Aug 30 2018

Palmen und Berge?!

von Rosa

Wir liegen im grünen Gras. Es fällt uns schwer die Augen aufzuhalten. So blinzeln wir der Sonne entgegen und lassen einfach nur die Umgebung auf uns wirken. Hellgrüne Berghänge, dunkelgrüne Bergspitzen und blauer Himmel mit vorbeiziehenden Schäfchenwolken. Ich lege den Kopf ins Gras und muss mir immer noch die Augen reiben, um zu begreifen, dass zwischen den Bergen in diesem Tal Palmen stehen. Es gibt ganz unterschiedliche, kleinere, größere, manchmal ist nur noch der Stamm da. Wie Zahnstocher in Landschaft. Kein Meer weit und breit.

Fünf Uhr morgens bin ich in Armenia. Zwei Stunden eher als geplant. Im Busbahnhof stehen Backpacker in den Ecken und warten auf ihre Weiterfahrt. Ich warte auf einen ganz besonderen Backpacker: Daniel. Für mich ist er Schweizer, obwohl er erst seit vier Jahren dort lebt. Wir hatten uns in San Gil im Hostel kennengelernt und bis fünf Uhr morgens über Gott, die Welt und die Schweiz philosophiert. Zufällig haben wir uns in Bogotá wiedergetroffen. Er meinte, er buche immer das günstigste Hostel und so kreuzten sich unsere Wege weil das auch meiner Reisephilosophie entspricht. Nach einem Bier in Papiertüten (weil es in Bogotá verboten ist in der Öffentlichkeit zu trinken) beschlossen wir gemeinsam nach Salento zu fahren.

Zwischen den anderen Reisenden sehe ich einen Mann mit Basecap unter dem eine Justin Bieber Frisur zu erkennen ist. Das ist Daniel. Er ist genauso müde wie ich, aber wir schleppen uns zu einem kleinen Bus, der uns in 40 Minuten nach Salento bringt. Ein buntes Touristenstädtchen mit viel Handwerk, kleinen Restaurants und eben jeder Menge Touristen. Unser Hostel sieht aus wie die Villa Kunterbunt und so sind im Garten wahllos Gegenstände verteilt, u. a. auch ein Nussknacker und ein Weihnachtsmann. Frohe Weihnachten!

Auf dem Marktplatz stehen die Touristen in einer Schlange und warten bis sie ein Jeep ins Valle Cocora – Tal der Palmen mitnimmt. Daniel stellt sich mutig auf die kleine Ladefläche des Jeeps und genießt dafür einen tollen Ausblick. Die meisten Touristen setzten sich auf ein Pferd, um das Tal zu erkunden. Wir wählen unsere Füße und wandern die Hügel hinauf und wieder hinunter. Aller 200 Meter halte ich an, um wieder ein Foto aus einer anderen Perspektive aufzunehmen. Ich bin von der Schönheit dieses Ortes überwältigt und nur mein knurrender Magen kann mich zum gehen überreden.

Es gibt sie wirklich. Eine Bar, wo es erlaubt ist Sprengstoff zu zünden. Als mir ein paar andere Backpacker von der Bar erzählen, glaube ich eher an einen Werbetrick. Doch jetzt stehe ich in einer Halle, habe ein Bier in der Hand und es riecht nach Silvester. Das Ganze hat auch noch einen offiziellen Namen und heißt Tejo. Ein Volkssport in Kolumbien. Am Eingang der Halle durften wir uns einen zwei-bis drei Kilogramm schweren Stein aussuchen, der unser Wurfglück bestimmen soll. Jetzt stehen wir vier Meter von einem Lehmhügel entfernt. In der Mitte des Lehmhügels liegt ein tellergroßer Ring auf dem kleine Papierdreiecke liegen. So ganz habe ich das Spiel noch nicht verstanden, aber ich werfe einfach mal und erschrecke mich prompt, weil es tatsächlich knallt. In den Papierdreiecken ist Sprengstoff und es dampft. Für mein Anfängerglück wird mir auf die Schulter geklopft. Aber es geht hier nicht nur um den Spaß, sondern auch um Punkte. Die bekommt man entweder, wenn man direkt in den Ring trifft, es knallt oder wenn sein Stein von allen Werfern am nächsten am Ring landet. Es geht bis 21. So werfen wir, zählen Punkte und ab und zu erschrecken wir uns. Zwei andere und ich haben alle 20 Punkte. Es kommt zum Showdown. Am Ende gewinne ich unspektakulär mit Präzision. Liebe Leser, bitte nachmachen. Vielleicht auf der nächsten Gartenparty.

Salento liegt in der sogenannten Kaffeezone, einem Gebiet, wie es der Name schon verrät, in dem besonders viel Kaffee angebaut wird. Wir machen eine kleine Wanderung, vorbei an Kaffee- und Obstplantagen. Da ich schon in Peru einiges über den Kaffeeanbau gelernt habe, entscheiden wir uns für einen frisch gepressten Saft am Wegesrand. Die Wanderung wird nicht langweilig, da Daniel ein begnadeter Geschichtenerzähler ist. Südamerika ist für ihn nur ein Zwischenstopp auf seiner Weltreise, die ihn von Hongkong über Australien, Lateinamerika bis nach Indien führt. In den vier Jahren Schweiz hat er soviel gespart, dass er sich nun seinen Traum erfüllen kann. Als wir gerade auf dem Weg nach Hause sind, beißt mich ein Hund während des Laufens in meinen Knöchel. Nicht tief, aber es kommt ein bisschen Blut. Nachdem die Hunde in Südamerika meine Schuhe und Reiseführer angefressen habe, bin nun auch noch ich selbst dran. Ein Hoch auf die Tollwutimpfung.

Mit einem Zwischenstopp in Cali, reisen wir weiter nach Ipiales, einem Ort an der ecuadorianischen Grenze. Dort gibt es eigentlich nicht viel zu sehen, außer eine Kirche, die in eine Schlucht gebaut wurde. Santuario de las Lajas ist in 20 Minuten gut von Ipiales zu erreichen. Das neogotische Bauwerk wurde über einem Fluss errichtet und der Blick von einer nahegelegenen Erhöhung auf die Kirche ist mehr als beeindruckend.

An der Grenze nach Ecuador warten wir insgesamt drei Stunden. Es sind hier deutlich weniger Venezolaner als noch vor ein paar Wochen. Menschen ohne Reisepass dürfen nicht mehr einreisen. Leisten kann sich diesen Reisepass fast niemand mehr in Venezuela. Als wir nach sechs Stunden Fahrt endlich in Quito ankommen, stehen am Busbahnhof auf einer Verkehrsinsel viele Zelte aneinandergereiht. Hier leben Geflüchtete aus Venzuela. Auch ohne jemals in Venzuela gewesen zu sein, habe ich durch die Menschen viel über das Land und die politische Situation erfahren. Hoffnung, dass es in ihrem Land bald besser wird, haben die wenigsten. Das Privileg frei reisen zu können, wird mir in solchen Momenten immer besonders deutlich. Im Hostel in Cali habe ich einen jungen Mann aus Chemnitz getroffen. Er hat sich in Kolumbien, seine Arbeit im Hostel und eine Frau aus Cali verliebt. Bleiben will er auf jeden Fall. Er verstehe aber nicht, warum der deutsche Staat Ausländern so viel Geld gäbe, um in Deutschland auf die Beine zu kommen. Vielleicht, sage ich, damit sie sich ein bisschen von dem Glück aufbauen können, dass du auch fern von deiner Heimat gefunden hast. Er schweigt und geht. Es sind Momente wie diese in denen ich traurig werde. Traurig über die Unfähigkeit von Menschen zu teilen. Traurig über die Fähigkeit von Menschen zu Kategorisieren, zu Verallgemeinern und andere Menschen in Schubladen zu stecken. In Cali, Quito oder Chemnitz.

Ich finde die Palmen sind ein schönes Beispiel. Ich habe sie bisher immer mit Strand und Meer in Verbindung gebracht. Aber Palmen und Berge? Geht gut und sieht auch noch richtig geil aus!


Aug 28 2018

Bogotá im Zeichen des aufkommenden Friedens

von Karl

 

In keiner Stadt habe ich wohl so viel Zeit verbracht, wie in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Mit ihren 7 Millionen Menschen eine der größeren. Als ich aus dem Bus ausstieg erwartete mich schon ihr kalt-nasses Wetter. Nicht, dass es tagsüber auch mal T-Shirt-warm werden kann, es kann auch regnen und Sonne scheinen im selben Moment.

Sicherheit und Geschichte des bewaffneten Konflikts bis heute in Kolumbien

gesamte Geschichte Kolumbiens

Bogotá ist eine Stadt die auch viel über aktuelle und vergangene Politik verrät. Kolumbien befindet sich an einem Wendepunkt zwischen bewaffneten Auseinandersetzungen und Frieden. Wie schon in anderen Städten Kolumbiens wird uns gedankt, dass wir als Touris gekommen sind, damit wir ein friedliches Bild Kolumbiens nach außen senden können.

Bis vor wenigen Jahren noch, war es sehr gefährlich, sodass selbst Einheimische kaum ihre Städte verlassen haben. Bus fahren war zu gefährlich und Fliegen ist in Kolumbien teuer. Aber selbst das Fliegen wurde teils durch paramilitärische oder Guerilla-Armeen unterbunden. Busse überfallen oder zumindest eine Passagen-Gebühr genommen. Paramilitärs galten als besonders brutal, d.h. sie töteten gleich die ganze Familie, wenn Menschen im Verdacht standen mit Guerillas zu kooperieren, während Guerillas Geiseln nahmen und Lösegeld forderten. Auch die Armee begang Menschenrechtsverbrechen. Bekannt sind z.B. die vielen „Falsos Positivos“. Im „Plan Colombia“ hat die US-Regierung mehrere Milliarden an Rüstungshilfe im Kampf gegen die Drogen bereit gestellt. Das Geld floss über Umwege zurück an US-Waffenhersteller. Umwege, weil laut UN-Vorgaben, Länder nicht anderen Geld geben dürfen, damit sie eigene Waffen kaufen. Es gibt aber private US-Sicherheitsdienste die dann zu Mittelsleute werden. Nicht nur der Kampf gegen Drogen stand im Interesse der USA, auch die Guerillas, die als links gelten, kamen ins Fadenkreuz. In dieser Zeit wurde das Geld auch eingesetzt um Kopfpauschalen für ermordete Guerilleros an Soldaten zu zahlen. Die Folge war dass Bäuer*innen und mit falschen Versprechen angeworbene in Guerilla-Uniformen gesteckt wurden, um sie dann zu töten und abzurechnen. Diese Zahl geht in die Tausende und werden „Falsche Positive“ also „Falsos Positivos“ genannt.

Die Paramilitärs entstanden als Reaktion auf die Guerillas und der Unfähigkeit des Staates diese zu bekämpfen. Großgrundbesitzer aus dem Norden Kolumbiens gründeten und finanzierten die paramilitärischen Kämpfer*innen. Paramilitärs gelten als rechts außen.

Guerillas

Ähnlich wie paramilitärische Verbände gibt es eine Vielzahl Guerilla-Armeen. Die berühmtesten sind wohl die FARC-EP, ELN und M-19. Die FARC begann als leninistisch-marxistische Gruppe in den 1960er Jahren in Folge der Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen in Kolumbien. Liberal meinte da noch links-progressive Ideen und nicht was heute unter neoliberal verstanden wird. Die Konservativen, vielleicht unter zur Hilfenahme der CIA, haben liberale Präsidentschaftskandidaten ermordet und so deren Machtübernahme verhindert. Als das in Straßenschlachten in Bogotá mündete, begann eine brutale und verdeckte Verfolgung der Liberalen. Zu Hause oder auf offener Straße wurden sie erschossen. Das radikalisierte Gruppen und mündete in Guerillas a la FARC. Mit der Zeit musste sich die FARC finanzieren, wodurch sie auch im Drogenhandel aktiv wurde. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel auch diese Unterstützerin weg. 2016 schlossen FARC und Regierung mit Unterstützung von Norwegen und Kuba einen Friedensvertrag. Die FARC gibt die Waffen ab und firmiert als neue Partei. Sie hat nun für einige Jahre 10 feste Sitze im Parlament. Die Regierung ist verpflichtet die ländlichen Gegenden, in denen die FARC aktiv ist, zu unterstützen. In einer Volksabstimmung Ende 2016 stimmten allerdings 50,22% der Bevölkerung gegen das Friedensabkommen. Nur wenige Wochen vor der Abstimmung wurde der 300seitige Vertrag veröffentlicht. Viele befürchten, dass die Guerillas für ihre Menschenrechtsverbrechen nicht ausreichend bestraft werden.

Justizministerium, am Tag vor Duques Amtseinführung

Der erst am 7. August das Amt übernommene Präsident Ivan Duque steht auf der Seite der Kritiker. Dem rechten Politiker der konservativen Partei konnten Verbindungen zu Paramilitärs nachgewiesen werden, aber Morde an Zeugen verhindern Gerichtsverfahren. Mit ihm wird eine Rückkehr zur Gewalt befürchtet. Das kurz vor dem Abschluss stehende Friedensabkommen mit der ELN, der zweitgrößten Guerilla-Gruppe, wurde abgebrochen und wird von Duque nicht fortgeführt. Die stalinistische ELN operiert noch, u.a. im Nordosten. Als ich dort unterwegs war, sind mir die unzähligen Straßenkontrollen durch die Armee und Polizei aufgefallen. Teilweise im Zehn Minuten Takt sind wir in eine Kontrolle geraten. Es bleibt abzuwarten, wie die ELN, die sich auf Frieden eingesetellt hatte, darauf reagieren wird.

Am zentralen Platz der Stadt, dem Plaza Bolivar, wurde Duque vereidigt. In der Platzmitte steht Kolumbiens wichtigster Befreier von den spanischen Besatzer*innen: Simon Bolivar. Sein wichtigster Mitstreiter war Francisco de Paula Santander. Allerdings verstritten sich beide nach Erlangen der Unabhängigkeit. Bolivar war für eine Diktatur unter seiner Führung, während Santander Demokratie befürwortete. Am selben Platz steht das Justizministerium mit einem Zitat von Santander. Selbiges Gebäude ist Symbol einer M-19-Aktion. M-19 ist aus akademischen Kreisen in Bogotá entstanden und hat einen Bruch durchgemacht, als sie anfing mit den Drogen-Kartellen zusammenzuarbeiten. In den 1980er stürmten sie das Justizgebäude und nahmen zig Geiseln. Im Nachgang fehlten Beweisunterlagen für Prozesse gegen Drogen-Kartelle. Auch die Armee zeigte sich nicht kooperative und beschoss das Gebäude rücksichtslos teils mit Panzern, dass es im Nachgang komplett neu aufgebaut werden musste.

indigene Frauen protestieren während Duques Amtseinführung gegen dessen politischen Kurs

Mathilde, Laura und Isabelle

Meine ersten Tage waren dadurch geprägt die politische Auseinandersetzungen zu verfolgen, die durch die Amtseinführung Duques nochmal präsenter waren. Für zwei Nächte hatte ich allerdings das Glück bei Mathilde übernachten zu dürfen. Eine Couchsurferin die durch hartes Arbeiten sich bekannt machte. Die geborene Französin lebte schon einige Jahre in verschiedenen Ländern und macht nun ihren Abschluss in Bogotá. Mit BBC lernten wir am ersten Abend ein sehr leckeres und lokales Bier intensiv kennen.

Sie sprach mir aus dem Herz, was ich bei vielen Backpackern vermisse: Das Bewusstsein über die eigenen Privilegien. Viele kommen nach Kolumbien und freuen sich, welch tolles Land das ist. Das aber vieles darauf beruht, dass sie hier wegen der schwachen Währung finanziell gut ausgestattet sind, wird gern ausgeblendet. Für einige in Kolumbien ist selbst der Bus zu teuer, der umgerechnet ca. 0,70 Euro kostet. Durchschnittseinkommen liegt wohl bei 200 Euro im Monat. Da ist ein 150-Euro-Zimmer in Bogotá, wie es Mathilde bewohnt, nicht mal eben zu haben. Wer im Hostel im Touri-Viertel abhängt und Touren bucht, wird wohl kaum hinter den Vorhang schauen. Am nächsten Tag lerne ich noch ihre bolivianische Mitbewohnerin kennen, die auch sehr freundlich und hilfsbereit ist.

Dank Mathilde bekomme ich später Kontakt zu Isabelle. Isabelle ist kanadische Menschenrechtsanwältin, arbeitet aber schon seit einigen Monaten in Bogotá. Ab und zu fährt sie in ländliche Gegenden und trifft Frauen. Frauen die unter dem bewaffneten Konflikt litten und deren Stimme sie in den Friedensprozess einfließen lässt. Isabelle schreibt nach den Gesprächen Berichte, die Teile einer Sonderjustiz sind, die Rahmen des Friedensabkommens Verbrechen von FARC und Armee aufarbeiten. Erst seit einem guten Monat laufen die ersten Verhandlungen vor der JEP. Isabelle erzählte uns bei guten Kaffee voller Energie von ihren Erlebnissen. Sie strotzt voller Stolz und Energie, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Ich dagegen schweige und staune. Eine starke Arbeit, die sie da leistet und das direkt im historischen Weg Kolumbiens. Sie erzählt von lokalen Initiativen die Erfolge für die Unabhängigkeit der Frauen feiern. Oft ist die ökonomische Abhängigkeit vom eigenen Mann, ist oft ein Problem um sich effektiv gegen häusliche Gewalt zu wehren. Aber auch die Folgen des Konflikts werfen ihre Schatten. Vergewaltigungen haben alle bewaffneten Gruppen eingesetzt um ihre Region zu kontrollieren. Zugeben mag es nur niemand. Dann lieber zugeben, dass sie einen Mann getötet haben. Sie erzählt von einer Frau, die von einem Paramiltär vergewaltigt worden war und später darüber sprach. Das war traumatisierend auch für die Tochter, weil die nun Begriff wer ihr Vater ist. Viele trauen sich nicht offen darüber zu sprechen und da kann Isabelle mit Anonymität und vertrauensvollen Gesprächen trotzdem helfen.

Über Isabelle kommen wir in Kontakt mit ihrer Kollegin: Laura. Sie arbeitet auch für „Humanas“ und kümmert sich mehr um den Friedensaufbau. Besonders in Kontakt mit Paramilitärs im Nordwesten. Wir diskutieren wie sie mit Menschen umgehen muss, die grausamste Taten begangen haben. Wie sie Paramilitärs und Guerillas für gemeinsames Fußball-Schauen gewinnen konnte. Eine, die selbst Opfer von Paramilitärs wurde, meinte mal zu ihr: „Wir sind keine Opfer und Täter. Wir sind überlebende des Konfliktes.“ Verzeihen zu können scheint ihr wichtig zu sein, aber natürlich müssen sie ihre Taten zugeben und bei Aufklärung helfen. Laura spricht von ihren Job nicht als Job. Es ist ihr Leben. Ich frage sie, wie sie das Problem lösen möchte, da Kokain immer noch stark nachgefragt wird. Besonders Nordamerika und Europa konsumieren, während Länder wie Kolumbien produzieren. Sie spricht von Legalisierung und welche Folgen der Koka-Anbau hat. Ja da hängt Blut dran und es wird mir klar, dass auch hier die neokoloniale Ausbeutung zu finden ist. Die Folgen des Konsums im globalen Norden, trägt der globale Süden.

Als positives Beispiel führt sie das Café an, indem wir uns verabredet hatten. „Cantera Café Work“ setzt ausschließlich auf Regionalität. Selbst die Kaffeemaschinen sind aus Kolumbien. Eingestellt werden ehemalige FARC-Kämpfer*innen. So wird ihnen ein Weg vom/von der Soldat*in hinüber ins zivile Leben ermöglicht. Da das Mittag und der Kaffee ausgezeichnet sind, möchte ich allen Bogotá-Reisenden diese Location unbedingt ans Herz legen.

Noch Stunden nach dem Treffen bin ich schwer beeindruckt von Laura und ihrer Arbeit. Rosa und ich unterhalten uns noch länger über sie und hoffen, dass ihre Arbeit fruchtbar sein wird.

Grün und Bunt

Eine Region die Guerillas und Regierung nicht beherrschen, sind die Smaragd-Abbaugebiete. Kolumbien ist der größte Smaragd-Produzent der Welt. In der Innenstadt Bogotás bietet jede*r Schmuckhändler*in Smaragde und Smaragd-Schmuck an. An einer unscheinbaren Stelle im Zentrum können auch illegal die Edelsteine erworben werden. Immer zwei bis drei Männer stehen zusammen. Bei einer hinteren Gruppe konnte ich beobachten wie einer mit einem speziellen Lupen-Gerät seine Serviette untersuchte. Ich vermute mal, dass in der halboffen gehaltenen Serviette das grüne Gold schlummerte.

Wer nicht nur auf grün steht, sollte einfach mit offenen Auge durch die Stadt gehen. Auch unter Brücken, an Straßenrändern und Hausfasaden sind zig große und besonders gute Graffiti zu bestaunen. Auch wenn die Stadtpolitik das eingrenzen will, so sind viele Wände besonders kunstvoll gestaltet. Allein aus dem Fenster der Buslinien 6 und 1 konnte ich einiges sehen. Vögel sind oft gesprüht worden, weil sie auf die besonders hohe Biodiversität Kolumbiens verweisen. Kolumbien hat Naturschutzgebiete, die größer sind als die Niederlande.

Besonders bunt ging es auch am Sonntag los, als der 480te Stadtgeburtstag nachgefeiert wurde. Sonntags ist generell Ciclovia in Bogotá, d.h. viele Hauptstraßen werden für den Motorverkehr gesperrt. Fahrräder, Spaziergänger*innen, Sportler*innen verschiedenster Art und alles was Rollen hat, erobert die Straßen. Die Stadtverwaltung bietet u.a. auch Reparaturservice an. Diese Ciclovia wurde um einen langen und bunten Umzug ergänzt. Kulturgruppen haben verschiedenste Themen in Szene gesetzt. Teils durch Choreographien, Tänze, Akrobatik oder/und kunstvolle Kostüme und Puppen. Gruppe um Gruppe zog an mir und vielen anderen Schaulustigen vorbei.

Wer einen schönen Ausblick in der Stadt sucht, dem sei Montserrate empfohlen. Ein Gipfel an der Ostseite ist über einen langen steilen Weg zu erreichen oder Zahnradbahn oder Seilbahn. Die Seilbahn ist Sonntags günstiger. Wenn das Wetter besser ist, soll ein traumhafter Sonnenuntergang zu sehen sein. Neben einen wunderschönen Rundblick sei darauf hingewiesen, dass das kühle Wetter und der Wind einen nicht vor Sonnenstich und Sonnenbrand schützen kann. Leider. Auch das Hochhaus der Colpatria-Bank bietet einen schicken Rundblick.

In den Straßen Bogotás, aber auch in vielen anderen Orten Kolumbiens, werden „Minutos“ also Minuten angeboten. Das sind quasi mobile private Telephonzellen. Menschen bieten da Telephonate, meist nach Venezuela, für günstige Preise an. Meist wird damit geworben, welche Funknetze abgedeckt werden.

Trennung und der Weg nach Süden

Nun geht auch die schönste Zeit irgendwann vorbei. Bogotá war besonders spannend und ich konnte viel lernen. Ich breche auf, lasse aber Rosa zurück. Beide erwarten wir Gäste, die uns auf der Reise begleiten werden, nur, dass ich dafür Anfang September in Lima und sie in knapp zwei Wochen in Ecuador sein muss. Ich hoffe unsere Wege führen danach wieder zusammen.

Um etwas Strecke zu machen bin ich mit dem Bus direkt bis an die ecuadorianische Grenze gefahren. 23 Stunden brauchte der Bus bis Ipiales und mit dem geteilten Taxi war ich noch rechtzeitig bei der Migrationsbehörde Kolumbiens. Nach ca. 2 Stunden hatte ich meinen Stempel. Anders geht es vielen Venezolaner*innen, die in einer eigenen Schlange anstehen müssen und wodurch gut hundert übernachten müssen auf der Straße bis am nächsten Morgen die Behörde ihre Schalter wieder öffnet. Alle anderen haben privilegierten Vorzug. Das Rote Kreuz ist nun am Start. Ecuador hat das eleganter gelöst. Gleich acht Schalter sind nun rund um die Uhr besetzt, sodass niemand warten muss. Dadurch bin ich schnell durch an der Grenze und hab auch gleich ein geteiltes Taxi zum Busbahnhof gefunden. Kaum angekommen fuhr schon 20 Minuten später der Bus ab. Gegen 3:15 stieg ich etwas gerädert an einem der Busbahnhofe in Quito aus …