Okt 10 2018

Surfbrett statt Steigeisen

von Karl

 

Wer sich noch daran erinnert: In Machachi ist das Cotopaxi-Projekt kurz vor knapp gescheitert und nun folgt ein anderes: Surfbrett statt Steigeisen. Gerade eben habe ich völlig überraschend eine günstige Bleibe direkt am Strand gefunden. Mein Rucksack habe ich im Zimmer abgelegt und nun nehme ich die letzten Stufen runter an den verlassenen breiten Strand. Rechts kommt irgendwann eine Seebrücke und Fischerboote. Auf dem Meer stehen zig Erdölplattformen. Der Strandhang ist besiedelt mit flachen Häusern und einige davon für den wenigen Tourismus der nach Lobitos kommt. Links endet der Strand in Sandsteingebäuden. Etwas versteckt stehen Erdölspeicher und -pumpen, die sich beharrlich immer gleich bewegen. Auch hier setzt sich das trockene Geld vom Strand ins Hinterland fort. Es ist windig und trocken.

Die Wellen rollen nur leicht und nur links brechen sie schön. Eine kleine Bude am Strand verspricht Surfbretter und ich wage mich langsam heran. Zwei andere gehen gerade als ich komme. Im Häuschen scheint niemand zu sein, aber dann springt doch ein Mann aus der Hängematte und grinst mich an. Er gibt mir – als Anfänger – ein altes Brett und einen alten Neopren-Anzug. „So lange du Spaß hast“ ist seine letzte Antwort, als ich frage, wie lange ich im Wasser bleiben kann. Jackpot, denke ich.

Mit mir sind einige aus dem Hostel mit ihren Brettern ins Meer gekommen, sodass die wenigen funktionierenden Stellen durch die Profis belegt sind. Ich paddel mich um die Gruppe und setze mich im untiefen Wasser und finde langsam aber sicher die Wellen, die ich so lange vermisst habe. Die die sich so langsam und friedlich aufbauen. Vor denen ich mit aller Kraft fliehe. Die mich vom Heck her anheben und zum schnellen Gleiten bringen. Mit dem Beginn des Gleitens, beginnt die Welle auch zu brechen und ich kann immer weiter und weiter rutschen.

Immer wieder komme ich in das traumhafte Gefühl, während immer weniger Menschen im Wasser mit mir um die wenigen schönen Wellen konkurrieren. Die Sonne geht langsam gen Horizont. Dann ist es soweit. Ich stehe, selbst etwas überrascht, etwas länger auf dem Brett. Stabil surfe ich vielleicht fünf bis zehn Meter. Ein erstes Mal. Die Kraft die vom vielen Paddeln geschunden ist, ist wieder da, als wenn noch keine Stunde vergangen wäre. Die steife Brise, die mir die Gischt ins Gesicht schlägt, macht mir gar nix, denn ich will wieder hinter die Schaumkronen um den nächsten Ritt zu wagen.

Erst als mit den Abendstunden die Wellen ruhiger und die Sonne oranger wird, denke ich an den Kerl, der auch irgendwann Feierabend machen möchte. Er interessiert sich nicht für mich und ich lege ihm seine Sachen zum Trocken vor seine Hütte. Wo schon alle anderen liegen. Vom Sandsteinfels aus sehe ich einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang.

Hierhergekommen bin ich von Talara. Einer Kleinstadt an der Küste, die allerdings größer zu sein scheint, als viele der Kleinstädte hier. Dort liegen viele alte Fischerboote trocken und die Erdölindustrie scheint das Geschäft übernommen zu haben. Kleinbusse pendeln zwischen Talara und Lobitos. Die weißen oder silbernen Neunsitzer fahren nur zwei Blocks von EPPO entfernt ab. EPPO bedient alle Orte zwischen Mancora und Piura mit sehr kurz getackteten Bussen. Ich hab nie länger als 10 Minuten gewartet.

Von Mancora kommend habe ich noch einen Zwischenstopp in Los Órganos gemacht, aber die Stadt schien mir zerfallen. Sie hat es gewollt, aber nicht geschafft. Keine Menschen auf der Straße. Nix was mich da behalten hätte. Nach einer Stunde bin ich weiter gefahren.

Lobitos hat keine Infrastruktur und der günstige Hostelpreis wird versucht über ein teures Restaurant wieder reinzuholen. Ich fahr lieber zurück nach Talara und weiter nach Piura.