Vom Schnee verweht

von Rosa

Autsch! Das tat weh. Gerade schaue ich noch in die Augen eines süßen Hundes, der mich an einen Teddybären erinnert. Schon erinnert er mich daran, dass Hunde eben nicht nur niedlich sind. Mit einem Satz ist mir der flauschige Bär von Hund an mein Bein gesprungen und hat einmal in den Oberschenkel gebissen. So schnell er da war, ist er auch wieder weg. Der Hund hat tatsächlich ein Stück meiner Hose rausgerissen. Der Biss war zum Glück nicht tief. Die Hunde in Südamerika sind mir irgendwie nicht so zu getan oder eben doch. Wie man es sieht. Bekanntschaften schließe ich jedenfalls leicht mit Ihnen und eine Einladung brauchen sie dafür auch nicht. In solchen Momenten bin ich immer froh über meine Tollwut-Impfung.

Wenn man so möchte ist heute nicht mein Tag. Am Busbahnhof von Baños läuft noch alles glatt. Ich erwische innerhalb von fünf Minuten einen Bus nach Machachi. Von dort aus möchte ich den Cotopaxi zumindest bis zum Base Camp besteigen. Ich sage dem Busfahrer noch, dass er mir bitte Bescheid geben soll, wenn wir in Machachi sind. Als ich nach einem kurzen Nickerchen aufwache, denke ich die Stadt kennst du doch. Sie ist ungewöhnlich groß und zu dicht besiedelt für alle Städte auf dem Weg. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Als ich die ersten Metrostationen sehe, bestätigt sich dieses. Wir sind in Quito. Ich frage beim Busfahrer nach, warum er mir nicht Bescheid gesagt hat. Er zuckt nur mit den Schultern und meint schlafen wäre gesund. Etwas angesäuert verlasse ich den Bus und suche im Terminal Quitumbe nach einem Bus, der zurück nach Machachi fährt. Der ist gar nicht so einfach zu finden, weil er nicht bei den anderen Bussen abfährt. Dann sitze ich aber doch in einem überfüllten grünen Bus nach Machachi. Neben mir eine Mutter mit drei Kindern. Das Kind auf dem Rücken versucht mich die ganze Zeit mit seiner Mandarine zu hauen. Den Vater scheint das alles nicht zu stören. Er schaut lieber ein Fußballspiel auf seinem Smartphone. Er bewegt sich auch nicht als seine Frau versucht alle drei Kinder gleichzeitig zu beruhigen. Diesmal bleibe ich wach und steige tatsächlich in Machachi aus. Im Starkregen laufe ich zur Unterkunft. Kurz vor dem Eingang dann das Kurz-Intermezzo mit dem Teddybär-Hund.

David, der Besitzer, begrüßt mich und erklärt mir gleich welche Optionen ich habe um zum Cotopaxi zu kommen. Da ich nur bis zum Base-Camp möchte, stelle ich es mir nicht so schwierig vor. Doch das ist es wohl. Machachi befindet sich noch einmal 40 Minuten vom Eingang des Nationalparks entfernt. Hmm. Er bietet zwei anderen Reisenden und mir eine Tour für jeweils 25 Euro an. Der Parkeintritt ist immerhin schon inklusive. 7:30 Uhr geht’s los. David empfiehlt Doro, Johanna und mir zum Abendbrot ein Steakhouse. Es wäre die beste Option für Vegetarier. Da freuen wir uns drei Vegetarier doch und sind schon gespannt auf die Karte. Es gibt Pommes. Salat, Gemüsepfanne und Suppe stehen zwar auf der Karte, aber heute nicht verfügbar. Nun gut. Wenigstens wurden unsere niedrigen Erwartungen erfüllt.

Für die Wanderung dürfen wir uns am Eingang des Nationalparks noch Handschuhe kaufen und dann rollt der Kleinbus auch schon an mehreren schneebedeckten Gipfeln immer weiter Richtung Cotopaxi. Serpentine für Serpentine. Der Untergrund ist Vulkangestein. Trotzdem gut zu befahren. Eigentlich. Wir stecken fest. Die Räder vergraben sich immer tiefer im Sand bis gar nichts mehr geht. Einige andere Autos halten an. Gemeinsam versuchen wir den Kleinbus nach oben zu schieben. Keine Chance. Letzte Hilfe ein Abschleppseil. Mittlerweile hat sich eine richtige Menschentraube versammelt und feuert fleißig an. Der Kleinbus bewegt sich ein Stück, ein weiteres Stück und ist befreit. Es kann weiter gehen. Bis zum Ende der Straße kommen wir nun problemlos. Von hier ist es eine weitere Stunde bergauf zu Fuß. Klingt machbar. Ist es auch, aber die Luft auf 4600 Metern ist doch etwas dünn und so werden die Schritte kleiner und die Pausen größer. Die Aussicht nebelverhangen. Ich rutsche im Gemisch aus schwarzer Vulkanasche und Schnee. Es geht ein kalter Wind. Dann endlich sehen wir das Refugio.

Von hier aus machen sich die Bergsteiger auf, die bis zum Gipfel auf 5800 Metern klettern. Dafür allerdings braucht man gute Kondition, Ausrüstung und Erfahrung. 50 Prozent schaffen es nicht. Unser Guide war bis 2002 mehr als 200 mal auf dem Gipfel. Dann hat er aufgehört zu zählen. Sein Leben sind die Berge. Wir laufen noch einmal weiter bis zu den Gletschern. Das Wetter wird ungemütlicher. Der Untergrund nun Eis und Schnee. Die Höhe erreicht meinen Kopf und mir ist ein wenig schwindelig. Vor ein paar Jahren war der Gletscher noch mehrere 100 Meter weiter unten.

Für einen Moment reißt der Himmel auf und die Sonne zeigt, wie schön das im Verborgenen ist. Weit oben erleuchten, von der Sonne in Szene gesetzt, die schönsten und skurrilsten Eisskulpturen. Es bleibt nur Zeit für ein Foto in unserer Erinnerung. Gut abgespeichert. Dann fällt der graue Vorhang wieder und wir rutschen langsam ins Tal. Aus den Schneeflocken werden schwere Regentropfen. Wir halten noch bei einer Lagune die sich in wunderbarer Kulisse vor einem Berg mit weißen Spitzen präsentiert.

In unserer Unterkunft wärmen wir uns mit heißer Schokolade dann geht es zurück nach Quito. Der Bus bis in die Hauptstadt ist schwer zu finden. Jeden, den wir fragen hat einen anderen guten Rat. Am Ende hält mit quietschenden Rädern ein klappriger Bus und wirft uns am Terminal Quitumbre aus.

Der Weg zum Cotopaxi war anstrengend. Seit ich ihn zum ersten Mal in Quito von Weitem bestaunen konnte, ein Ziel auf der Reiseliste und der Wunsch ihn von Nahem zu sehen. Wie es mit Erwartungen so ist, werden sie auch manchmal nicht erfüllt. Den glitzernden Schnee des Gipfels im Sonnenlicht habe ich nicht gesehen. Dafür einen rauen Riesen, der es seinen Bezwingern gerne schwer macht und sie auch mal im Nebel stehen lässt. Das Postkartenmotiv kann man eben nicht erleben.


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