Apr 12 2018

Der Hafen des Hafens von Spanien

10,93849° nördliche Breite

61,05054° westliche Länge

10. April 2018

Kurz vor dem Sonnenaufgang meldete sich mein Handy mit einem lauten ‚Bling‘. „Willkommen in Trinidad und Tobago. Anrufe kosten …“ Ich steh auf. Links und Rechts erheben sich große grüne Landmassen mit Wolken darüber. Ich vermute Regenwald. Steuerbords beginnt Venezuela. Vollständig mit Regenwald bedeckt. Backbord eine große Landzunge der Insel Trinidad. Die Größere der beiden, die zusammen Trinidad und Tobago bilden. Wir umfahren die Landzunge und nehmen Kurs auf Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad und Tobago. Vorbei an Öl-Bohr-Schiffen, Container-Schiffen, Seglern und sogar einer Erdöl-Förder-Plattform. Jemand meint, die ist letztes Jahr außer Betrieb gegangen.

Port of Spain liegt am Fuße eines grünen Gebirges und wird zudem von einer Moor-Landschaft im Süden und dem Meer im Westen begrenzt. Sie dehnt sich im Zentrum deshalb in die Höhe aus, aber viel stärker nach Osten. Vielleicht kann mensch hier günstig Geld verstecken, denn die Türme scheinen alle irgendwie Finanzunternehmen oder dem Finanzministerium zu gehören. Wir legen zwar schon gegen 9 Uhr an, aber die Freigabe, das Schiff verlassen zu können, gibt‘s erst ca. zwei Stunden später. Ausgestattet mit langer Hose und Leucht-Weste, so ist es vorgeschrieben, marschieren wir Passagiere von Bord. Natürlich ist es drückend heiß und die Sonne knallt.

Im Hafen fahren kleine Zwölf-Sitzer als Shuttle. Es ist übrigens Linksverkehr mit Rechtslenkern. Wir steigen auf und kommen somit zum Hafenein- und -ausgang. Anders als in Philipsburg interessiert sich hier die Polizei für unsere Ausweise und stellt fest, dass noch Stempel fehlen. Wir müssen unverrichteter Dinge wieder zurück. Ein Gespräch mit dem Chief Officer bringt uns auch nicht weiter. Er verspricht uns, dass er nochmal mit der*m Hafenagent*in telephoniert und wir sollen es nach dem Mittag nochmal versuchen.

Das Renten-Quartett lädt mich indessen in den Aufenthaltsraum ein. Überrascht packen sie Whisky, Chips und Mangosaft aus. So verbringen wir den Vormittag. Nach dem Mittag fragen wir den Chief Officer nochmal und nun soll alles in Ordnung sein. Am Tor werden wir sogleich durchgewunken.

Schon nach hundert Metern stehen wir im Hochhauswirrwarr. Ich traue meine Augen kaum, aber unmittelbar neben uns stehen knapp einhundert Menschen mit Regenbogen-Fahnen, Schildern, bedruckten T-Shirts, bunten Haaren und vielem mehr. Eine Demo für LGBTIQ-Rechte, direkt vor dem Parlament. Wir schauen uns das näher an und werden dafür von einem Polizisten freundlich über die Straße geführt. Wir bezeugen unser Wohlwollen. „Da muss ich ein Bild meiner Gewerkschaft schicken“, meint eine Quartett-Rentnerin. Langsam ziehen sie weiter, während noch manche Statements und Interviews den anwesenden Kameras und Mikrophonen geben.

Wir schlängeln uns durch die verschiedenen Straßen der Stadt. Vorbei an Hochhäusern, kolonialen Kirchen und dann in belebte und quirlige Stadtteile. Immer wieder kommen Menschen an uns vorbei, die uns einen schönen Aufenthalt wünschen oder einen schönen Tag. Freundlich sind viele und einige Vorurteile muss ich abbauen. Besonders als ich an einem Eingang zu einem Park einen älteren Mann begegne. ‚Der will bestimmt nur mein Geld‘, denke ich bei mir und weiche ihm aus, doch er sagt „Sie können gern reingehen, der Park ist schön“.

Wir laufen weiter in den Ostteil und finden sehr belebte Straßenzüge mit vielen Geschäften. Nach drei Kreuzungen hält ein Auto an und empfiehlt uns umzukehren. Die Gegend sei nicht sicher. Ein anderer Mann spricht eine Quartett-Rentnerin an und empfiehlt ihr die Kette nicht offen zu tragen. Das Renten-Quartett sieht tatsächlich aus wie mensch sich vier europäische Touris im Alter von ca. 60 Jahren vorstellt. Beige Kleidung, Kameras, Videocams und sogar Fernglas umhängend, kleine Rucksäcke, jede*r ein Basecap, die Paare streiten gern und langsamer Schritt. Zu allem Überdruss steuern sie auch ins erstbeste Souvenir-Geschäft. Es ist dann aber auch das einzige, welches wir sehen, genauso wie wir offensichtlich die einzigen Touris in ganz Port of Spain zu sein scheinen.

Im Souvenir-Geschäft gibt es auch die Steel-Pans oder zumindest Steel-Pan-Souvenire. Zu Kolonialzeiten haben die britischen Kolonialherren der Bevölkerung das Trommeln verboten, was aber in der Bevölkerung gewisse Tradition hat, von denen die meisten Nachfahren der von Europa verschleppten Sklaven sind. Daraufhin begannen sie auf Ölfässern zu trommeln, die es dank des Hafens zu Hauf gibt. Über die Jahre entwickelte sich daraus ein eigenes Instrument, das Steel-Pan. Dieser Akt des Widerstandes machte das Steel-Pan zum Nationalinstrument.

Wir suchen nun andere Stadtteile auf, die einer Mischung aus südenglischer Kleinstadt und toskanischen Küstenstadt gleichen. Weiße meist eingeschössige Familienhäuser reihen sich hier aneinander. An der Hauptstraße gibt es unzählige Essens- und Trink-Gelegenheiten, von denen wir dann auch eine finden, in der wir Bier, Cocktails und Abendbrot genießen. Zu Preisen, die einen erstaunen lassen. Auf Trinidad und Tobago gilt der Trinidad-and-Tobago-Dollar oder kurz TT-Dollar. Der Wechselkurs beträgt ungefähr acht TT-Dollar für einen Euro. Ein Bier kostete im reicheren Stadtteil an der Bar ca. 4 TT-Dollar. Da werden es dann doch mehr als nur ein Bier und schon zur frühen Nachtstunde geht es zurück zum Schiff. Ein letztes Mal steigen wir auf das Schiff, bevor wir in Cayenne aussteigen werden.

Über dem Hafentor steht übrigens – ohne Witz – „Port of Port of Spain“.