Mrz 20 2019

Meine neue Familie in Paraguay

Von Karl

Asunción, Paraguay

 

Schon mit meiner Ankunft lerne ich die Größe Asuncións kennen. Der Bus war viel früher am Ziel als gedacht und ich wurde entsprechend am Busbahnhof geweckt. Irgendwann frühs, vielleicht um fünf Uhr. Nun ist Asunción, oder einfach nur „Asu“ genannt, das Zentrum einer Agglomeration, die sich Gran Asunción nennt und noch einige weitere größere Städte zusammenfasst und ein größeres urbanes Gebiet bildet.
Mit einer Mischung aus Glück, Karte und Nachfragen schaffe ich es tatsächlich innerhalb von drei Stunden vor das Haus von Luzi, Frans Mutter. Ohne Taxi versteht sich, nur Busse. Nach zwei gesunden Stunden, die ich auf dem Sofa im Wohnzimmer verschlummerte, brachte sie Frühstück. Weißbrot mit Dulce de Leche und Kaffee.

Zu dem Zeitpunkt bin ich davon noch schwer beeindruckt, doch es ist nur der Anfang davon, dass ich sagen muss, dass die Gastfreundschaft in Paraguay außerordentlich ausgeprägt ist. Sie bekochte mich rund um die Uhr kümmerte sich fast pausenlos um mich. „Mein Haus ist dein Haus“ ist einer der wohl meist gehörten Sätze während dieser Reise und insbesondere in Paraguay. Dass ich nun Teil der Familie sei und ich so behandelt werde, erfahre ich auch.
Frans Schwester, Liz, samt Familie lerne ich die nächsten Tage auch kennen. Beide sind sie Bodybuilder*in und haben eine Tochter die wohl erst seit kurzem in die Schule geht. Zwei Geschwister leben oder arbeiten noch bei der Familie, doch ob sie Freundinnen oder Angestellte sind, kann ich schlussendlich nicht klären. Die ältere, sie mag vielleicht 20 sein, wird zur Stadtführung verpflichtet, was ihr aber nicht sonderlich viel Spaß bereitet, da nun Asunción nicht die klassische Stadt dafür ist. Hinzu kommt, dass sie nur spärlich spanisch spricht und mein Guaraní nicht über drei Wörter hinausgeht.

Die Stadt

Der touristische Teil mit der hübsch hergerichteten Innenstadt wurde bei Asunción ausgelassen, aber nichtsdestotrotz ist alles da, was das Herz begehrt. Museen, Café, Geldwechseln, etc. Die Museen scheinen gratis zu sein und haben auch beeindruckend schöne Pflanzen.

Lucía, eine Couchsurferin, die mich zwar nicht aufnehmen kann, zeigt mir nochmal alle interessanten Teile der Stadt und tatsächlich gibt es kaum mehr als bei der vorhergegangenen zu sehen. Der Präsident*innen-Palast wurde rosa gestrichen.

Das Parlament ist von Polizei und Blechwänden umstellt. Grund dafür sind die anhaltenden Proteste in der Stadt. Viele Indigene halten seit einiger Zeit die Plätze besetzt und das mit mehr oder minder ausgebauten Zelten oder Häusern. Manche wiederum haben erste Infrastrukturen wie z.B. Kioske entwickelt. Der Konflikt liegt meist zwischen den Indigenen, die besonders ärmlich in den abgelegen Gebieten leben und den Großgrundbesitzer*innen, die z.B. Wald roden um weiteres Soja anzubauen. Viele sind Geschäftsleute aus Brasilien. Die Indigenen fordern Unterstützung von der Regierung, die sie vermutlich nicht erhalten.

Die Partido Colorado, die rote Partei, entschied erst 2018 das Rennen um das Präsident*innen-Amt für sich. Kurioserweise sieht deren Flagge aus, als wenn sie eine kommunistische Partei wäre, mit weißem Stern in der oberen linken Ecke auf rotem Grund.

In Paraguay ist es aber eine rechts-konservative Partei. Obschon Luzi eine solche Flagge in der Küche hängen hat, stimmt sie wie so ziemlich alle ein, wenn es gegen Marito geht, den Spitznamen des neuen Präsidenten. Mittlerweile sei sein Name zum geflügelten Wort geworden, wenn es darum geht etwas zu beschreiben, was verbockt worden ist. Auch wenn im Alltag irgendwas furchtbar daneben ging, ist ein „Que Marito!“ als schimpfender Ausdruck schnell auf der Zunge. Ich zieh innerlich den Hut, dass ein Wahlsieger so schnell so unbeliebt werden kann.
Es ist noch nicht lange her da wurde das Parlament ziemlich demoliert und in Brand gesteckt. Die Spuren sind noch gut zu erkennen und offensichtlich sind die Reparatur-Maßnahmen am „Palacio Legislativo“ noch lange nicht abgeschlossen.

Ich versuche zwei Mal vergeblich Zutritt zum Parlament zu bekommen, doch jedes Mal werde ich unter fadenscheinigen Gründen abgewiesen. Sowohl Kleidungsordnung als auch Öffnungszeiten waren die Argumente. Asunción atmet das Gefühl der politischen Instabilität an sehr vielen Ecken. Immer wieder kommt es zu größeren Protestmärschen, Streiks, Straßenblockaden. Jugendliche ziehen skandierend mit Eisenstangen durch die Straße.
Die wohl schönsten Teil bildet Asuncións Uferpromenade am Rio Paraguay. Dort kann auf einigen hundert Metern geschlendert werden und es gibt auch einen kleinen Sandstrand, wo Bootstour-Anbieter*innen auf die nicht vorhandenen Touris warten. Es gibt nahe dem Hafen eine Art Fähranbieter, d.h. ein Böötchen, dass die Überfahrt nach Chaco-Í anbietet, was aber nicht wirklich spektakulär ist. aber günstiger. Im Zentrum gibt es auch eine Bar mit Ausblick über die schnörkellose Stadt mir ihren riesigen Wohnkomplexen.

Eine besonders empfehlenswerte Bar und Geheimtipp ist das Café Consulado in der Straße O‘Leary. Im Süden der Stadt gibt es noch einen kleinen Hügel, Cerro Lambaré gennant, der einen kleinen Ausblick ermöglicht. Auch über den Fluss hinweg in das benachbarte Argentinien. Ansonsten ist es nicht empfehlenswert spät abends in Asunción unterwegs zu sein.

Bei Luzi

Luzis Gegend ist über eine Stunde vom Zentrum entfernt. Ich lerne nun auch ihre Schwester und den Neffen kennen, der viel bei ihr ist. Alle drei sind sie sehr gläubig. Im Hof leben noch mehr Menschen. Auch gibt es verschiedene Arten von Mango-Bäumen, Bananen-Bäume und einen Apfelbaum der eine Sorte trägt, die nur Kirsch-große Äpfel trägt. Luzi macht daraus leckeren Apfelsaft.

Mangos gibt es überall und deswegen ist es so billig, dass es keine*r auf der Straße verkauft. Das knappe Dutzend Menschen, welches Zugang zu den großen und kleinen Mangos hat, isst weniger als verfügbar sind. In der Bananenstaude haben kleine Vögel ein Nest gebaut und Eier gelegt.

Als ich mit Elias einmal in den Straßen unterwegs bin, sehen wir drei in offiziellen Westen gekleidete Menschen, die durch die Straßen gehen und die Häuser begutachten. Elias erklärt mir, dass sie hygienisch zweifelhafte Orte suchen um Quellen für Dengue, Malaria, Chikungunya und Zika zu finden. Alle Krankheiten haben gemein, dass sie von Mücken übertragen werden, die sich an das menschliche Leben gewöhnt haben und deren Blut saugen. Stehendes warmes Wasser nutzen die Tiere um ihre Eier abzulegen und das sollte vermieden werden. Müll und versiegelte Grundflächen bieten solche Wasserpfützen an. Asunción hat insbesondere mit Dengue Schwierigkeiten, hat aber besonders gegen Malaria schon Erfolge erzielt. Selbst die größte Bierfirma des Landes beteiligt sich am Kampf gegen das Dengue-Fieber. Dengue ist bereits bei der ersten Infektion überhaupt nicht lustig, aber zum Glück nicht tödlich. Beim zweiten Mal dann aber schon.
Die Familie spricht mehrfach von „Sanber“, was ich erst eine Weile lang nicht verstehe. Bis wir dann nach San Bernardino fahren, was die landläufige Abkürzung Sanber trägt. Das ist ein kleiner touristischer Ort, der an einem See liegt. Früher mal zum baden geeignet, ist er mittlerweile zu schmutzig dafür. Es werden Bootstouren angeboten und allerlei Handwerkszeug. Insbesondere jetzt, in der Vorweihnachtszeit, werden auch verstärkt Ñandutí gezeigt. Das sind Spitzen-Decken, die nicht geklöppelt werden, aber denen zum verwechseln ähnlich aussehen. Es gibt wohl nicht mehr viele die dieses Handwerk beherrschen, aber es ist berühmt für diese Region und die Menschen sind stolz drauf.

In Sanber treffen verschiedenste Touris aufeinander. Manche trinken Bier und hören Musik, andere spielen auf dem Spielplatz und andere genießen teure Hotels. Eines hat einen lohnenswerten Park mit besonderen Bäumen und Blumen. Ein Baum trägt Herz-förmige Blätter.

Langsam habe ich mich dran gewöhnt, dass die deutschen überall sind und tatsächlich überrascht es mich nicht, dass die Bäckereien in deutscher Hand sind. Ein wichtiger Punkt auf einer Sanber-Reise scheint ein Halt in einer der beiden Bäckerein zu sein, die passenderweise auch durchnummeriert sind.
Vorab verstehe ich aber dass alle unbedingt Hühnchen essen wollen und ich verstehe auch nicht warum mir das zig Mal erzählt wird. Zum einen weil Hühnchen eh überall und täglich gegessen wird und weil bekannt ist, dass ich keine Tiere esse. und dann noch das Hühnchen beim Bäcker gegessen wird. Fleischer würde mehr Sinn machen.

Das spanische Wort für Huhn ist „Pollo“. Tatsächlich sprechen sie aber von „Bollo“ und das bezeichnet Pfannkuchen bzw. Berliner. Hier natürlich mit Dulce de Leche gefüllt. So schlemmen wir alle gleich mehrere dieser Leckerein in uns hinein bis wir kurz vorm platzen sind. Ich muss sagen, dass ich mich an das immens süße Dulce de Leche gewöhnt habe. Wenn ich nach der Reise zuckerkrank bin, weiß ich wieso.

Übrigens Leckerei: Liz hat ein ganzes Blech Sopa für mich organisiert. Ich muss sagen, dass es außerordentlich lecker ist. Hinzu kommt Chipa. Das ist im Prinzip ein Ring aus Käsebrot und an fast jeder Ecke erhältlich.

Auffällig während der Reise ist auch, dass ich mehr und mehr spanisch lerne, aber leider ändern sich auch einfache Wörter von Ort zu Ort. Aussprachen ändern sich zusätzlich. In Paraguay wird zum Teil eine leichte Variante des „sch“ für das ursprünglich „j“-klingende verwendet, also in etwa „ch“. Es mutet wie eine Mischung aus dem üblichen und dem argentinischen Spanisch an. Wörter des alltäglichen Gebrauchs sind besonders von regelmäßigen Änderungen bedacht. So wird ein kleiner Laden, der die geläufigsten Sachen des täglichen Bedarfs veräußert hier „Despensa“ genannt. Fragt mich nicht warum.

In Asunción kreuzt zufällig mein Weg den von Rosa und wir freuen uns riesig nach so langer Zeit wieder gemeinsam zu reisen. Nach einem gemeinsamen Chipa am Abends starten wir zu einem neuen gemeinsamen Abenteuer am folgenden Tag. Unser Ziel ist das einzige Highlight welches Rosa sich schon vor der Reise vorgenommen hatte. Wir sind gespannt.