Jul 28 2018

Vivir mi Vida – Lebe mein Leben

von Karl, Medellín, 22. Juli 2018

 

 

Liebe Leser*innen. Bitte, bitte dreht die Musik laut auf, öffnet den Link in einen neuen Fenster und versucht mitzusingen. Vivir mi Vida, d.h. Lebe mein Leben. Bevor ich mehr von der Hauptstadt des Salsas erzähle, braucht ihr das Gefühl und Leben von Salsa. Also jetzt hier klicken, dann nach dem Lied etwas leiser drehen und zurück auf diese Seite kehren!

Vivir mi Vida – Marc Anthony

Willkommen in Cali, der Hauptstadt des Salsas. Natürlich waren wir weg. Ein riesiger Schuppen am Rande der Stadt. Luftig aufgebaut mit tausenden Tischen und kleinen Tanzflächen. Verteilt in den verschiedenen Bereichen. Wieder wird ein Salsa-Klassiker aufgelegt und gemächlich erheben sich die Menschen von den bunten Plastiktischen und beginnen Salsa zu tanzen, als wenn es das normalste auf der Welt ist. Für mich allerdings eine Herausforderung, nicht so auszusehen, wie all die anderen Backpacker. Die sich nicht darum scheren wie viel Platz sie nehmen und wie weit weg es vom eigentlichen Salsa ist. Rosa dagegen zeigt sich professionell. Getanzt wird nur paarweise.

Kurz möchte ich also etwas Tanzmusik erklären:

Salsa

Salsa heißt als spanisches Wort „Soße“. Entstanden ist es unter den lateinamerikanischen Immigrant*innen in den USA und ist heute sehr verbreitet im spanischsprachigen Lateinamerika. In verschiedenen Salsa-Hochburgen haben sich über die Jahrzehnte verschiedene Spielarten ausgebildet. Z.B. in Kuba oder Puerto Rico. In Cali wird traditionell sehr schnell getanzt. So schnell, dass es schwer ist den Füßen der Könnenden zu folgen.

Bachata

Bachata begann seinen Siegeszug erst in den 60er Jahren in der Dominikanischen Republik. Es ist meist langsamer als Salsa, etwas romantischer. Die Schrittfolge ist sehr leicht und besteht vor allem darin zwei Schritte nach rechts und wieder zwei Schritte nach links zu machen. und so klingt’s (einfach drauf klicken)

Merengue

Merengue stammt von der Landbevölkerung der Dominikanischen Republik und hat auch einen einfachen Tanzstil. Bei jedem Takt wird einfach ein Schritt nach vorn, zur Seite oder nach hinten gemacht. Alle drei Tänze haben gemein, dass der Hüftschwung sehr ausgeprägt ist, und dadurch die Schultern eigentlich gar nicht bewegt werden. und so klingt’s

SalsaChoke

SalsaChoke ist eine neue Mischung aus Salsa und Reggaeton, die gerade die Tanzflächen erobert hat. Reggaeton ist vor allem in der Karibik und damit auch in Kolumbien beliebte Musikrichtung, die sich aus Reggae, R&B, Hip-Hop, Rap und auch europäischer Disko-Musik entwickelt hat. und so klingt SalsaChoke und so Reggaeton

Thematisch geht es in vielen Liedern um die verlorene Liebe. Die oder der Angebete möchte meist nicht, wie der oder die Sänger*in. Auch etwas europäischer Elektro wurde an dem Abend gespielt. Letzteres wird natürlich nicht mehr paarweise getanzt. Sondern im klassischen Disco-Kreis. Wichtig ist vermutlich, einfach keine Angst zu haben. Wie hat schon Marc Anthony in Vivir mi Vida gesungen:

Manchmal kommt der Regen
Um die Wunden zu reinigen
Manchmal nur ein Tropfen
Kann die Dürre überwinden
Und warum weinen?
Wenn ein Schmerz schmerzt, vergiss es
Und warum leiden?
Wenn das die Lebensweise ist, musst du es leben

Da unserer Mutti immer wieder die Augen zufallen, entscheiden wir uns, den Heimweg anzutreten. Ja, ihr lest richtig, wir waren nicht mit der Couchsurferin unterwegs, sondern mit ihrer Mutti. Sie hat sich extra etwas schick gemacht und wir sind zu dritt losgezogen. Die Mutti hat uns auch so behandelt, als wenn wir ihre Kinder wären. Bis dahin, dass sie einmal Rosas Shirt gerade gezupft hat. Begonnen hat sie damit, dass sie uns bis zur Bushaltestelle gebracht hat, um dann zu schauen, dass wir auch wirklich in den richtigen Bus einsteigen. Ansonsten waren wir natürlich bestens umsorgt und sind dankbar, dass sie das Sofa in ihrer kleinen Wohnung mit uns geteilt haben.

Cali selbst liegt in einem Tal mit schicken Fluss. Durch die vergleichbar geringe Höhe (1000m über NullNull), ist es auch sehr warm. Busse verkehren auf eigenen Busspuren und bringen einen rasend schnell überall hin. Es gibt neuere große Fußgänger*innen-Zonen und viele Hochhäuser. Manche gleichen dem Baustil „sozialistischer Realismus“ und könnten so auch in Osteuropa oder Ostberlin stehen. An anderen Stellen finden sich sehr lebhafte und enge Straßen mit Verkaufsständen aller Art.

Cali ist berühmt geworden mit einem von zwei Drogen-Kartellen, dem Cali-Kartell, welche den Großteil des weltweiten Kokain-Handels ausmachten. Das Gramm Kokain kann in Kolumbien schon für 3 Dollar produziert werden, während ist in den USA 3000 Dollar wert ist. und dann wird es in der Regel noch auf 30% gestreckt. Mittlerweile hat der Krieg gegen die Drogen seine Spuren hinterlassen und die aktuellen Händler*innen gelten als „invisibles“ (Unsichtbare). Kein Prunk, kein Palast, kein fettes Auto mehr. Das Geschäft aber geht weiter.

Direkt an Cali drann liegt ein Berg mit drei großen weißen Kreuzen, die auch nachts leuchten. Wir machen uns auf, diesen Berg zu beklimmen. Jedoch gleicht es streckenweise einer felsigen Kletterpartie, als dem gemütlichen Wandern. Nach mindestens einer Stunde starken Schwitzens lassen wir uns auf die Bank unter den Kreuzen fallen. Als wenn das kein Training genug ist, gibt es hier noch einige Trainingsgeräte im Freien. Zu unseren Erstaunen, sind auch einige sportlich dabei und nicht nur dass, einige joggen sogar auf den Berg. Verrückt!

Was soll ich noch dazu sagen? oder um es nochmal mit Marc Anthony zu sagen:

Ich werde lachen, ich werde tanzen
Was soll ich weinen? Warum leiden?
Fang an zu träumen, zu lachen
Ich werde lachen, ich werde tanzen
Fühlen und tanzen und genießen
Dieses Leben ist eins
Ich werde lachen, ich werde tanzen
Lebe, folge, immer weiter, schau nicht zurück
Das!
Meine Leute, das Leben ist eins
Ich werde lachen, ich werde tanzen
Lebe mein Leben – Vivir mi Vida!

PS.: das sind unsere ersten Orte in Kolumbien:


Jul 27 2018

Verschlafen

von Rosa

Berge, blauer Himmel, mein Kopf nickt nach links und ich bin wieder weg. Wald, ein paar Wolken, mein Kopf nickt nach rechts und ich bin wieder weg. Von den ersten Stunden in Kolumbien bekomme ich nicht viel mit. Die Nachtfahrt zur Grenze, das Warten bei der Passkontrolle und die zwei Naux (Reisetabletten) lassen mich die gesamte Strecke nach Popayán schlafen. Selbst im Busbahnhof fällt mein Kopf auf den Rucksack und so bekomme ich nicht mit, dass Karl in der Zwischenzeit schon kolumbianische Pesos besorgt, unsere Couchsurferin kontaktiert und Mittagessen gefunden hat. Für 1 Euro erhalten wir 3.300 kolumbianische Pesos und so haben wir kurzerhand ziemlich viel Geld in der Hand. Neben meinem improvisierten Schlafplatz rutschen zwei Mädchen in auffälligen Kleidern und kunstvoll frisierten Haaren über den Boden. Viele Mädchen werden hier sehr heraus geputzt, sodass sie wie kleine Disneyprinzessinnen aussehen. Die Nägel der Kleinen knallbunt, Ohrringe und Lackschuhe. Bei dem Spielverhalten der beiden wären allerdings eher Jogginghose und Turnschuhe angebracht.

Kurz bevor ich wieder einschlafe, kommt Annie unsere Couchsurferin um die Ecke. Annie ist klein, hat braune Augen, dunkle Haare und ein ansteckendes Lächeln. Wir sind ihre ersten Couchsurfer. Sie ist etwas aufgeregt. Wir fahren eine lange Straße hinunter in den Stadtteil El Bosque. In einer Seitenstraße steht ein unfertiges Haus auf einer Wiese. Annie wohnt hier mit ihrem Vater. Popayán wurde schon 1537 gegründet und viele bedeutende Politiker Kolumbiens kamen aus der Stadt. Heute ist Popayán eine Studentenstadt und auch Annie ist hier um Chemie an der Universität von Cauca (eine Provinz) zu studieren. Das Studieren an staatlichen Universitäten ist in Kolumbien kostenfrei bis zum Master. Deswegen will Annie ihren Master in Spanien oder Argentinien machen, um ein bisschen Geld zu sparen. Politischer Protest gehört an staatlichen Universitäten zur Kultur erzählt uns Annie. So fiel im letzten Semester für drei Monate die Uni aus, weil die Studierenden streikten. Mein Körper scheint sich auch im Streik zu befinden und schnell schlafe ich nach dem Abendbrot ein.

Am nächsten Morgen bin ich dann mehr oder weniger wach. Wir fahren in die Innenstadt um an einer Free Walking Tour (Stadtführung auf Spendenbasis) teilzunehmen. Was uns als erstes auffällt, sind die weißen Kolonialhäuser, weswegen Popayán auch weiße Stadt genannt wird. Die Menschen bestrichen ihre Häuser mit Kalk, um sich vor einem Schädling zu schützen, der sich in die Haut bohrt. Unsere drei Tourguides zeigen uns Bilder von dicken, aufgeblähten schwarzen Füßen. Es sieht schmerzvoll aus. Aber man sagte den Menschen, die mit diesen Schädlingen lebten, besondere Weisheit nach. Einige Häuserecken wurden vom weiß ausgespart, damit sich die Menschen dort die Füße kratzen konnten, ohne das weiß zu beschmutzen. Einmal im Jahr werden heute noch alle Wände der Innenstadt neu geweißt, um die Stadt im besten Glanz zur berühmten Semana Santa (Osterwoche) zu präsentieren.

Popayán wurde von vielen Erdbeben heimgesucht. 1983 starben über 50 Menschen, weil sie in einer Kirche Schutz suchten und das Kuppeldach einfiel. Allen Erdbeben standgehalten hat eine Brücke, die von einem italienischen und deutschen Mönch konstruiert wurde. Beide Architekten mussten ein Mittagessen unter der Brücke einnehmen, um der Bevölkerung zu beweisen, dass die Brücke stabil ist. Wie würden die Mathematiker sagen: Was zu beweisen war. Auf dem Berg „Tres Cruzes“ (Drei Kreuze) gibt es eine Erfrischung bestehend aus gepresstem Zuckerrohr und ein bisschen Orange. Es ist sehr sehr süß. Generell ist vieles sehr süß in Kolumbien. Sogar das Brot ist in den meisten Fällen mit Zucker versetzt. Wir müssen uns erst noch daran gewöhnen. Als uns dann noch caña de azúcar (Zuckerrohr) angeboten wird, lehnen wir freundlich ab, währenddessen alle anderen fröhlich darauf rumknabbern.

Nach der Stadttour erkunden wir auf eigene Faust die Innenstadt von Popayán. An diesem Sonntag scheint auch die Stadt verschlafen. Die Geschäfte sind geschlossen, die Fensterläden zugeklappt und ein Haus gleicht dem anderen. Alles wirkt sehr gemütlich und gemächlich, was uns bei der Hitze auch sehr entgegenkommt. Wir besuchen das Museum des ehemaligen Präsidenten Guillermo Leon Valencia. Doch außer vielen Porträts von ihm und denen seiner Eltern, Tanten, Großtanten und weiteren wichtigen Familienmitgliedern gibt es nicht viel zu sehen. Dann machen wir uns lieber auf den Weg zum Morro de Tulcán. Einem Hügel von dem aus sich uns ein Rundblick über die Stadt bietet. Dieser Hügel wurde von einem Volk der prekolonialen Zeit als Erdpyramide errichtet. Die Bestimmung ist unklar. Heute ist sie Ausflugsziel für Familien. Rechts neben mir spielt ein Junge mit einem bunten Windrädchen. Bei der Familie vor uns hat jeder seine eigene Chipstüte, die gemütlich aufgegessen wird. Schaue ich nach links kommt ein Lama und ein Junge auf mich zu. Der Junge versucht vergeblich uns und die anderen zu einem Foto mit dem flauschigen Tier zu begeistern.

Auf dem Weg zurück in die Stadt kommen wir am Mora Castilla vorbei. In diesem Restaurant werden kolumbianische Spezialitäten serviert. Wir probieren Salpichón. Ein Getränk aus gestoßenem Eis und Früchten. Wie eine Eisbowle nur ohne Alkohol. Das rote Getränk ist sehr lecker und erfrischend. Dazu gibt es Empanadas (Teigtaschen) gefüllt mit Kartoffeln und Erdnusscreme. Annie bringen wir noch Kekse als Gastgeschenk mit, die uns an Weihnachtsplätzchen erinnern. Zum Abendbrot kochen wir Pasta und Annie Arepas. Das sind kleine runde Fladen, die aus Maisteig gebacken werden und je nach Belieben mit Käse oder Hühnchen belegt werden. Ich belasse es bei einem Probierstück. Annie zeigt uns auf Youtube typisch kolumbianische Musik und Orte, die wir unbedingt besuchen sollen. Als wir am Ende auf unsere Liste schauen, stehen dort so viele Orte, dass wir die nächsten 6 Monate auch ohne Probleme nur in Kolumbien verbringen könnten. Annie reist am nächsten Tag zu ihrer Familie und wir fangen mit unserer Liste in Cali an. Auf der Fahrt dorthin bekomme ich kein Auge zu – Ausgeschlafen.


Jul 3 2018

Wo wir sind … in Ecuador

Zur Zeit sitzen oder liegen wir in Puerto López. Unsere Route verlief über Guayaquil und Playas hierher. Unsere nächsten Orte – so unser Plan – werden Quevedo, dann Mindo und schlussendlich Quito sein. Danach geht’s ab nach Kolumbien. Wir werden aber nochmal nach Ecuador zurückkehren …