Mrz 22 2019

Weltberühmte Wassermassen

Von Karl

Ciudad del Este / Puerto Iguazú

Wir erreichen Ciudad del Este, zu deutsch „Stadt des Ostens“, am späten Abend. Wir können um 7 noch den letzten Bus nehmen, der uns ins argentinische Puerto Iguazú bringt. Beide Städte und auch das brasilianische Foz do Iguaçu sind die jeweiligen Grenzstädte im Dreiländereck von Paraguay, Brasilien und Argentinien. Wir steuern den argentinischen Teil an, weil er der beste und günstigste Ausgangspunkt für unsere Unternehmungen ist. Zwischen den Busbahnhöfen der Städte verkehren tagsüber stündlich Busse.

Die Busse zwischen Paraguay und Argentinien müssen zwar auch durch Brasilien durch, halten dort aber nicht an. Für die Grenzformalitäten hält der Bus, weil aber wegen des Staatenverbundes „Mercosur“ für die Einreise in Paraguay den Einheimischen kein Migrationsprozess verlangt wird, lässt der Bus einen da höchstens raus, wartet aber nicht unbedingt. Das sollte bedacht werden, sonst gerät mensch illegal nach Paraguay. Argentinien führt in beide Richtungen Grenzformalitäten durch und der Bus wartet.

Ciudad del Este gilt gemeinhin als große Schmuggelstadt und nimmt sich wie ein riesiger Marktplatz aus. Bis Nachmittags kann alles mögliche gekauft werden und vieles orientiert sich am oder an der brasilianischen Kunden oder Kundin. Besonders Elektronik-Waren scheinen der Renner zu sein. Im Grenzbereich drängen sich die Verkaufshochhäuser.

Die imposante und riesige Freundschaftsbrücke überspannt den Grenzfluss. Die Flüsse schneiden ziemlich tief ins Tal und deswegen entstehen weite Ausblicke bei der Überquerung.

Puerto Iguazú ist die wohl kleinste der drei Städte und ist besonders auf den Tourismus ausgerichtet. Erwähnenswert scheint mir noch, dass es eine Punkt gibt, von dem der Grenzpunkt der drei Länder, also der Zusammenfluss von Rio Paraná und Rio Iguazú besichtigt werden kann. Jedes der Länder hat eine große Säule mit den Landesfarben aufgestellt.

Teufelsrachen

Wie so viele Gäste der Region strömen auch wir zu einen der wohl bekanntesten Hightlights der Region: den Iguazú-Wasserfällen. Wir reihen uns ein und müssen mal wieder den teuersten Preis bezahlen der angeschlagen ist. Mit argentinischer Staatsbürgerschaft wäre ich beispielsweise deutlich günstiger reingekommen.

Auf den ersten Meter beeindruckt schon die Natur. Grüne Bäume umschlingen sich in friedlicher Umarmung und Holzwege führen uns durch dessen Mitte. Viele wählen die Parkeisenbahn. Auffällig viele Nasenbären leben zudem in der Gegend. Es ist fast schon unmöglich weniger als hundert von ihnen zu begegnen. Sie spielen und tollen und haben sich an das Dasein der Menschen schon ziemlich gewöhnt. Sie erscheinen zwar sehr niedlich, sind aber leider auch sehr aggressiv, wenn es darum geht Beute zu machen. Es gibt auch Gruppen von kleinen Affen. In Hab-Acht-Stellung beäugen sie die aufgeregte Meute mit ihren Selfi-Sticks die versucht möglichst tolle Photos zu machen und immer näher kommt.

Stück für Stück nähern wir uns dem eigentlichen Ziel, den Wasserfällen. Aus großer Entfernung können wir sie dann endlich sehen. Auf über zweieinhalb Kilometern Breite fällt der Rio Iguazú über sechzig Meter in die Tiefe, wobei mehrere Inseln den Fluss in verschiedene große und kleine Fälle spaltet. Direkt zwischen uns und den Fällen liegt auch eine größere hohe Insel, die der sich fortsetzende Fluss umschlängelt. Egal an welchen Punkt der Fälle wir gelangen, so bleibt es schier beeindruckend wie viele Wassermassen sich hier einfach ergießen. 7.000 bis 15.000 Kubikmeter sollen es je nach Jahreszeit sein. In der Nähe der Fälle ist es zudem sehr laut und feucht. Winzige Regentropfen schießen aus dem Schoß und bieten die Leinwand für bunte Regenbögen.

Von den oberen Aussichtspunkten aus wirkt der Rio Iguazú sehr ruhig. Nichts deutet in diesen Momenten darauf hin, dass der Fluss gleich in ungeheuerliche Tiefen vorstoßen wird. Wer also mit dem Floß oder Boot sich von oben nähert wird wohl erst kurz vorher überrascht und dann Indiana Jones mäßig hinabrauschen. Heutzutage sind die Holzstege, über die wir an die Oberlauf-Aussichtspunkte gelangen, wohl ein wichtiges Zeichen, um den Wasserfall rechtzeitig zu erkennen.

Der Höhepunkt dieser Anlage liegt am weitesten entfernt. Nach einer Wanderung mehrerer Kilometer gelangen wir, vorbei an bunten Schmetterlingsgruppen, an einen weiteren Holzsteg. Erneut geht es über den ruhigen breiten Fluss hinweg von Flussinsel zu Flussinsel. Etwas überrascht betrachte ich die ziemlich durchnässten Touris die mir entgegen kommen. Dass sie in den Fluss fielen, halte ich für ausgeschlossen, aber so wirken sie. Ein Schmetterling setzt sich auf meine Schulter ab, während ich weiter dem Holzsteg folge. Erneut passieren wir eine Flussinsel und als die Baumwelt wieder zurücktritt, öffnet sich das Panorama auf eine riesige U-förmige Einbuchtung. Den Teufelsrachen.

Bis wenige Meter vor dem Abfall führt uns der Steg an den Teufelsrachen heran. Der aufsteigende Wassernebel kriecht bis in die hinterletzten Ecken meines Beutels und meiner Kleidung. Die Brille trocken zu wischen, scheint mir sinnlos. War es schon vorab beeindruckend, so übertrifft der Anblick dieses Teiles die vorangegangenen um ein Vielfaches. All das Wasser scheint in einem weißen Nichts aus Nebel zu verschwinden. Einfach verschluckt. Auf diesem weißen Wolkenboden erwächst ein stolzer Regenbogen. Ein zeitloser Regenbogen. Ich habe das Gefühl weich zu landen, sollte ich in die unendliche Tiefe springen. Irgendwo zwischen Wolke sechs und acht. Schier endlos rinnt das Wasser in ungeahnter Menge in den Rachen des Teufels.

wie ein gewöhnlicher Staudamm

Leider trennen sich nach dem Besuch des wunderbaren Naturspektakels wieder die Wege von Rosa und mir. Ich hab mir noch ein weiteres weltbekanntes Projekt vorgenommen und mache dafür eine Tagesreise zurück nach Ciudad del Este. Die Stadt heißt übrigens erst seit 1989 so, vorher war sie nach dem deutschstämmigen Diktator benannt, der – ähnlich wie viele Nachbarländer – auch in Paraguay Linke verfolgte und vor der Strafverfolgung sich versteckende deutsche Nazis einen Unterschlupf bot. Der wohl bekannteste Flüchtling in Paraguay war Josef Mengele.

Mit einem lokalen Bus fahre ich hinaus in die nördliche Nachbargemeinde Hernandarias und gehe zu Fuß zu „Itaipú Binacional“. In einem Besucher*innen-Zentrum, das angesichts des wenigen Andrangs als viel zu überdimensioniert sich ausnimmt, bekomme ich kostenlos eine Karte für eine Führung im zweitgrößten Wasserkraftwerk der Welt. Am Rio Paraná gelegen produziert das von Pararguay und Brasilien zusammen betriebene Kraftwerk Strom für beide Länder. Da die Auslastung der Turbinen oft höher ist, als am größeren Drei-Schluchten-Staudamm, ist die Jahresenergieproduktion Weltspitze. Über 100 Terrawattstunden wurden beispielsweise 2016 produziert. Der produktivste Kernreaktor, der an der Isar in Bayern arbeitet, schafft nur etwas über 12 Terrawattstunden.

Allein 2 der 20 Turbinen haben einen Durchsatz von 700 Kubikmeter Wasser, also dem des imposanten Iguazú-Wasserfalls. Vom weiten sieht der Damm aus, wie ein gewöhnlicher schon etwas in die Jahre gekommener Staudamm. Als wir mit dem Bus an den riesigen Turbinenrohren vorbei fuhren, merke ich, welche Dimensionen sich hier verstecken. 

Selbst der Bus erscheint winzig neben den Turbinen. Für eine Technik-Führung ins Innere hätte ich mich vorab anmelden müssen und das war mir vorab nicht bekannt. Es gibt übrigens auch Führung auf brasilianischer Seite, die sind aber nicht kostenlos. Angesichts dessen, dass ich einer von vielleicht zehn Interessierten war, konnte ich einen guten Platz wählen. Die Tour dauert schon eine knappe Stunde. Allein die Staumauer hat eine Länge von 7,7 Kilometern.

Unter den 100 größten Wasserkraftwerken der Welt stauen alleine 5 den Rio Paraná. 3 weitere sind in Planung oder Bau. Ich hatte auch in Asunción mich darüber unterhalten, zumal gerade im Sommer es ständig zu Stromausfällen kommt, die sich auch über einige Stunden ziehen können. Vielleicht fehlt es einfach an Leitungen. Gleichzeitig produziert Itaipú weitaus mehr als Paraguay verbraucht. Das Unternehmen verkauft lieber den Strom und zudem muss Paraguay noch seine Schulden aus dem Bau abbezahlen. Es erscheint mir sehr zynisch, dass mit Itaipú ein Name in der Sprache der Guaraní gewählt worden ist, obschon für den Stausee 40.000 Menschen, vor allem Guaraní-Indigene, umgesiedelt worden.

Von hier aus führte mein Weg zurück via Asunción bis nach Santa Cruz und wieder nach Asunción. Viel Zeit musste ich aufbringen um die Kreditkarten-Problematik zu lösen. Das sei hier nur nochmal erwähnt, damit ihr euch nicht wundert, warum ich dann im nächsten Artikel dort ansetze und nicht im Dreiländereck. Ich hab in den letzten Artikeln aber schon alles über die beiden Städte berichtet.