Aug 18 2018

Hitze im Überfluss

von Rosa

Die ersten Hochhäuser begrüßen uns in Santa Marta. Es ist die erste Stadt, die mir in Kolumbien empfohlen wurde. Ich bin gespannt.
„Ey Leser“
Leider hatten wir auch diesmal kein Glück mit einer Couchsurfing-Unterkunft, deswegen haben wir uns ein Hostel rausgesucht. Das vorher Nichtbuchen war ein Fehler, denn die Unterkunft ist voll. So wie auch die Innenstadt. Busse und Taxen drängeln sich durch die Straßen.
„Ey sexy Leser“
Wir klappern ein paar Hostels ab, einige haben einen Pool im Foyer. Doch nicht unsere Preisklasse. „So ein schöner Leser, ja genau du“(Naja, um ehrlich zu sein, meine ich alle Leser, also du bist jetzt nix besonderes oder so)“
In unserer Preisklasse gibt es statt dem Pool ein Loch in der Wand mit einem Rohr. Darf ich vorstellen: Die Dusche. Wir sind froh, dass es Wasser und einen Ventilator gibt, denn es ist HEIß.
„Na, du süßer Leser“
Wir nutzen die Abendkühle und gehen an den Malećon (Promenade am Strand). Im Hafen stehen mit Lichterketten behangene Segelschiffe und bei mir kommt kurz Weihnachtsstimmung auf. Alles ist auf den Beinen. Ein Artist springt durch einen Reifen mit Messern. Ein große Menschentraube versammelt sich, um die Show zu sehen. Doch selbst als er an dem scharfen Gegenstand hängen bleibt, macht ihm das nichts aus.
„Ey Leser, Ey Leser, Eeyy Leser!!“
Gut, dass die Leute vorher das Geld bezahlt haben.

Auch wir bezahlen diesmal im Vorfeld und bekommen dafür eine Unterkunft mit Klimaanlage.
„UiUiUi Leser, na ich sag mal ne Acht“
Jedes mal, wenn wir den Raum betreten, spürt der Körper die Erleichterung sich endlich etwas runterzukühlen. Doch wie sagt man: Sei vorsichtig mit dem was du dir wünschst. Der geplante Ausflug zum Tayrona Nationalpark fällt ins Wasser. Bereits auf der einstündigen Fahrt zum Zielort fängt es an stark zu regnen. Das Dach des Busses hält dem nicht stand und so bekomme ich eine kostenlose Dusche ab.
„Fühl dich angestarrt“ (Ich checke ab, ob du gut aussiehst beim Lesen)“
Der Eintritt kostet 17 Euro. Am Eingang laufen Bilder von schönen Stränden und Touristen, die aus Zelten schauen über den Flatsreen. Die Laune der Touristen vor dem Eingang des Nationalparks ist allerdings eher mürrisch wie das Wetter. Wie entscheiden uns aufgrund unserer nicht wetterfesten Kleidung, lieber den Heimweg anzutreten.
„Leser, mmmhhhh“
In Santa Marta hingegen ist der Regen nicht angekommen. Doch auch beim dritten Stadtrundgang, springt der Funke bei mir für die Stadt nicht über. Ein zentraler Platz oder Park ist nicht wirklich vorhanden, keine bunten Häuser oder Gassen und der Stadtstrand ist klein und vollkommen überfüllt. Und natürlich die Hitze!

Lieber Leser, wie geht es dir damit, dass ich dich immer wieder so angesprochen habe?
Wolltest du nur in Ruhe den Text lesen und hast gedacht was soll das? Und dachtest du, was tut das überhaupt zur Sache, wie ich aussehe und wer ich bin, wenn ich hier einen Text lesen will? Hat es dich vom Lesen abgelenkt?

„Ey Chica, so lecker“

Kann ich verstehen.

Nach dem Stadtrundgang sitze ich in einem Café und tippe auf meinem Handy herum. An dem Tisch neben mir sitzen drei junge Männer in ein Gespräch vertieft und am gegenüberliegenden Tisch sitzen zwei alte Männer und lesen Zeitung. Alle paar Minuten schaut mich entweder der junge oder der alte Tisch an. Ich höre, wie die jungen Männer sich über meine Haare, mein Gesicht und meine Brüste unterhalten.
Ich befinde mich in einer Situation in der ich lieber gehen würde, aber erstens regnet es draußen als würde die Welt untergehen und zweitens finde ich es nicht gut, dass ich mir meinen Kaffee vermiesen lasse. Ich stecke mir Kopfhörer in die Ohren.

Nachdem es aufgehört hat zu regnen, gehe ich nach Hause. Die Straßen haben sich in reißende Flüsse verwandelt. Kein Durchkommen mit trockenen Füße. Ein Mann spricht mich mit „Ey Prinzessin“ an und bietet mir an mich über den „Fluss“ zu tragen. Ich lehne ab und ziehe mir die Schuhe aus. Ich laufe durch die knietiefe Suppe. Ich fühle mich in eine Situation gebracht, in der ich erst recht beweisen muss, dass ich eben keine Prinzessin bin. Aber warum muss ich das überhaupt beweisen?

In Medellín gehe ich die Straße entlang und ein Mann versucht mich zu küssen. Ich sage nein, lass mich in Ruhe. Ich bin nicht interessiert. Er folgt mir. Ich laufe schneller, wechsle die Straßenseite. Ich frage: Warum hörst du mir nicht zu, wenn ich nein sage? Warum lässt du mich nicht in Ruhe, wenn ich es sage? Warum versuchst du mich zu küssen, du hast mich doch gar nicht gefragt? Keine Antwort.

Zu meinem Südamerika-Alltag gehören auch diese Situationen. Und jeden Tag muss ich mich entscheiden, was ich mache gegen die Sprüche, die Kommentare, die Bewertungen und die Belästigungen. Egal, ob ich es ignoriere, erkläre oder kämpfe. Es ist nervig.