Apr 5 2019

Traumstrand oder: was so eine Riesenschildkröte denkt?

Von Karl

Arraial do Cabo, Rio de Janeiro, Brasilien

 

Schneeweiß legt sich der Sandstrand aus. Lang, in einer Sichelform und rechter Hand bis in den Horizont reichend. Linker Hand durch eine grüne felsige Zunge gestoppt, auf der arme Fischer*innen sich eine Bleibe aus Holz gebastelt haben. Das Wasser liegt ruhig und flach da. Nur knapp am Strand rollt mal eine flache Welle, die dem Schwappen in der Badewanne keine Konkurrenz macht. Türkis ist die Farbe des paradiesischen Wassers und ein wenig von dem ist auch hier.

Der Strand ist übervoll mit Strandschirmen in verschiedenen Farben. Auf den unzähligen weißen Plastikstühlen haben sich hunderte Badegäste breit gemacht. Zwischen ihnen fliegende Händler*innen mit Acai, heißen Maiskolben, Sonnenbrillen und was mensch hier so brauchen könnte. Der Sandstrand ist breit und dahinter liegt oberhalb die Straße, die in dem Bereich eine Promenade bildet. Noch mehr Möglichkeiten etwas zu essen oder zu trinken versammeln sich hier. Zwischen Churro– und Hot-Dog-Wagen gibt es auch Bootsfahrten im Angebot. Churros sind übrigens sehr lecker (-;

Ich stehe an der Wasserkante und denke kurz darauf: Kein Wunder das ein Ort um die Ecke „Cabo Frio“ heißt, also kaltes Kap. Das Wasser ist tatsächlich ziemlich kalt. Vielleicht sogar einstellig. An Schwimmen oder Baden ist eh nicht zu denken, da das Wasser auch nach hundert Metern kaum tiefer wird. Zurück am Strand genießen wir den Untergang der traumhaft schönen gold-rot-leuchtenden Scheibe. Sowie sie unterging beginnen alle zu klatschen. Ein Phänomen, welches ich schon Rio sah, aber nicht zuordnen konnte. Applaus für den Sonnenuntergang, kuriose Sache. Viele brechen dann auch auf und der Strand lichtet sich und die Arbeiter*innen von der Tourismusindustrie beginnen die Schirme und Stühle auf Wagen zu packen. Auch wir brechen auf, streifen durch die Straßen des Küstenstädtchen. Der Nahe Supermarkt ist zu der Zeit völlig überlaufen und wir freuen uns dann als wir unser Haus erreichen.

Boot 1

Wir sind in Arraial do Cabo angekommen, einem kleinen Städtchen, in der Nähe von Cabo Frio. Auf einem Vorsprung gelegen, der in den Atlantik reinreicht. In verschiedene Richtung gibt es diverse Strände und trotz vieler Touris läuft das Leben reichlich gemächlich ab. Es fährt zwar ein Party-Bus nachts seine Runden, aber die meisten zieht es eher an den Strand.

Wir sind in einem zukünftigen Hostel untergekommen. Ein junges alternatives Pärchen aus Argentinien bietet ein paar Betten an und möchte dass bald ein Hostel daraus wird. Nebenbei arbeiten sie als Photograph*in im Hafen. Nur entspannte Menschen können wir dort antreffen und genießen das wohlige Leben mit ihnen. Wir teilen Biere, Suppen, Spaghetti, Zeit und was wir noch so haben. Wir kommen auch an günstige Bootstouren.

Unser erstes Mal im Hafen bin ich geschockt von den hunderten Menschen die anstehen und Boote suchen. Aus dem ehemaligen kleinen Bootshafen ist ein touristischer Hot-Spot geworden. Dutzende Leute in der Stadt und auf dem Weg versuchen Tickets zu verkaufen. Nach dem wir noch die Hafengebühr entledigt haben, warten wir, dass unser Boot aufgerufen wird, damit auf den Steg können.

Die Sonne bruzelt unablässig auf uns hernieder und freudig klettere ich auf das Boot, als es dann soweit ist. Das Dach ist für die VIP-Tickets vorbehalten, aber warum ich direkt gleich in der prallen Sonne verbrennen sollte und dafür noch Geld bezahlen … das verstehe wer kann. Eine Animatorin beginnt ihren ungebremsten Redefluss und versucht die nächsten Stunden uns zum Kauf von etwas Frittierten im Heckbereich, zum Mieten von Schnorchel-Sachen, zum Tanzen, Photographieren lassen durch die bordeigenen Profis und schlussendlich zum Bezahlen und Trinkgeld zu bewegen.
Nahezu gleichzeitig starten zwei dutzend weiterer Boote, sodass es an den bestaunenswerten Felsformationen und Höhlen zu Warteschlangen an Touri-Booten kommt. Manche unserer Mitfahrenden lassen sich gepflegt mitreisen von der aufkommenden Party-Stimmung und haben Teils entsprechende Getränke selbst dabei.

Wir fahren auch verschiedene sonst einsame Strände an, die wohl, wenn mensch sie einsam betritt, auch idyllisch unberührt wirken. Da aber eine Armada an Schiffen ihre Anker ausgelegt hat und wir gruppenweise mit dem Schlauchboot an den Strand gebracht wurden, wird dieses Gefühl etwas gedämpft. Wir mussten auch etwas warten, da immer nur 200 Leute für einen Strand zugelassen waren. An diesem einen hat sich das Schnorcheln auch etwas gelohnt, da ein paar Fische zu sehen waren, wenn mensch sich etwas von den größeren Massen entfernt. Da aber eine halbe Stunde auch schnell rum ist, ging es wieder flott zurück und zum nächsten Strand. So arbeiten wir dann nach und nach vier Strände ab.

Als ich am nächsten Tag die roten Hautpartien untersuche, beschließe ich einen Tag im Haus einzulegen und erst mit der Dämmerung trete ich wieder unter den offenen Himmel. Wir sind ehrlich gesagt auch generell etwas versackt, weil die Leute nett und die Strände schön sind. Eine unserer Mitbewohner*innen arbeitet bei einer Tauch-Agentur.

Schiff 2

Wenige Tage später brechen wir wieder frühs auf, um dann von der Tauch-Agentur aus wieder in den Hafen zu gehen. Diesmal ein spezielles Boot für die Tauchwilligen. Reihenweise wurden Tauchflaschen an Bord gepackt und angeschnallt. Der Bootsführer ist ein stummer alter Seebär. Verschiedene Tauch-Agenturen teilen sich rein und so werden wir zur spanisch-sprachigen Gruppe gesteckt. Jacket, Flasche, sämtliche Regulatoren, Druckausgleich, alles wird uns im Detail erklärt. Das Boot fährt nicht wirklich weit und wir gehen vor Anker. Als erstes gehen die erfahrenen mit Tauchschein von Bord, die tauchen etwas länger als wir Anfänger*innen. Tatsächlich sind nur wir und eine weitere völlige Neulinge. Gut, ich hatte das schon mal gemacht, irgendwann, aber das ist gefühlt Jahrzehnte her.

Ich reihe mich als letzter in unser Trio ein und überbrücke die Zeit damit etwas zu schnorcheln. Wir ankern vor einer Insel mit großen Steinen. Entsprechend sieht es auch unter Wasser aus. Große Steine stapeln sich und es geht ziemlich direkt nach unten. Die Steine sind von mancher Koralle noch bewachsen, aber dann doch eher das zu Hause von den schwarzen Seeigeln. Dafür gibt es unzählige Fische. Farben und Formen wurden in ihrer kompletten Vielfalt kombiniert. Manchmal mit großen Augen oder Stacheln, dann wieder eher in Form eine Kugelschreibers. Wir beäugen uns gegenseitig.

Als ich dann als Taucher zurückkehre, der gar nichts machen muss, als zu atmen und zu gucken, kommen wir den Tierchen noch näher und wir bestaunen uns gegenseitig. Manche sind ziemlich groß und sind sicherlich so lang wie mein Arm. Andere treten in gleichförmigen Schwärmen auf. Der Moment wenn wir im Wasser schweben und ein Schwarm gleitet unter einem durch und mag nicht enden, hat etwas magisches.

Ich bin viel zu sehr mit der Unterwasserwelt um mich herum beschäftigt, als dass mir in der Ferne ein großer Bewohner aufgefallen wäre. Eine Seltenheit, wie es im Vorfeld hieß, denn er erscheine nur den wenigsten. Mein Tauch-Lehrer zeigt auf die Riesenschildkröte und wir schweben an sie ran. Wie ein alter Mensch, der schon alles gesehen hat, gleitet sie weiter unbeeindruckt durch die blaue Weit. Sie beobachtet uns aus ihren alten Augen, aber setzt ihren Weg, weg vom Riff, weiter fort.

Wir gleiten um den Giganten, der gut über einen Meter Länge hinaus gewachsen ist. Ein wenig bekomme ich dann doch den Eindruck, dass wir stören könnten, weil wir sehr nah heran kommen. Ihre ledrige Haut zeugt von Jahrzehnten der Lebenserfahrung. Ich frag mich, was der*die alte wohl erlebt hat. Ob sie darüber klagt, dass es früher mal ruhiger in der Gegend war? Damals war alles besser bla bla bla? oder ob sie sich noch ganz jung fühlt und weiter auf Entdeckung aus ist und sich überraschen lässt. Ich konnte sie nicht fragen. Wir drehen um, denn unsere Zeit läuft ab.

Insgesamt läuft die Zeit gegen uns und wir brechen auch am nächsten Tag aus Arraial auf. Auf unseren Weg zurück zum Bus treffen wir all unsere freundlichen Teilzeitmitbewohner*innen, bis dann der Stadtbus mit uns zum Busbahnhof in Cabo Frio aufbricht.


Nov 9 2018

Pelikane und Robben

Von Karl

 

Gemüsegrenze

Schneller als erwartet erreicht der Bus die Grenze. Eben noch haben wir den kommenden Sonnenuntergang nebst riesiger schneebedeckter Kegel beobachtet, da biegt der Bus in den Bereich bolivianischen Grenzabfertigung ein. Das ist allerdings schnell gemacht. Dann folgt noch ein längerer Weg und wir halten in einer Art Busbahnhof.

Alle müssen wir aussteigen, unsere Sachen packen und an einem Schalter unsere grünen bolivianischen Touri-Ausweise abgeben. Am nächsten Schalter bekommen wir nun Kassenbons mit Strichcode. Wieder etwas was wir bis zur Ausreise aufheben müssen.

Parallel läuft die SAG, eine Agentur des Landwirtschaftsministerium, mit Hunden durch die Reihen. Interessanterweise ist Chile sehr streng mit der Einfuhr von Lebensmitteln, insbesondere von frischen Essen. Ein roher Apfel kann 100 US-Dollar Strafe kosten. Eigentlich wollten wir unser übriges Essen zum Abendbrot mampfen, aber dazu kamen wir nicht. Wir haben es einfach im Bus gelassen und die frische Avocado unterm Sitz versteckt.

Als ich aber den Spürhund sehe, bekomme ich es dann doch mit der Angst zu tun. Der Hund schlägt bei verschiedenen Gepäck immer wieder an und die grimmigen Hundeführer*innen lassen daraufhin alles durchwühlen. Als eine Frau vor uns in der Reihe ihre offene Milch kurz unbeaufsichtigt lässt, springt sogar der Hund hoch und leckt daran. Ich versuche mich normal zu benehmen. Leichter gedacht als getan. Das gesamte Gepäck geht durch große Scanner, wie sie bei Flughäfen geläufig sind. Da am anderen Ende des Förderbandes die Uniformierten schwer beschäftigt sind mit dem Gepäck anderer Reisender, nehme ich flink meinen Kram und verlasse den Bereich.

Zwischen Ankommens- und Abfahrtsbereich wurde ein Gitter errichtet, sodass auch der Bus wohl erst freigegeben werden muss, bevor er auf unserer Hälfte dann vorfährt. Auf meinem Platz finde ich dann meinen Essensbeutel ausgeschüttet vor. Offensichtlich wurde hier gewühlt und kontrolliert, aber die Avocado ist noch im Versteck. Als dann der Bus das Terminal verlässt, sind wir etwas vergnügt und beginnen mit der Vernichtung des verbotenen Gemüses. Nochmal Glück gehabt.

Warten und Schlafen vor der Tür

Gegen Mitternacht entlässt uns der Bus auf der Rückseite des internationalen Terminals. Um etwas Geld zu sparen im nun teureren Chile, begeben wir uns in das nationale Terminal und versuchen irgendwie eine Warteposition zu finden, die angenehm ist. Nun kostet alles wieder zehntausende Pesos, denn der Wechselkurs ist ungefähr 750 Pesos für 1 Euro, bei gleichzeitig hohem Preisniveau. Wir sind in Arica, der nördlichsten Stadt Chiles. Die Grenze zu Peru ist ganz nah. Wir haben das trocken kalte Hochland gegen das trocken-warme Küstenklima getauscht.

Eigentlich liegt die Stadt in der Wüste. Der Strand scheint ungebrochen in die Dünen hinter der Stadt überzugehen. Wenn da nicht künstliche Bewässerung und einige Palmen wären.

Unser nächtlicher Aufenthalt währt nicht lange, denn der Busbahnhof soll geschlossen werden. Wir ziehen etwas durch die Straße, aber als uns irgendwelche düsteren Gestalten grüßen, gehen wir zur angestrebten Unterkunft. Da wir aber keine Klingel finden und auch nicht stören wollen, bauen wir ein Lager vor der Tür auf.

Leider lässt es sich auch hier kaum pennen und nach nicht einmal einer Stunde öffnet sich die Tür. Ein alter Mann mit perfektem Englisch öffnet die Tür. Der Alte holt uns in sein Wohnzimmer. Wir haben nicht das Gefühl in einem Hostel zu sein, denn alles sieht aus wie in dem Wohnzimmer alter Leute. Viele Sofas, viele Bilder, Blumen, ein Hometrainer, ein langer Essenstisch, viele kleine Deckchen. Richtig viele Bilder hängen an den Wänden.

Der Alte sagt, dass es gefährlich ist draußen und hat tatsächlich direkt zwei Betten im unbelegten Mehrbettzimmer. Vorher bekommen wir noch Saft und Kekse und er erklärt uns die Stadt und Sehenswürdigkeiten. Er macht einen sehr vertrauenswürdigen und rührigen Eindruck. Damit haben wir nachts um 3 Uhr nicht gerechnet. Dankbar bringen wir unser Gepäck in das Zimmer und legen uns in ein richtiges Bett.

Sehenswertes

Der Alte hat das weltbeste Frühstück. Zumindest in Südamerika. Mit Genuss verzehren wir gutes Brot, guten Kaffee, Saft, Käse, Marmelade, viel Obst und Müsli. Wenn was alle ist, kommt er mit neuem und bietet auf Nachfrage sämtliche Infos zur Region. In dem weitläufigem Haus beginnt unser Start in Chile und Arica damit bestens. Der Alte scheint übrigens aus Neuseeland eingewandert zu sein.

Wir beginnen Arica zu erkunden. Arica hat im Norden einen weiten Sandstrand und im Süden Hafen und steinige Küste. Der Hafen ist ein gewöhnlicher Container-Hafen, der aber auch einen jedermensch zugänglichen Bereich bietet. Im Wasser schaukeln schon vom Weiten sichtbar große und kleine Fischereiboote. Im Containerhafen auch Container- und Schüttgut-Frachter.

Im allgemein zugänglichen Bereich befinden sich zwei Fischmärkte, einer Indoor und einer am Ende, Outdoor. Viele der Verkäufer*innen arbeiten gleichzeitig daran den frischen Fisch zu verarbeiten. Die Vielfalt der Meerestiere ist dabei erstaunlich. Es werden auch Fischteile angeboten, die offensichtlich von Tieren stammen, deren Länge meine Größe deutlich übersteigt. Vielleicht Haie, Wale oder Delfine?

An der Wasserkante sind aber andere Tiere das große Spektakel. Seelöwen und Pelikane streiten sich um die Fischreste, die hin und wieder von den Fischern ins Wasser geworfen werden. Hunderte Pelikane warten mit ihren langen Schnäbeln auf den Steinen und Dächern. Die Robben sonnen sich oder tollen durch das Wasser, dass es nur so spritzt. Auch andere, vor allem kleinere, Vögel mischen sich dazwischen.

Vor dem Hafen von Arica kann auch Fisch gekauft werden, allerdings gibt es dort auch sehr gute und günstige Empanadas, die frisch zubereitet werden. Ja, ich gestehe, wir mussten dort halten und probieren.

Der Hauptmarkt der Stadt hat dagegen seine besten Tage gesehen und nur wenige bieten noch Obst und Gemüse an. Es gibt einen anderen Markt, der besser funktioniert. Nichtsdestotrotz fehlt die Straßen-Markt-Kultur hier fast völlig, im Vergleich zu Bolivien, wo es der Herzmuskel zu sein scheint. Dagegen begegnen uns riesige Einkaufscenter. Shopping Malls kommen uns auch im weiteren Verlauf in Chile immer wieder unter und sie sind der Ort wo wir die meisten Menschen antreffen. Wenn die Straßen sonst leer und ausgestorben erscheinen: In der Shopping Mall ist die Hölle los. Die Liebe zum Einkaufscentern ist mir etwas ungeheuer.

Sehenswert ist Arica ist auch der Ausblick vom Morro, einem riesigen Felsvorsprung, der bis ans Wasser reicht und einen Ausblick über die Stadt erlaubt. Es fehlt nur die Spielkonsole und schon ließen sich die bunten Containerchen und Sandberge in Schiffe und LKWs verladen. Vielleicht noch ein Regler für die Eisenbahn.

Ganz im Hintergrund befindet sich der weitläufige Strand Aricas. Von einigen wenigen Buden und alten Hochhäusern belagert, ist der Strand ziemlich ruhig und bietet lange und große Wellen. Ideal um mal wieder das Surfbrett unter die Füße zu bekommen. Auch wenn die heftige Strömung und die harten Wellen einiges an Kraft kosten. Kurz nicht aufgepasst und schon bin ich mit dem Brett weit abgedriftet. Da ist es besser zu liegen und zu paddeln.

Nun sind wir also in Chile angekommen und damit wird es noch ein Weilchen weitergehen (-;

 

PS.: Eine Karte von Chile mit Arica ganz im Norden: