Apr 9 2019

Ein letzter Strand

Von Karl

Natal, Rio Grande do Norte, Brasilien

 

Auf dem Weg nach Natal wurde uns deutlicher, dass Brasilien ein riesiges Land ist mit riesigen Unterschieden. Die Infrastruktur nach Norden hin wurde langsam dünner. Zudem kamen wir in eine andere Zeitzone, aber in die Gegenrichtung als üblich wird die Uhr umgestellt. Was ich neues gesehen habe: Kaktus-Plantagen!

Ein letztes Mal bereise ich einen Ort auf dieser langen Reise. Kein Gedanke der mich sehr fröhlich stimmt. Nein, es ist die Zeit gekommen. Doch noch einmal darf ich hier eintauchen. Es ist Alax der uns empfängt. Ein Junger Mann der schon ein paar Jahre in der Schule als Lehrer gearbeitet hat, aber nun nochmal verreisen möchte. Neue Ideen, neue Ziele. Bei ihm wohnt noch die ganze Familie, das heißt ein kleinerer Bruder, sein Vater und seine Mutter. Während der Vater sich es nicht nehmen lässt immer einen witzigen Spruch zu drücken, zeichnet sich die Mutter durch umsorgende Gastfreundschaft aus. Sie arbeitet als Lehrerin.

Alax hat sogar sein Zimmer für uns geräumt und schläft im Wohnzimmer. Nicht nur das, er zeigt sich auch extrem hilfsbereit, denn es ist nicht so leicht mit dem Hafenagenten in Kontakt zu kommen, da seiner Aussage nach noch nie Passagiere hier in ein Containerschiff stiegen. Irgendwie klappt das dann aber mit Alax‘ Hilfe.

Der Vater arbeitet als Uber-Fahrer und bietet uns eine Tagestour mit diversen Sehenswürdigkeiten an, zum halben Preis, als sonst üblich. Schnäppchen und die Möglichkeit der Familie was zurück zu geben … da greifen wir direkt zu.

Ausflug in Rio Grande do Norte

Nach einer Weile Autobahn, biegen wir ein und passieren Alleen an Palmen, bis wir einer türkisen Flussmündung folgen.

Bald halten wir an einer Steilküste um den weiten Ozean zu überblicken. Unter uns ein idyllisch breiter Sandstrand. Bis in die Ferne verlängert sich dieser und liegt nahezu unberührt da. Es ist, was das Herz begehrt.

Unser Ziel ist der kleine Ort Praia da Pipa, was soviel wie Drachen-Strand bedeutet, wobei aber ein Steig-Drachen gemeint ist. Es ist ein verschlafener Hippie-Ort, mit Touris, Stränden, Lädchen und alles was die Touris so kaufen würden. Die Strände tragen wiederum verschiedene Namen. Einer ist als Liebesstrand bekannt. Von einem Parkplatz aus nähern wir uns wieder von oben und es führt eine steile Treppe hinab in eine grüne schmale Waldkette zwischen Fels und Strand.

Wir entgehen relativ flott wieder dem überlaufenen Ort und fahren zurück nach Tibau do Sul, vielleicht zehn Minuten entfernt. Auch hier gibt es einen Strand oder besser gesagt gleich zwei. In wenigen Laufminuten getrennt gibt es neben dem offenen Meer auch die Möglichkeit an der Flussmündung zu baden, was besonders für Nichtschwimmer*innen spannender ist, weil es vor Wellen geschützt ist. Ein Teppich aus Plastik-Stühlen, -Tischen und Schirmen wurde zudem aufgebaut. Restaurants verkaufen in ihren Bereichen Menüs mit viel Fisch, sowie Cocktails, Bier und das übliche. Auch Acai mit Cupuacu. Cupuacu ist eine Frucht, die wie Wein schmeckt.

und bei den Cocktails gibt es übrigens nicht nur Caipirinha.

Für ein paar Stunden genießen wir die Herrlichkeit des Ortes in vollen Zügen. Die Sonne ist ungebrochen und der Schatten der Abreise aus Südamerika ist nicht zu spüren. Dafür umspült die AtlantikGischt viel zu traumhaft die schwarzen Felschen auf dem weiß-gelben Strand. und im Hintergrund die Palmen …

Auf dem Weg zurück nach Natal halten wir noch in Pirangi do Norte einem Stadtteil des kleinen Städtchen Parnamirim nur noch wenige Kilometer vor Natal. Die Besonderheit hier ist der größte Cashew-Baum der Erde.

Wie ein kleiner Wald erscheint von außen der Baum mit seinen festen Blättern und dünnen Stämmen, die sich wie gelegte Leitungen durch die Luft schlängeln.

Auf Holzpfaden lässt sich das Innere des Baumes erkunden und so machen wir uns auf unter dem grünen Walddach zu wandeln.

Spannend ist dabei, dass schon die Mehrheit der Stämme irgendwie aus der Mitte heraus kommt.

Hinweisschilder klären über den Cashew-Baum und seine Nüsse auf, die demzufolge sehr gesund sein können. Auch fast alles andere ist essbar. Überraschend für mich war es, dass die Frucht mit der Nuss einer Paprika ziemlich ähnlich sieht. In der Erntezeit trägt der Baum Früchte mit einem Gesamtgewicht von 2,5 Tonnen. Das Wort Cashew kommt von den indigenen Tupis, die vormals große Teile Brasiliens besiedelten. In vielen Sprachen wurde dieses Wort übernommen.

Wir lernen von der Familie noch eine Oma kennen und kochen einmal ausgiebig für alle. Azul macht wieder bolivianische Erdnusssuppe und von mir kommt deutscher Eierkuchen. Auch ein letztes Mal. Aber zur Freude der lieben Mutter und des jungen Bruders, die regelmäßig um unsere Töpfe und Pfannen schleichen.

Natals touristischster und sicherster Ort soll der Strand-Stadtteil Ponta Negra sein. Hier gibt es Surfer*innen wie Sand am Meer. Eine lange Strandpromenade, unzählige Hotels und Restaurants und Verkaufsstände säumen den gut frequentierten Strand. Ansonsten soll Natal nicht besonders sicher sein, so zumindest meint es Alax. Wir passen entsprechend auf. Besonders aber die Stadtteile nördlich des Rio Potengi sollen regelmäßig durch Raubüberfälle und Schießereien berühmt werden.

Wir planen nicht dorthin zu gehen, doch dann kommt die letzte Nacht und wir müssen Azul nachts zum Flughafen bringen. Nun gesellt sich zu der ausgiebigen Abschiedstrauer noch die Angst, denn tatsächlich werden auf dem Weg zum Flughafen, der im Norden liegt, auch immer wieder bewaffnete Raubüberfälle durchgeführt, so Alax, weshalb der Vater sich bereit erklärt uns zu fahren. Tatsächlich sehen wir in den frühen Morgenstunden ein paar Jugendliche durch die Straßen streifen, doch wir bleiben in Ruhe.

Abstieg

Es bleiben mir noch zwei Stunden zu schlafen, bis ich dann auch meinen Rucksack mir auf den Rücken schnüre. Ich hab noch 5 Reals, vielleicht 1,20 Euro, für den Bus, der 3,65 Reals kostet. Also stelle ich mich an die Haltestelle, doch nun bemerke ich, dass Sonntag ist und die Busse seltener verkehren. Um Acht soll ich am Hafen sein, doch dies lässt sich nun nicht mehr machen. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Wenn das Schiff weg ist, hab ich ein derbes Problem.

Gegen 8:45 war ich dann am Hafen und ich beginne das Warten am Eingang neben den beiden Sicherheitsleuten. Mhh, denke ich, da war der deutsche Pünktlichkeitsfanatiker doch schon wieder da. Natürlich ist das Schiff noch lange nicht weg. Mir wird zwar versucht irgendwas zu erklären, aber ich verstehe nun mal kaum etwas in portugiesisch. Ich beobachte wie LKWs mit ISO-Containern kommen und gehen. Ein Kranwagen lädt die Container auf und ab oder bringt sie woanders hin. Hin und her wuseln die Maschinen. Ein Gabelstapler-Team entfernt oder bringt Kühlaggregate an die weißen Kühlcontainer an.

Im nächsten Schritt sitze ich dann in einem weißen Container und warte wieder, dass Eduardo kommt. Das Spiel kenne ich schon und Geduld zu haben fällt mir nach über zehn Monaten Südamerika ziemlich leicht. Das berühmte Theaterstück würde in Natal übrigends „Warten auf Eduardo“ heißen, da das wohl so das üblichste war was ich an verschiedenen Orten im Hafen gemacht habe. Tatsächlich haben mich dann aber immer wieder andere Leute geführt oder gefahren.

Dann stehe ich bei der Hafenpolizei. Ein einziger völlig unmotivierter Beamter sitzt hinter seinen Rechner und schaut meine Papiere an. Er sagt nichts und gibt sie mir irgendwann wieder. Währenddessen sind gleich zwei Seeleute von der „CMA CGM Saint Laurent“ kommen. Meinem Schiff. „CMA CGM“ ist der Name der Reederei. Den einen ukrainischen Schiffsoffizier, Dmytro, erkenne ich auch direkt wieder. Nachdem ich ihm das erklärt habe, meint auch er, dass er mich wiedererkennt. Naja, freudiges Wiedersehen sieht anders aus, aber das ist wohl unseren kühlen Naturellen zu verdanken.

Sie haben zwei große Stapel blauer und roter Reisepässe mitgebracht, die der Hafenbeamte nun auch noch alle bearbeitet. Als das unspektakulärste Spektakel sein Ende fand, gehe ich einfach mit den beiden Seeleuten mit. Es ist nicht weit und das große Containerschiff unschwer zu erkennen. Im dunklen Ozean-Blau liegt sie wieder da. Beachtet mich nicht, aber für mich ist sie beachtlich. Die schiffseigenen Kräne sind am rotieren und laden und entladen nach und nach. Irgendwie ist der Schritt zum Schiff auch vertraut. Seltsam bekannt und aufregend zu gleich. und traurig, da es das Anfang vom Ende ist.

Wir gelangen zur Gangway und ich beginne den Aufstieg aufs Schiff. Aber der Aufstieg auf das Schiff ist auch der Abstieg von Südamerika …


Apr 5 2019

Traumstrand oder: was so eine Riesenschildkröte denkt?

Von Karl

Arraial do Cabo, Rio de Janeiro, Brasilien

 

Schneeweiß legt sich der Sandstrand aus. Lang, in einer Sichelform und rechter Hand bis in den Horizont reichend. Linker Hand durch eine grüne felsige Zunge gestoppt, auf der arme Fischer*innen sich eine Bleibe aus Holz gebastelt haben. Das Wasser liegt ruhig und flach da. Nur knapp am Strand rollt mal eine flache Welle, die dem Schwappen in der Badewanne keine Konkurrenz macht. Türkis ist die Farbe des paradiesischen Wassers und ein wenig von dem ist auch hier.

Der Strand ist übervoll mit Strandschirmen in verschiedenen Farben. Auf den unzähligen weißen Plastikstühlen haben sich hunderte Badegäste breit gemacht. Zwischen ihnen fliegende Händler*innen mit Acai, heißen Maiskolben, Sonnenbrillen und was mensch hier so brauchen könnte. Der Sandstrand ist breit und dahinter liegt oberhalb die Straße, die in dem Bereich eine Promenade bildet. Noch mehr Möglichkeiten etwas zu essen oder zu trinken versammeln sich hier. Zwischen Churro– und Hot-Dog-Wagen gibt es auch Bootsfahrten im Angebot. Churros sind übrigens sehr lecker (-;

Ich stehe an der Wasserkante und denke kurz darauf: Kein Wunder das ein Ort um die Ecke „Cabo Frio“ heißt, also kaltes Kap. Das Wasser ist tatsächlich ziemlich kalt. Vielleicht sogar einstellig. An Schwimmen oder Baden ist eh nicht zu denken, da das Wasser auch nach hundert Metern kaum tiefer wird. Zurück am Strand genießen wir den Untergang der traumhaft schönen gold-rot-leuchtenden Scheibe. Sowie sie unterging beginnen alle zu klatschen. Ein Phänomen, welches ich schon Rio sah, aber nicht zuordnen konnte. Applaus für den Sonnenuntergang, kuriose Sache. Viele brechen dann auch auf und der Strand lichtet sich und die Arbeiter*innen von der Tourismusindustrie beginnen die Schirme und Stühle auf Wagen zu packen. Auch wir brechen auf, streifen durch die Straßen des Küstenstädtchen. Der Nahe Supermarkt ist zu der Zeit völlig überlaufen und wir freuen uns dann als wir unser Haus erreichen.

Boot 1

Wir sind in Arraial do Cabo angekommen, einem kleinen Städtchen, in der Nähe von Cabo Frio. Auf einem Vorsprung gelegen, der in den Atlantik reinreicht. In verschiedene Richtung gibt es diverse Strände und trotz vieler Touris läuft das Leben reichlich gemächlich ab. Es fährt zwar ein Party-Bus nachts seine Runden, aber die meisten zieht es eher an den Strand.

Wir sind in einem zukünftigen Hostel untergekommen. Ein junges alternatives Pärchen aus Argentinien bietet ein paar Betten an und möchte dass bald ein Hostel daraus wird. Nebenbei arbeiten sie als Photograph*in im Hafen. Nur entspannte Menschen können wir dort antreffen und genießen das wohlige Leben mit ihnen. Wir teilen Biere, Suppen, Spaghetti, Zeit und was wir noch so haben. Wir kommen auch an günstige Bootstouren.

Unser erstes Mal im Hafen bin ich geschockt von den hunderten Menschen die anstehen und Boote suchen. Aus dem ehemaligen kleinen Bootshafen ist ein touristischer Hot-Spot geworden. Dutzende Leute in der Stadt und auf dem Weg versuchen Tickets zu verkaufen. Nach dem wir noch die Hafengebühr entledigt haben, warten wir, dass unser Boot aufgerufen wird, damit auf den Steg können.

Die Sonne bruzelt unablässig auf uns hernieder und freudig klettere ich auf das Boot, als es dann soweit ist. Das Dach ist für die VIP-Tickets vorbehalten, aber warum ich direkt gleich in der prallen Sonne verbrennen sollte und dafür noch Geld bezahlen … das verstehe wer kann. Eine Animatorin beginnt ihren ungebremsten Redefluss und versucht die nächsten Stunden uns zum Kauf von etwas Frittierten im Heckbereich, zum Mieten von Schnorchel-Sachen, zum Tanzen, Photographieren lassen durch die bordeigenen Profis und schlussendlich zum Bezahlen und Trinkgeld zu bewegen.
Nahezu gleichzeitig starten zwei dutzend weiterer Boote, sodass es an den bestaunenswerten Felsformationen und Höhlen zu Warteschlangen an Touri-Booten kommt. Manche unserer Mitfahrenden lassen sich gepflegt mitreisen von der aufkommenden Party-Stimmung und haben Teils entsprechende Getränke selbst dabei.

Wir fahren auch verschiedene sonst einsame Strände an, die wohl, wenn mensch sie einsam betritt, auch idyllisch unberührt wirken. Da aber eine Armada an Schiffen ihre Anker ausgelegt hat und wir gruppenweise mit dem Schlauchboot an den Strand gebracht wurden, wird dieses Gefühl etwas gedämpft. Wir mussten auch etwas warten, da immer nur 200 Leute für einen Strand zugelassen waren. An diesem einen hat sich das Schnorcheln auch etwas gelohnt, da ein paar Fische zu sehen waren, wenn mensch sich etwas von den größeren Massen entfernt. Da aber eine halbe Stunde auch schnell rum ist, ging es wieder flott zurück und zum nächsten Strand. So arbeiten wir dann nach und nach vier Strände ab.

Als ich am nächsten Tag die roten Hautpartien untersuche, beschließe ich einen Tag im Haus einzulegen und erst mit der Dämmerung trete ich wieder unter den offenen Himmel. Wir sind ehrlich gesagt auch generell etwas versackt, weil die Leute nett und die Strände schön sind. Eine unserer Mitbewohner*innen arbeitet bei einer Tauch-Agentur.

Schiff 2

Wenige Tage später brechen wir wieder frühs auf, um dann von der Tauch-Agentur aus wieder in den Hafen zu gehen. Diesmal ein spezielles Boot für die Tauchwilligen. Reihenweise wurden Tauchflaschen an Bord gepackt und angeschnallt. Der Bootsführer ist ein stummer alter Seebär. Verschiedene Tauch-Agenturen teilen sich rein und so werden wir zur spanisch-sprachigen Gruppe gesteckt. Jacket, Flasche, sämtliche Regulatoren, Druckausgleich, alles wird uns im Detail erklärt. Das Boot fährt nicht wirklich weit und wir gehen vor Anker. Als erstes gehen die erfahrenen mit Tauchschein von Bord, die tauchen etwas länger als wir Anfänger*innen. Tatsächlich sind nur wir und eine weitere völlige Neulinge. Gut, ich hatte das schon mal gemacht, irgendwann, aber das ist gefühlt Jahrzehnte her.

Ich reihe mich als letzter in unser Trio ein und überbrücke die Zeit damit etwas zu schnorcheln. Wir ankern vor einer Insel mit großen Steinen. Entsprechend sieht es auch unter Wasser aus. Große Steine stapeln sich und es geht ziemlich direkt nach unten. Die Steine sind von mancher Koralle noch bewachsen, aber dann doch eher das zu Hause von den schwarzen Seeigeln. Dafür gibt es unzählige Fische. Farben und Formen wurden in ihrer kompletten Vielfalt kombiniert. Manchmal mit großen Augen oder Stacheln, dann wieder eher in Form eine Kugelschreibers. Wir beäugen uns gegenseitig.

Als ich dann als Taucher zurückkehre, der gar nichts machen muss, als zu atmen und zu gucken, kommen wir den Tierchen noch näher und wir bestaunen uns gegenseitig. Manche sind ziemlich groß und sind sicherlich so lang wie mein Arm. Andere treten in gleichförmigen Schwärmen auf. Der Moment wenn wir im Wasser schweben und ein Schwarm gleitet unter einem durch und mag nicht enden, hat etwas magisches.

Ich bin viel zu sehr mit der Unterwasserwelt um mich herum beschäftigt, als dass mir in der Ferne ein großer Bewohner aufgefallen wäre. Eine Seltenheit, wie es im Vorfeld hieß, denn er erscheine nur den wenigsten. Mein Tauch-Lehrer zeigt auf die Riesenschildkröte und wir schweben an sie ran. Wie ein alter Mensch, der schon alles gesehen hat, gleitet sie weiter unbeeindruckt durch die blaue Weit. Sie beobachtet uns aus ihren alten Augen, aber setzt ihren Weg, weg vom Riff, weiter fort.

Wir gleiten um den Giganten, der gut über einen Meter Länge hinaus gewachsen ist. Ein wenig bekomme ich dann doch den Eindruck, dass wir stören könnten, weil wir sehr nah heran kommen. Ihre ledrige Haut zeugt von Jahrzehnten der Lebenserfahrung. Ich frag mich, was der*die alte wohl erlebt hat. Ob sie darüber klagt, dass es früher mal ruhiger in der Gegend war? Damals war alles besser bla bla bla? oder ob sie sich noch ganz jung fühlt und weiter auf Entdeckung aus ist und sich überraschen lässt. Ich konnte sie nicht fragen. Wir drehen um, denn unsere Zeit läuft ab.

Insgesamt läuft die Zeit gegen uns und wir brechen auch am nächsten Tag aus Arraial auf. Auf unseren Weg zurück zum Bus treffen wir all unsere freundlichen Teilzeitmitbewohner*innen, bis dann der Stadtbus mit uns zum Busbahnhof in Cabo Frio aufbricht.


Aug 16 2018

Cartagena: Türkis, Schwarz, Orange

 

Von Karl

Türkis

Das Wasser ist türkis, die Bucht einsam, die Bäume tropisch. So stellen sich viele das Paradies vor. und da waren wir. Jetzt nicht im Paradies, aber so wie es sich viele vorstellen. Mit der Schwimmbrille beobachte ich über das Wasser gleitend die tausenden kleinen Fische, die hier in Schwärme durch das Meer huschen oder wie ertappt neben mir schweben. Die Wellen sind schwach und die Sonne brennt. Das türkise Wasser wird nur langsam tiefer und ist durch Felsen unterbrochen, die allesamt bis knapp an die Wasseroberfläche reichen. Hier siedeln weitere Fische, die teilweise handgröße überschreiten. Manche tarnen sich mit ihrer schwarzen Farbe auf den dunklen Steinen weg, andere haben lila schimmernde Schuppen.

Bevor mir die Sonne einen Sonnenbrand auf den Rücken zaubert, übergebe ich die Schwimmbrille an die schon im Ufer wartende Rosa. Die Bucht ist eng und hat nur einen kleinen Bereich Sandstrand. Da aber sonst niemand da ist, ist der Ort perfekt. Von hier gehen verschiedene Höhlen und felsige Wege ab, die zu einen weiteren ähnlichen Ort führen.

Unser Glück soll aber nicht ewig halten und bald kündigt sich mit heftigen Donnern ein Gewitter an. Mit Blitzen und Starkregen nähert sich ein ordentliches Unwetter. Gut, denke ich mir, dann eben eine kostenlose Dusche um das salzige Meerwasser abzuspülen. Ich bringe meine Sachen ins Trocken und warte geduldig.

Der eigentliche Strandbereich ist viel viel länger und völlig überlaufen. Ein Geschäft reiht sich auf dem Strand an das nächste. Restaurants, Bars, Verleiher, etc. Wer hinter den Hütten lang läuft findet eine völlig verschmutzte Lagune vor. Die Schattenseite des intensiven Tourismus in dem Naturschutzgebiet.Trotz herannahender Blitze wird weiter fröhlich gebadet, Jetski gefahren und Ausflüge mit schmalen Holzbooten gemacht. Durch den starken Regen können wir später unbehelligt den Weg zurück finden. Ein Bus brachte uns her und nimmt uns wieder zurück nach Cartagena.

Schwarz

Cartagena ist wohl der berühmteste Touri-Ort Kolumbiens. Voll mit kolonialen Bauten, mittelalterlichen Mauern und Verteidigungsanlagen aus Zeiten als Spanier*innen hier das Raubgold nach Europa verschifften, westafrikanische Sklav*innen verkauften und englische Pirat*innen versuchten Teile streitig zu machen. Andere Teile stehen voll mit Hochhäusern, die entweder Hotels oder luxuriöse Apartments enthalten. Eine Halbinsel soll ausschließlich daraus bestehen, aber auch der östliche Teil Cartagenas beherbergt einige Dutzend dieser Mini-Wolkenkratzer. Wir machen einen eigenständigen Rundgang durch das Zentrum, der durch Schilder unser Wissen anreichert. Vielfach wird auch das Leben der schwarzen Sklav*innen thematisiert, die schlimmstmöglich behandelt wurden. Wie Ware wurden sie gehandelt, d.h. auf dem Markt feilgeboten. Insofern sie unbeschadet die lange Reise über den Atlantik überlebt haben.

Die Straßen im Zentrum sind sehr schick gemacht. Sehr bunte Häuserwände, mit vielen Blumen und enge Gassen lassen das Herz vieler Touris höher schlagen. Unser Rundgang endet in einem Park mit einem Stück Anoncillo-Strauch. Das ist eine kubanische Bezeichnung für kleine Früchte, die es in englischer oder deutscher Sprache nicht gibt. Sie sind nicht viel größer als eine Murmel, dunkelgrün, ledrige Haut und innen ein recht großer heller Kern. Das orange Fruchtfleisch ist sehr saftig, süß und eine Spur sauer. Auf jeden Fall sehr lecker. Während wir das noch genießen, kommt eine dunkelbraunes Eichhörnchen und fängt an einige der Kerne neben einen Baum zu vergraben. In Kolumbien heißt die Frucht wohl Mamón oder Mamoncillo.

Orange

Nach Cartagena sind wir per Bus gekommen. 13 Stunden von Medellín aus. Die Details, warum ich im Bus nicht schlafen konnte, zu der Verrückten Mitfahrerin und ihrer nächtlichen Hyperaktivität … ja, das möchte ich euch ersparen. Mit dem Ausstieg aus dem gekühlten Bus, erschlug uns die hiesige Hitze. Karibische 33 Grad sind hier normal. Seitdem schwitzen wir alles vor. Meine Shirts haben weiße Salzflecken und meine Haut ist gerötet. Jeder gekühlte Raum und gekühlte Bus ist eine Wohltat. Am Tag unserer Abreise bin ich extra um 5:15 aufgestanden um noch vor dem Sonnenaufgang im Meer zu sein. Tatsächlich ist ein Strand nur ca 15 Minuten von unserer Unterkunft entfernt. Noch sehr ruhig breitet sich die Karibik vor mir aus, als ich langsam in das Meer gehe. Nicht nur, dass es draußen noch angenehm ist, was nicht heißt, dass es kühl ist, nein, noch ist das Meer abkühlend, was es tagsüber nicht mehr ist. Nach ein paar hundert Metern kann ich eine orange Scheibe am Strand aufgehen sehen, die ich am Abend zuvor noch über der Karibik untergehen habe sehen können.

 

PS.: Nun eine aktualisierte Karte mit den Orten in Kolumbien, wo wir sind bzw. waren: