Auch Waffen?

25,85517° nördliche Breite

51,63847° westliche Länge

05.April 2018

Es hat sich viel geändert über die Tage auf See. Vor einer Woche sind wir noch in der Nacht losgedampft. Nachdem es tagelang nass und kalt war. Hoher Seegang und steifer Wind. Ich konnte mich mit meinen Körper schräg in den Wind stellen ohne umzufallen. Saß ich nun im T-Shirt nach Sonnenuntergang draußen. Das Meer ruhig, kaum Bewegung im Schiff. Wir sind jetzt im Sargasso-Meer, ein Teil des Atlantiks, der eher ruhig ist.

Erst jetzt fällt mir auf, wie krass der weite Blick ist. Endlos weit. Wo kann ein Mensch soweit zum Horizont sehen, wenn nicht von einem Schiff, um das herum auf tausende Kilometer Entfernung keine Küste ist. Jede große und kleine Wolke ist zu erkennen. Scharf und dunkel stechen sie vor dem Abendrot hervor. Es ist eher ein Abend-Orange. Aber in seiner Breite unglaublich unbegrenzt. Durch kein Berg, kein Haus, noch nicht mal ein Hügelchen, verdirbt die Sicht.

Schon langsam schälen sich Sterne aus dem dunkler werdenden Blau hervor. Die hellsten zu erst. Wenn es dann richtig dunkel ist und die Augen sich daran gewöhnt habe, dann beginnt der Himmel 3D zu werden. Es ist ein Schauspiel was ich nur von langen Seefahrten kenne. In Städten und auch in hunderten Kilometern Nähe ist die Lichtverschmutzung immer noch so immens, dass der Sternenhimmel sich nicht vollständig entfaltet. Hier aber, gibt es unzählige Sterne, Abermillionen, die den selten Eindruck verleihen auch vor- und hintereinander zu sein. Der Himmel erscheint in 3D. Es ist – glaube ich – leider kaum vorstellbar, wenn mensch es nicht erlebt hat.

Ich merke auch, dass ich mich hier eingelebt habe. Drei Mal am Tag stopfen wir uns voll, und beschäftigen uns dann wieder. Mit dem einen Opa spiele ich nun seit Tagen Schach, was mich echt herausfordert, weil er ziemlich gut ist. Zum Teil kann er nicht einmal den Läufer vom Bauern unterscheiden, gewinnt aber trotzdem in einer Tour. Eine Partie dauert auch mal über zwei Stunden. Schweigsam kombinieren wir abwechselnd sämtliche Möglichkeiten des Gegners um dann festzustellen, dass die hundertvierundfünfzigste von mir nicht betrachtet wurde. Während der Partie vor dem Abendbrot kommt dann auch die fast tägliche Durchsage, dass nachts die Uhren um eine Stunde zurückgestellt werden.

Gestern sind wir auch mal in den Keller gestiegen. Der Chief Engineer hat auf unsere Nachfrage hin eine kleine Führung gegeben. Mit einer irren Geschwindigkeit sauste er mit uns dadurch. Noch Fragen? Gut. Tschüss. Der Maschinenraum ist nochmal vier oder fünf Stockwerke tief mit zig Maschinen. Im Herzen befindet sich eine Wärtsilä-Maschine die den Propeller antreibt, der etwas größer ist, als die meisten Menschen mit ausgebreiteten Händen fassen können. 150 Tonnen Schweröl verbraucht das Schiff zurzeit pro Tag. Wir fahren mit 20 Knoten, was umgerechnet 37 km/h sind. Grad genug um in der 30er-Zone geblitzt zu werden. Im Maschinenraum ist es sehr warm und es riecht nach Öl. Viele gelbe Leuchten erleuchten die verwinkelten Metalltreppen, Ebenen, Räume und Brücken. Das Schweröl muss vor dem verbrennen auch erhitzt und unter Druck gebracht werden. Viele der Maschinen gehen auch über mehrere Stockwerke. Von einer Art Kommandozentrale aus, überwachen und steuern die leitenden Ingenieure die Maschine. Jede Kleinigkeit können sie einsehen, bis hin zu Temperatur und Druck in jeden einzelnen Zylinder. Von der Maschine aus kommend sieht mensch als erstes den gut 40 Meter langen grünlichen Schaltschrank. Davor ein nur etwas kürzeres Schaltpult inklusive einiger Bildschirme und Laptops. Vom Gang zwischen Schrank und Pult aus, wacht der diensthabende Ingenieur. Vermutlich Ukrainer, zumindest verrät dies eine riesige Flagge an der Wand. Neben der Hauptmaschine, die für die Fortbewegung nötig ist, gibt es weitere die den Strom liefern. Es gibt unzählige Seitenräume, deren Funktion ich nicht immer verstand. Sogar eine kleine Werkstatt gibt es. Wie gesagt, riesig!

In den Gängen und im Zimmer hängen dutzende Bilder von CMA-CGM-Schiffen, insbesondere von den größten Container-Schiffen. Interessant ist, dass die natürlich festgeschraubt sind, wegen des Seegangs. An Info-Tafeln hängt der Wachplan von der Brücke, eine Übersicht über die Crew und Meldungen von der Reederei. Dieses Jahr sind in Ostasien schon Container von CMA CGM über Bord gegangen und andere schwer beschädigt worden. Auch gab es eine Kollision mit einem Fischerboot aufgrund zu hoher Geschwindigkeit.

Die Entwicklung der Container-Schifffahrt tendiert aber zu langsamer, größer und effizienter. Maersk, ein großer dänischer Reeder, nimmt Schiffe in Betrieb die über 20.000 Container tragen und langsamer fahren um Sprit zu sparen. Zwei-Propeller-Zweitakt-Motoren die langsamer drehen sollen effizienter sein und das Abgas wird noch genutzt um ein Turbine anzutreiben. Die Maschine wird soweit wie möglich achtern angebracht, aber das Deckshaus steht am Ende des vorderen Drittels. Damit ist die Sicht besser und es können auch vorne mehr Container geladen werden. Bis zu 10 Container stehen dann an Deck übereinander. Allerdings können die Riesen-Frachter nun nicht mehr jeden Hafen anlegen. Manche Schiffe können in Europa dann nur noch im neuen Hafen von Rotterdam anlegen. Das größte Container-Schiff, die OOCL Hongkong, kann in Deutschland nur am JadeWeserPort festmachen.

Unser Frachter ist da ein Spielzeug dagegen. Mittlerweile kann ich einige Offiziere zuordnen und bekomme ein Gefühl wer wer ist. So dann habe ich mal den erfolgversprechendsten unter den Offizieren gefragt, was wir denn eigentlich in unseren Containern transportieren. Er sagt, er weiß es und grinst. Wir warten gespannt. Alles. Das heißt? Von Früchten über Shampoo bis zu Fahrzeugen, einfach alles mögliche. Auch Waffen? Kann sein.


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