Aug 16 2018

Cartagena: Türkis, Schwarz, Orange

 

Von Karl

Türkis

Das Wasser ist türkis, die Bucht einsam, die Bäume tropisch. So stellen sich viele das Paradies vor. und da waren wir. Jetzt nicht im Paradies, aber so wie es sich viele vorstellen. Mit der Schwimmbrille beobachte ich über das Wasser gleitend die tausenden kleinen Fische, die hier in Schwärme durch das Meer huschen oder wie ertappt neben mir schweben. Die Wellen sind schwach und die Sonne brennt. Das türkise Wasser wird nur langsam tiefer und ist durch Felsen unterbrochen, die allesamt bis knapp an die Wasseroberfläche reichen. Hier siedeln weitere Fische, die teilweise handgröße überschreiten. Manche tarnen sich mit ihrer schwarzen Farbe auf den dunklen Steinen weg, andere haben lila schimmernde Schuppen.

Bevor mir die Sonne einen Sonnenbrand auf den Rücken zaubert, übergebe ich die Schwimmbrille an die schon im Ufer wartende Rosa. Die Bucht ist eng und hat nur einen kleinen Bereich Sandstrand. Da aber sonst niemand da ist, ist der Ort perfekt. Von hier gehen verschiedene Höhlen und felsige Wege ab, die zu einen weiteren ähnlichen Ort führen.

Unser Glück soll aber nicht ewig halten und bald kündigt sich mit heftigen Donnern ein Gewitter an. Mit Blitzen und Starkregen nähert sich ein ordentliches Unwetter. Gut, denke ich mir, dann eben eine kostenlose Dusche um das salzige Meerwasser abzuspülen. Ich bringe meine Sachen ins Trocken und warte geduldig.

Der eigentliche Strandbereich ist viel viel länger und völlig überlaufen. Ein Geschäft reiht sich auf dem Strand an das nächste. Restaurants, Bars, Verleiher, etc. Wer hinter den Hütten lang läuft findet eine völlig verschmutzte Lagune vor. Die Schattenseite des intensiven Tourismus in dem Naturschutzgebiet.Trotz herannahender Blitze wird weiter fröhlich gebadet, Jetski gefahren und Ausflüge mit schmalen Holzbooten gemacht. Durch den starken Regen können wir später unbehelligt den Weg zurück finden. Ein Bus brachte uns her und nimmt uns wieder zurück nach Cartagena.

Schwarz

Cartagena ist wohl der berühmteste Touri-Ort Kolumbiens. Voll mit kolonialen Bauten, mittelalterlichen Mauern und Verteidigungsanlagen aus Zeiten als Spanier*innen hier das Raubgold nach Europa verschifften, westafrikanische Sklav*innen verkauften und englische Pirat*innen versuchten Teile streitig zu machen. Andere Teile stehen voll mit Hochhäusern, die entweder Hotels oder luxuriöse Apartments enthalten. Eine Halbinsel soll ausschließlich daraus bestehen, aber auch der östliche Teil Cartagenas beherbergt einige Dutzend dieser Mini-Wolkenkratzer. Wir machen einen eigenständigen Rundgang durch das Zentrum, der durch Schilder unser Wissen anreichert. Vielfach wird auch das Leben der schwarzen Sklav*innen thematisiert, die schlimmstmöglich behandelt wurden. Wie Ware wurden sie gehandelt, d.h. auf dem Markt feilgeboten. Insofern sie unbeschadet die lange Reise über den Atlantik überlebt haben.

Die Straßen im Zentrum sind sehr schick gemacht. Sehr bunte Häuserwände, mit vielen Blumen und enge Gassen lassen das Herz vieler Touris höher schlagen. Unser Rundgang endet in einem Park mit einem Stück Anoncillo-Strauch. Das ist eine kubanische Bezeichnung für kleine Früchte, die es in englischer oder deutscher Sprache nicht gibt. Sie sind nicht viel größer als eine Murmel, dunkelgrün, ledrige Haut und innen ein recht großer heller Kern. Das orange Fruchtfleisch ist sehr saftig, süß und eine Spur sauer. Auf jeden Fall sehr lecker. Während wir das noch genießen, kommt eine dunkelbraunes Eichhörnchen und fängt an einige der Kerne neben einen Baum zu vergraben. In Kolumbien heißt die Frucht wohl Mamón oder Mamoncillo.

Orange

Nach Cartagena sind wir per Bus gekommen. 13 Stunden von Medellín aus. Die Details, warum ich im Bus nicht schlafen konnte, zu der Verrückten Mitfahrerin und ihrer nächtlichen Hyperaktivität … ja, das möchte ich euch ersparen. Mit dem Ausstieg aus dem gekühlten Bus, erschlug uns die hiesige Hitze. Karibische 33 Grad sind hier normal. Seitdem schwitzen wir alles vor. Meine Shirts haben weiße Salzflecken und meine Haut ist gerötet. Jeder gekühlte Raum und gekühlte Bus ist eine Wohltat. Am Tag unserer Abreise bin ich extra um 5:15 aufgestanden um noch vor dem Sonnenaufgang im Meer zu sein. Tatsächlich ist ein Strand nur ca 15 Minuten von unserer Unterkunft entfernt. Noch sehr ruhig breitet sich die Karibik vor mir aus, als ich langsam in das Meer gehe. Nicht nur, dass es draußen noch angenehm ist, was nicht heißt, dass es kühl ist, nein, noch ist das Meer abkühlend, was es tagsüber nicht mehr ist. Nach ein paar hundert Metern kann ich eine orange Scheibe am Strand aufgehen sehen, die ich am Abend zuvor noch über der Karibik untergehen habe sehen können.

 

PS.: Nun eine aktualisierte Karte mit den Orten in Kolumbien, wo wir sind bzw. waren: 


Jul 20 2018

Über den Wolken … Quitos

17. Juli 2018, Cali, von Karl

 

 

Und nochmal nehme ich Schwung, um über die Stadt zu schwingen. Unter mir breitet sich die 2-Millionen-Metropole Quito aus. Von links nach rechts, d.h. von Nord nach Süd quetscht sich die ecuadorianische Hauptstadt zwischen zwei Anden-Gebirgszügen. Ich schaukele auf 4000m während Quito es sich auf 2800m bequem macht. Die jeweiligen Enden der über 50km längs messenden Stadt sind von meiner Schaukel aus, nicht zu erkennen. Durch das Tal ist Quito aber kaum breiter als 3km.

Mein Finger werden langsam kalt, aber das fliegende Gefühl will nicht gehen. Die Sonne bricht durch die Wolkendecke und setzt mich in eine goldene Umgebung, sowie einen Punkt unter mir in der Stadt. Hinter mir versinkt der Rucu Pichincha in tiefer kommenden Wolken. Einer der 12 Vulkane rund um die Stadt. Keiner davon könnte Quito mit Lava bedrohen, aber Erdbeben und Ascheregen haben diese Stadt, wie auch andere in den Anden schon öfters heimgesucht. Die Innenstadt soll angeblich schon mindestens viermal neu aufgebaut worden sein.

Die Natur auf 4000m ist durch goldenes Büschel-Gras gekennzeichnet. Auf dem Gebirgskamm zum Gipfel verläuft der Wanderweg, der mit großen Achtungsschildern gekennzeichnet ist. Ab hier nur mit Spezial-Ausrüstung und Erfahrung. Nur wenige Bäume, meist kleine, gedrungene, die mit wenig Wasser auskommen. Wenige Blumen trotzen dem kalten Wind. Dem kalten und steifen Wind. Nur noch 6 Grad sind hier. In Quito dagegen ist T-Shirt-Wetter.

Immer wieder lasse ich den Blick über die karge Steppe kreisen. Es ist ein unwirklicher Anblick. Es ist eine andere Natur. Eine im Kampf mit der Umwelt. Die Pflanzen im Kampf mit der kalten Höhe. Natur gegen Natur. Dazwischen die Schilder, die diese fantastische Welt schützen wollen, vor Fahrzeugen und zu vielen Touris.

Weiter südlich liegen Wolken im Seitental. Ich schaue auf die Wolken. Von oben. Ohne im Flugzeug zu sein. Sie liegen, ohne Eile, in den Tälern. Sie werfen Schatten auf das südliche Quito. Es sind längliche Zuckerwattefetzen im feinsten Weiß.

Als ich von der Schaukel steige und ein letztes Mal den gegenüberliegenden Gebirgszug mit meinem Blick streife, sehe ich den Cayambe. Einen schneebedeckten Vulkan. Nun ragt er über dem Wolkenstreifen heraus und wird golden von der Sonne angestrahlt. Durch die Erfahrung mit dem hiesigen Höhenunterschied, ist es erst recht vorstellbar, wie kalt, windig und dünn die Luft dort ganz oben sein muss. Der Cayambe liegt nur unweit des Äquators, und hatte einen Gletscherausläufer der als einziger vereister Punkt auf dem Äquator galt. Durch den Klimawandel gibt es ihn aber nicht mehr.

Vormittags hatten wir uns aufgemacht, zum Äquator. Wir haben diesen zwar schon in Brasilien mal Nachts schlafend überquert, aber hier gibt es ein Denkmal. 20km nördlich von Quito, ziemlich einfach mit dem Bus zu erreichen. Besser gesagt, ein großes Monument mit haufenweise kleiner Museen und Infotafeln. Eine Touri-Attraktion die ihren Preis hat.

Gefeiert wird dieser Punkt, weil mal ein Europäer per Expedition hier den Äquator bestimmt hat. Das erste Mal, aus europäischer Perspektive. Ehrlicherweise wurde später eine archäologische Stätte aufgetan, die darauf hinweist, dass schon die Indigenen vor Kolumbus‘ Reise wussten wo der Äquator ist. Und sie lagen richtig, denn wer mit GPS-Gerät kommt, wird am Touri-Hotspot 200m zu weit südlich stehen.

Nebenan steht ein moderner riesiger Glasbau der UNASUR, der Union südamerikanischer Staaten. Vergleichbar mit der EU, nur nicht ganz so ausgebaut. Bislang gibt es mehr Ideen als Projekte. Die Transocéanica, eine Straßenverbindung von Brasilien nach Peru, also vom Atlantik bis zum Pazifik, ist das aktuelle Großprojekt. Ansonsten sind sich die Staaten wohl selten einig.

Wir sind schon ein paar Tage da und haben auch einen Tag verlängert, weil wir mehr sehen möchten. Empfehlenswert: Das Museum über den Künstler Camilo Egas. Einer der wichtigsten indigenen Künstler Ecuadors. Nicht nur, dass seine indigene Perspektive sehr spannend ist: Einige Werke sind sehr sozialkritisch und haben sich mit dem historischen Faschismus beschäftigt. Wem Malerei trotzdem nix ist, der gehe bitte am Plaza Grande in die aktuelle Yoko-Ono-Ausstellung des Centro Cultural Metropolitano. Dort finden sich viele Mitmach-Sachen, die zum Nachdenken anregen, aber auch Bilder von der „War is over“-Kampagne (zu deutsch: der Krieg ist vorbei) und feministische Texte. Allerdings unklar bleibt mir, wieso eine alte ausgetrunkene Plastik-Wasser-Flasche Kunst sein kann. Es wäre gar nicht aufgefallen, wenn ich diese gegen meinige ausgetauscht hätte.

Yoko-Ono-Ausstellung: IMAGINA LA PAZ (deutsch: Stell dir Frieden vor). Auf verschiedenste Karten gestempelt

In einer Free Walking Tour, eine spendenbasierte Stadtführung, erfahren wir noch so einiges mehr über Ecuador: Für den Ankauf der Scheine und Münzen bezahlt Ecuador für jede Münze und jeden Schein je einen Dollar an die USA. Deswegen sind auch ecuadorianische Münzen im Umlauf mit dem gleichen Wert. Diese werden in Ecuador hergestellt.

Ecuadors Export besteht nicht nur aus Erdöl und Bananen. Auch Schnittblumen werden in großem Stile in den globalen Norden versandt.

Wem der Rucu Pichincha eine Nummer zu viel ist, der kann in Quito auch den Aufstieg auf einen innerstädtischen Hügel wagen, auf dem eine viel zu große Madonnen-Figur thront. Von hier aus gibt es einen fast 360-Grad-Blick über die Stadt. Der Hügel liegt direkt am Rande der Altstadt. An deren anderen Ende überragt eine Basilika die Stadt. Hier ist der Ausblick kostenpflichtig, dafür aber mit etwas mehr Abenteuer-Punkten. Im Inneren des Daches führt der Weg erst über Holzbalken, die gerade so viel Platz lassen, dass sich zwei Leute aneinander vorbeiquetschen können. Danach folgt innen und außen der Aufstieg über sehr steile Metalltreppen.

Doch keiner der Aufstiege nimmt es mit der Seilbahn auf, mit der wir auf 4000 Meter gefahren sind. Von der Bodenstation am Rande Quitos aus, überwinden die geschlossenen Kabinen über 800 Höhenmeter. Auch der Ausblick ist atemberaubend und nicht nur, weil die Luft so dünn ist (Wortwitz inklusive).

Nur widerwillig fahren wir nach unten und lassen diesen zauberhaften Ort hinter uns. Morgen soll es weitergehen, sodass wir eine der letzten Busfahrten in der Stadt antreten. Wir haben uns einige Mal verfahren, bis ich geschnallt habe, wie das Schnell-Bus-Netz sich aufbaut. Es ist unverzichtbar, bei den langen Strecken und vielen Hügeln. Durch die Bus-Spuren, abgegrenzt von der eigentlichen Straße, sind die Busse auch ziemlich flott unterwegs.

sehr flottes Schnell-Bus-System mit eigenen Spuren

Bei unserer Couchsurferin angekommen, finden wir allerdings ein kleines Massaker vor. Sie selbst ist oft unterwegs, auf Arbeit oder mit ihren Hunden im Park. Ihre Hunde essen mit Vorliebe alles mögliche, darauf hat sie uns hingewiesen und wir auch immer alles feinsäuberlich in Schränken versteckt. Doch diesmal scheinen wir Sachen vergessen zu haben und diese liegen nur zerfetzt am Boden. Das wichtige Reisebuch ist zerflettert, die Jacke hat kaum Schäden und die Postkarten für euch … naja ziemlich angenagt. Also nicht wundern.

Bevor ich aber zum letzten Absatz komme: Den besten Morocho und gute Empanadas gibt‘s bei Rey Morocho. Das ist jetzt nicht im Zentrum, aber wie wir finden: Der Weg lohnt sich.

Nun aber: Am nächsten Tag sind wir nach langem Faulenzen zum Busbahnhof gefahren. Der Weg dorthin war mit den schweren Rucksäcken im Stadtbus eine besondere Herausforderung. Da jedes Schalten durch Busfahrer*innen in der Regel dazu führen, dass sämtliche Fahrgäste einmal von der Heckscheibe zur Frontscheibe fliegen und wieder zurück. Auch wenn so viele Menschen im Bus stehen, dass Umfallen nicht möglich ist.

Unsere Busfahrt beginnt gegen Mitternacht und wir erreichen die Grenze kurz vor vier Uhr. Schneller als gedacht. Wie schon am Busbahnhof warten viele Venezolaner*innen auf ihre Weiterreise. Wir reihen uns zwischen Ihnen ein und können nach fast einer Stunde Stempel in die Reisepässe bekommen. Wir schlängeln uns zwischen den vielen Rollkoffern, Taschen und Decken der Flüchtenden hindurch und verlassen das Land, dass uns mit einem großen Schild freundlich verabschiedet.


Jul 3 2018

Zwischen Wellen und Babys

von Karl, Puerto Lopez, 30. Juni 2018

 

Wir stehen noch auf dem Fußweg, während schon die ersten Taxis neben uns halten oder „Taxi“ zurufen. Gerade hat uns der Reisebus hier rausgelassen und 50 Meter oberhalb ist der kleine Busbahnhof dieser Firma. Für 3,85 US-Dollar sind wir einmal durch die halbe Provinz Guaya von Guayaquil nach Playas gefahren. Gerade ist viel los auf den Straßen. Motos, das sind die überdachten Dreiradmotorräder, sägen die Straße hoch und runter. Dazwischen Taxen, Busse und manchmal sogar ein LKW. Aber eher ein sehr alter LKW. Die hochgestellten, die nur sehr langsam anfahren und immer eine Rußwolke produzieren, wenn sie losfahren. Meist noch Motorhaube vor dem Fahrstand und einem straßenbewährten Unterhemd-Träger mit Basecap hinterm Steuer. Alles eher alt, rustikal und repariert.

Wir gehen nur wenige Meter die Straße runter und treffen auf einen kleinen Platz mit den bunten „Playas“-Lettern. Dahinter senkt sich eine andere Straße gen Horizont ab und gibt zwischen den Häusern einen ersten Blick auf Sandstrand und Meer frei. Was wollen wir mehr?

Wir verhandeln mit einem Hostal am Platz, für eine Nacht, legen unsere Rucksäcke ab und ab geht‘s ans Meer. Tatsächlich Sandstrand und schöne große Pazifik-Wellen. Das Wasser ist sehr trüb, aber die Wellen haben es in sich. Fast schon mit kindlicher Freude springe ich zwischen die Wellen, tauche drunter durch oder lasse mich zum Strand spülen. Ein herrliches Gefühl. Als eine große Welle mich unsanft auf den flachen Sandboden wirft, verlasse ich das Meer und lege mich an den Strand.

Wir haben nun Kontakt zu Catalina bekommen. Sie hat wohl was verpeilt, aber nun sitzt sie vor mir und wir reden. Vor allem sie redet. Viel. Sie hat ihre Tochter Charlotte dabei, die aber erstmal alles auseinandernimmt, was sie greifen kann; oder heult. Über ihre Kinder und deren Väter und ihre Vorstellungen von Familie kann sie stundenlang reden. Am Ende können wir aber doch noch einen Treffpunkt ausmachen: morgen um eins vor der Kirche.

Was soll ich groß dazu sagen. Sie war nicht um eins da. Ich frag mich manchmal ob ich das blöd finden darf, oder ich das akzeptieren muss. Es kommt oft vor, dass ausgemachte Zeiten, nicht bedeuten, dass mensch sich zu dieser Zeit trifft, sondern auch erst eine halbe Stunde, oder gar zwei Stunden, später. So ist meine Erfahrung der letzten nun schon weit über zwei Monate. Manchmal wünsche ich mir, dass wir nicht die einzigen Pünktlichen sind.

Gegen halb Drei kam sie dann, nachdem ich ihr nochmal geschrieben habe. Wir folgen ihr 14 Blocks die Straße wieder hoch, bis der Asphalt aufhört. Ihr Haus ist groß und geräumig. Besteht aber nur aus dem Erdgeschoss und hat noch etwas Terrasse, die aber vollgestellt ist. Da zwei Kinder nicht reichen, zieht die Sängerin noch ein Katzenbaby auf (#Ironie). Ihren Unterhalt bestreitet sie wohl daraus, regelmäßig zu singen, z.B. in Restaurants oder auf Beerdigungen. Sie möchte auch uns sehr umsorgen und ich schaue ihr beim Käsesuppe-Kochen zu. Mit ihrer Instruktion hole ich noch Koriander aus einem Laden um zwei Ecken. Tatsächlich bezahle ich nur 5 Cent. Wenn ich den Preis nicht wüsste, hätte ich als Gringo (= weißer Ausländer) wohl deutlich mehr bezahlt. Die Käsesuppe schmeckt tatsächlich sehr lecker. Nudeln, Kartoffeln und Käsewürfel schwimmen unter den Fettaugen. Als wir schon lange den Boden unserer Schüsseln ausgeleckt haben, ist Catalinas Schüssel noch halb voll. Als ich noch höflich zuhöre, sucht Rosa schonmal das Weite, um den steten Erzählfluss zu entkommen.

Doch es ist auch spannendes dabei. So erfahren wir, dass Bildung und Gesundheit kostenlos sind in Ecuador. Der Ex-Präsident Rafael Correa hat in seinen drei Amtszeiten von 2007 bis 2017 sehr viele Veränderungen geschaffen, die die Armut stark reduziert haben. Catalina zeigt mir auch Milch und Müsli-Riegel, die zusätzlich zur kostenlosen Verpflegung in Schulen und Kindergärten, an die Familien dort ausgegeben werden. Sie meinte die Riegel wären sehr gesund. Correa hat Homo- und Heterosexualität gleichgestellt, Abtreibung legalisiert und den Einfluss der Kirche gemindert. Auch mit der Polizei und Militär legte er sich an. So kam es zu einem Streik der Polizist*innen, den Correa mittels persönlicher Gespräche besänftigen wollte, jedoch wurde er von den streikenden angegriffen und musste ins Krankenhaus. Die Bevölkerung lieferte sich daraufhin Auseinandersetzungen mit den Streikenden und schlussendlich wurde so der Aufstand beendet. Weil die Bevölkerung hinter Correa stand.

Catalina hat uns viel umsorgt und wir ihr beim Einkauf geholfen und lecker für alle gekocht, doch schlussendlich wollten wir weiter und schauten in ein trauriges Gesicht, als wir mit den großen Rucksäcken das Haus verließen.

Sie schickte uns an die Straße, statt zum Busbahnhof, weil dort eh der Bus vorbei kommt. Gesagt, getan: Der dritte Reisebus hielt tatsächlich, auch wenn es keine Haltestelle gab, aber das scheint keinen zu stören.


Mai 28 2018

die Gewerkschaft der Herzen

21. Mai 2018

Cusco

von Karl

 

Es muss ja auch mal ein Ende haben. Unser Pech. Dass wir eigentlich in 1,5 Tagen die Strecke Porto Velho bis Cusco schaffen wollten, ist schon jetzt illusorisch, aber vielleicht kommt jetzt die verdiente Wende. Wir sind gerade aus dem Bus vor dem brasilianischen Grenzposten herausgepurzelt, schon werden uns Plätze im einzigen Mini-Bus nach Puerto Maldonado zu besten Preisen angeboten. Sofort schlagen wir zu, hieven unser Gepäck mit aufs Dach und gehen mit unseren Reisepässen zum Polizei-Büro. Der Grenzbeamte erklärt uns, dass wir bei der Einreise nur 15 Tage Aufenthalt in Brasilien angegeben haben, heute wäre schon der Tag 24 und für jeden Tag drüber wird eine Steuer fällig. Er ist aber so kulant und verlängert das im System. Ich hielte diese Angabe für bloße Statistik, aber offensichtlich hat sie Folgen. Gibt es doch nette Polizist*innen? Als uns der Bus bei dem peruanischen Büro rauswirft geben wir auch gleich 60 Tage an. Bestimmt viel zu viel, aber sicher ist sicher. Grenzbeamt*innen sind vielleicht nicht immer gut drauf.

Peru gibt uns etwas Sicherheit wieder, weil wir nun unser gebüffeltes Spanisch auch etwas anwenden können. Wir können uns selbst verständigen, das gibt uns mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Der Mini-Bus düst so schnell er kann durch den schon gewohnten Regenwald. Nach Sonnenuntergang erreichen wir Puerto Maldonado und nehmen ein dreirädriges Moped-Taxi zum Busbahnhof von dem die Busse nach Cusco abfahren. Für uns ist es ungewohnt überraschend, dass ein Dutzend verschiedener Anbieter nahezu zeitgleich abends zum selben Zielort abfährt. Das muss diese Marktwirtschaft sein, wo alle umeinander konkurrieren und niemand verdient. Etwas gerädert von den letzten Tagen nehmen wir ein „Bett“, statt des üblichen Sitzplatzes. Das heißt dann aber nur, dass der Sitz etwas komfortabler ist. Die Lehne lässt sich weit zurückklappen. Der Reisebus fährt über Nacht. Da es an einer Klimaanlage fehlt, wird es auch zusehend kälter im Bus, während wir uns merklich Serpentinen hochschlängeln. Erste Kopfschmerzen machen sich breit.

In Cusco fallen wir aus dem Bus, greifen das Gepäck und fangen an uns zu orientieren. Ohne Ansage, ziemlich abrupt, waren wir einfach da. Ich verlasse den Busbahnhof, das Terminal Terrestre, und merke wie beim leichten Anstieg mein Herz anfängt ungewöhnlich schnell und stark zu pochen.

Ein Taxi bringt uns dann zum Couchsurfer, der bei unserer Ankunft auch aus dem Fenster winkt, aber dann nicht die Tür öffnet. Etwas verärgert warten wir noch eine viertel Stunde, aber jedes Klingeln und Klopfen hilft nicht. Wir sind verblüfft und rätseln warum er nun die Tür nicht öffnet und uns hier sitzen lässt. Wir ziehen um die Ecke und der Zufall bietet uns direkt ein Hostel an. Nennen wir es Glück im Unglück.

Endlich ankommen. Es ist das schöne Gefühl, endlich einen Anker zu haben. Endlich können wir wieder unseren Kram aus dem Rucksack in allen Ecken verteilen. Der neue Gastgeber lässt mit sich reden und wir bekommen sogar noch Frühstück. Der Weg in den vierten Stock bringt mein Herz erneut auf Höchsttouren, wo ich doch sonst kein Problem mit Treppen habe. Bei meinem ersten Coca-Tee kann ich den Blick über Cusco schweifen lassen. Wir haben in unserem Glück sogar noch einen fulminanten Ausblick auf Cusco erhalten.

Cusco schmiegt sich zwischen Bergen in einem weitläufigen Tal und ist im Zentrum durch rote Kolonial-Dächer geprägt. Der übliche Morgennebel über Cusco zieht gerade langsam von dannen. Die Berge um Cusco haben nur wenige Bäume. Nicht verwunderlich auf ca. 3.500 m über Meeresspiegel, da beginnt in den Anden die Baumgrenze. Ja, Cusco ist eine der höchsten Städte und deshalb auch die ganzen körperlichen Beschwerden. Die Höhenkrankheit hat uns erwischt. Kopfschmerzen, etwas Übelkeit, allgemeine Benommenheit. Vor allem aber schlapp. Eigentlich fühle ich mich den ganzen Tag wie frisch aufgestanden, nach einer hart durchzechten Nacht. Der berühmte Kater danach. Nur, dass er nicht weggeht. Mensch kann sich nur bedingt dran gewöhnen. Oft werden die Coca-Blätter empfohlen. Die sollen etwas helfen. Zum Kauen oder als Tee aufgebrüht. Schmeckt übrigens wie Kräuter-Tee nur in leckerer. Die Höhe bringt auch ungewohnte Kälte mit sich, so gehen hier die Temperaturen bis kurz vor dem Gefrierpunkt runter und erreichen selten 20 Grad.

Wir versuchen uns eine peruanische SIM-Karte zu organisieren, aber das gestaltet sich als Schnipsel-Jagd. Die ersten Läden verkaufen keine SIM-Karten, obwohl Handy-Netz-Werbung draußen dran ist. Dann versuchen wir es in den Handy-Läden, aber die verweisen auf einen größeren. Den endlich gefunden, stellen wir fest, dass die SIM-Karten dieses Anbieters nicht mit unseren Handys funktionieren. Also geht das Spiel auf ein neues los, aber tatsächlich funktioniert es dann irgendwann.

Wir kommen immer wieder an Touri-Sachen vorbei wie alte Kirchen und Inka-Ruinen. Die ganze Stadt ist ein einziges Tourismus-Zentrum. Alles ist darauf ausgerichtet. Ein Hostel reiht sich manchen Orts ans andere. Die Sehenswürdigkeiten haben stolze Preise, sodass wir nix von innen sehen und eigentlich dreht sich auch alles um Machu Picchu, den Inka-Ruinen einige Kilometer von hier. Machu Picchu gehört zu den Top Ten Sehenswürdigkeiten in Südamerika und entsprechend viele Touris sind hier unterwegs. Uns interessiert das erstmal nicht, denn für uns ist die Fahrt zur Fair-Trade-Kakao-Plantage angedacht. Dafür bereiten wir uns vor.

Wir müssen dafür in Quillabamba umsteigen, und suchen das Busterminal nach Quillabamba. Tatsächlich finden wir das mit Hilfe sehr netter Bahnmitarbeiter. So wie wir das Terminal betreten, prasseln die Rufe auf uns ein. Die zig Anbieter möchten uns alle ihren Bus verkaufen. Sie verstehen auch nicht, dass wir gar nicht zum Machu Picchu möchten. Es gibt nämlich eine günstigere Route zu Machu Picchu über Santa Maria, was auf halber Strecke nach Quillabamba liegt. Montag wollen wir zurückkehren zum Busterminal.

Die nun übrige Zeit nutzen wir für einen Aufstieg zum Christo Blanco. Eine kleine Jesus-Statue, ähnlich der berühmten in Rio de Janeiro, thront am Rande der Stadt. Es ist auch die einzige Sehenswürdigkeit ohne teuer Eintritt zahlen zu müssen. Tausende Stufen führen uns zu ihm.

Wir müssen einige Pausen machen, weil unsere Herzen rebellieren. Es tut schon richtig weh. Das Herz pocht mit einer Gewalt gegen die Rippen, dass ich das Gefühl habe, es würde ohne Brustkorb herausspringen. Wenn unsere Herzen eine Gewerkschaft gründen würden, sie hätten schon längst gestreikt. Es kostet uns einiges an Zeit die Stufen zum Jesus zu erklimmen, aber wer sagt schon, dass der Weg zu Gott einfach ist. Scheint mir aber auch kein guter Gott zu sein, wenn er uns so quält. Dieser Gott kam mit den Konquistadoren nach Cusco. Vormals war Cusco Hauptstadt des Inka-Reiches, aber die Spanier*innen haben erstmal alle versklavt, alle Reichtümer geplündert und die Stadt zerstört. Danach wurde ihre Kolonie auf den Überresten errichtet und nun sind die europäischen Touris überall.

Zu Jesus‘ Fuße genießen wir den Überblick, horchen den Touri-Guides der Gruppenreisenden und schauen uns vom Aufstieg fertige Touris an. So vergeht etwas Zeit in der Sonne.

Selbst der spätere Abstieg macht uns noch zu schaffen und wir steuern nach kleinen Umwegen unsere Unterkunft an. Geplagt von der Sonne und den rebellierenden Herzen, versuchen wir uns etwas zu beruhigen, sodass wir morgen fit sind wenn es nach Quillabamba geht.

PS.: Die Stadt-Flagge von Cusco ist wunderschön (-;