaum hab ich den Rucksack abgestellt, blinkt mich auch schon ein großer Reisebus an. Eigentlich will ich nach Riobamba, aber dieser fährt nur bis Ambato. Auch gut. Ich spring schnell in den gewohnt ungeduldigen Bus. Ich denke ich müsse viele Umsteige machen, aber schon in Ambato finde ich wieder erwartend mehrere Verbindungen an die Grenze nach Peru. 10 Stunden fahrt. Auch gut. Leider bedeutet dies gegen 11:30 nachts im Zentrum von Huaquillas herauszupurzeln. Als einziger. Doch wie immer, steht auch hier schon direkt ein Taxifahrer bereit. Auch gut. Ich will verhandeln, er will nicht. Komisch. Erst später erfahre ich, dass es festgelegte Preissätze gibt.

Also rein ins Taxi, raus aus der Stadt, den kühlen Fahrtwind in der Hand, zurück auf die Panamericana, die am Ort vorbei zur Grenze führt und direkt zur Grenzbehörde Ecuadors. Er könne nicht nach Ecuador fahren, ich solle einfach dort warten. Dann bekommt bestimmt mal ein Taxi. Ich schau mich um. Zur Zeit sehe ich kein Taxi weit und breit. Auch gut. Ich hol mir also den Stempel für die Ausreise. Draußen wurden große Wasserspender aufgebaut, vermutlich vom Roten Kreuz oder den Vereinten Nationen wegen den vielen flüchtenden Venezolaner*innen. Aber auch ich kann mein Vorrat auffüllen. Gerade kommen nicht mehr so viele, weil seit neusten Ecuador die Vorlage eines Reisepasses verlangt und den haben die meisten nicht.

Ich suche also eine geeignete Wartestelle und hab kaum mein Rucksack abgestellt, kommt ein Taxi angeschlichen. Ab geht‘s nach Peru. Ich frag den Fahrer ob er die Nordküste Perus kennt und was er empfehlen kann. Er meint Mancora wäre das beste. Wenn er das sagt, musst das ja gut sein. Jetzt hab ich auch ein Ziel. Auch gut. An der Grenzbehörde Perus hol ich mein Einreisestempel und mische mich unter die wartenden Venezolaner*innen. Schnell werde ich von einem Taxifahrer identifiziert und mir direkt eine Fahrt nach Tumbes angeboten. Da will ich auch hin, aber erst nach mehrmaligen Wiederholen begreift er, dass ich die übliche Sammel-Taxi-Variante möchte. Das heißt, wenn alle Sitze belegt sind, fahren wir los und dann wird der Gesamtpreis geteilt. Es ist gegen 1 Uhr nachts. Das Warten beginnt. Auch gut. Nach einer halben Stunde wird ihm das zu viel und ich muss mein Rucksack wieder ausladen. Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Enttäuschung umso größer ist, je größer der Eifer war als er mich als vermeintlich reichen Ausländer aufgelesen hatte. Das ich aber nicht mehr zahlen möchte als jede*r andere, scheint ihn zu frustrieren. Auch gut.

Irgendwann kommt dann eine Peruanerin, die es eilig hat. Ich argumentiere so lange, dass ich es nicht eilig habe und ja warten könne, bis die Frau bereit ist, 5 der 10 Dollar zu bezahlen. Anfangs sollte ich noch 7, 6 und dann 5,70 bezahlen.

Es geht los, aber ich denke, dass ich vielleicht doch einen anderen Weg hätte wählen sollen. Der Fahrer ist extrem müde und das Auto kommt mehrmals verdächtig nahe an die Ränder. Ich such den Sicherheitsgurt. Diesmal ist einer da. Diesmal. Auch gut. Mal wieder geraten wir in eine Polizeikontrolle und zum ersten Mal in Südamerika werde ich auch zum Thema. Als sie aber mein verschnürrten Rucksack sehen, belassen sie es dann doch bei der Frage ob ich Drogen dabei habe. Auch gut. Während die Peruanerin einmal komplett durchwühlt wurde.

An einer Busfirma haut uns der Fahrer raus und ich bekomm‘ ein Platz im Bus gen Lima. Noch mitten in der Nacht hält er in Mancora und ich steh an einer Straße mit ein paar Moto-Taxen, diesen dreirädigen überdachten Motorrädern. Erst versuchen wir es bei dem bekanntesten Hostel nebenan, aber die sind voll und zudem im Partyfieber. Dann werden mir direkt sämtliche Drogen angeboten. Ich finde dann eine Unterkunft und zum ersten Mal eine mit Pool. Auch gut.

Der Typ an der improvisierten Rezeption erklärt mir gar nix und die nächsten Tage bleiben schleierhaft. Ich genieße den nahen Strand.

Wirklich nur eine Minute entfernt. Ist das Wasser ruhig sind hunderte Seesterne im Wasser. Mehrmals gehe ich in die schönen Fluten. Als der Wind aufdreht kommen die Kite-Surfer*innen. Doch die Wellenreiter*innen bleiben draußen. Das kühle Wasser bleibt wunderschön. Gebaut wurde in der Touri-Hochburg bis an den Strand und nur bei Ebbe sind alle Bereiche miteinander verbunden. Die Preise in den Läden sind seeseitig der Hauptstraße gepfeffert. Schnell ist mensch aber auch rausgelaufen aus dem Ort und findet ruhige Stellen mit Dünen und tollem Sonnenuntergang. Im Meer schauckeln Fischerboote, die nächste Einnahmequelle in der Region. Ansonsten bleibt hier nur noch Wüste.

 


Jun 5 2018

Work and Travel

03. Juni 2018
Huancayo
von Karl

Wir sind relativ gewöhnlich mit dem Bus über Nacht nach Ayacucho gekommen. Gut, die Strecke ist etwas länger, sodass es schon fast Mittag war. Anderen Peru-Reisenden kann ich da die Busfirma „Movil“ sehr empfehlen. Größere Sitze, Verpflegung, Klimaanlage. Eine Stewardess hat Frühstück und Abendbrot ausgegeben, was angesichts der Serpentinen eine Meisterleistung ist. Da ist Flugzeug-Stewardess ein Kinderspiel dagegen.
Wir haben einen Couchsurfer, der sich mit uns am Plaza Santa Ana treffen möchte. Wir nehmen vom neuen Terrapuerto aus ein Taxi. Wir nehmen oft Taxis, weil die Strecken oft lang und Taxis nicht teuer sind. Für eine Stadtfahrt sind vier bis acht Sol normal, das sind eins bis zweieinhalb Euro. Auf längeren Strecken gibt es oft Taxis die erst dann los fahren wenn sie voll sind, sodass der Preis geteilt wird.
Am Plaza Santa Ana warten wir über eine Stunde und rufen dann einen anderen Couchsurfer an, der uns auch aufnehmen würde. Wieder müssen wir einmal durch die Stadt und werden tatsächlich aufgelesen, allerdings nicht von dem Couchsurfer sondern von dessen Mutter oder Oma. Die ältere Frau führt uns in ihr kleines zu Hause mit etwas Garten und ein paar Wellblechverschlägen. Nun erklärt sie uns, dass wir arbeiten müssen. Entweder die Küche neu gestalten, Die Mauer an der Straße streichen und mit Bilder verzieren oder einen Holzzaun streichen und verzieren oder Gärtnern. Das Zimmer in dem wir schlafen sollen ist vollgestellt bis unter die Decke.
Wir erklären ihr, dass wir schon Arbeit haben und dass wir Texte schreiben und Photos machen können, aber nicht malern. Sie bietet uns an, für den Verschlag zu zahlen. Wir lehnen ab und suchen eine Unterkunft in der Nähe. Wir sind enttäuscht, dass wir gar nicht mit dem eigentlichen Kontaktmenschen zu tun hatten und hier andere Erwartungen an uns gestellt wurden.
Unser erster Couchsurfer hat sich bei uns gemeldet, und wir fahren erneut am nächsten Tag zum Plaza Santa Ana, wo uns mittlerweile die Schulkinder kennen. Wir rufen ihn an. Versprochene fünf Minuten später erscheint – nicht der Couchsurfer, sondern – sein Vater. Über staubige steile Wege geht es an den Stadtrand Ayacuchos, bis wir wieder in einem Hanggarten mit Holzhäusern und ein paar Verschlägen landen. Der Vater erklärt uns, wo wir überall mitarbeiten könnten und wo Hilfe gebraucht wird. Diesmal gehen wir einfach nicht darauf ein.
Wir können ein Zimmer beziehen was aus einem Bett und einer Holzbank besteht. Die Mauern sind unverputzt und der Boden Beton. Die Toilette ein Holzverschlag mit Loch im Boden. Dusche gibt es nicht. Am gleichen Tag reisen zwei Deutsche ab. Wir sprechen etwas mit Ihnen und erfahren so mehr über die Familie. Sie haben einen Monat dort gelebt. Die Familie kauft Alpaca-Wolle auf dem Markt ein, färbt sie mit Chemie, webt diese dann mit den eigenen stromlosen Webstühlen und macht daraus Taschen, Kissen oder allerlei Kram. Lisa und Marten haben etwas mitgeholfen. Also eher Lisa, weil Marten erklärt, er habe eher nur ausgeschlafen, Yoga auf dem Dach gemacht und dann Essen gekocht. Wir können nicht verstehen, was so toll an einem so armen Leben sein soll und beschließen schon einen Tag früher aufzubrechen. Aber eine Nacht bleiben wir.
Jimmy, unseren eigentlichen Couchsurfer, bekommen wir zufällig auch zu sehen, aber eher als Randnotiz. An unseren Abreisetag hilft er uns aber noch sehr. Mein Laptop-Bildschirm hat einen Sprung bekommen und das Filme schneiden ist dadurch sehr eingeschränkt möglich. Teile des Screens sind nur noch schwarz. Jimmy arbeitet in einem Computer-Laden und wir suchen ihn dort auf. Er führt uns in eine Hinterstube und dort sitzen die erhofften Bastler. In nicht einmal einer Stunde repariert ein relativ stummer Kollege den Laptop und ich verlasse freudestrahlend den Laden.
Daraufhin gönnen wir uns eines der typischen peruanischen Menüs. An vielen Stellen gibt es kleine Restaurants die für alle Tageszeiten Menüs bereit halten. Immer gibt es eine Vorsuppe und ein Getränk und der gewählte Hauptgang. Unser Renner ist Arroz a la Cubana. Ein Menü kostet meist um die fünf Sol, also eineinhalb Euro.
Wir bringen der Familie noch Äpfel und Bananen vom Markt mit und verabschieden uns zum Nachtbus nach Huancayo.