Nov 12 2018

Die Filmkulisse

Huaraz, Peru

von Rosa

Nächstes Ziel: Süden! Nagut, noch mal ein Stückchen Norden für einen besonderen Juwel. Manchmal sehen Fotos besser aus als die Realität. Alle Online-Dating-Nutzer wissen wovon ich spreche;). In diesem Fall zum Glück nicht. Da ist es genau andersherum. Denn man kann die Schönheit dieses Nationalparks einfach nicht auf Fotos festhalten.

Die Reise von Kolumbien nach Peru gestaltet sich schwieriger als erwartet. Im Ticketpreis nicht inklusive ist zu meiner Überraschung mein großer Rucksack. Der muss aber mit. Also beiße ich in den sauren Apfel und zahle 70 Euro für mein tragbares Haus. Meine Miene verfinstert sich allerdings noch einmal als mir die gute Frau am Schalter sagt, dass ich ein Ausreiseticket für Peru brauche, bevor ich überhaupt einreisen darf. Ganz dunkel kommt mir das bekannt vor. Also renne ich zum nächsten Internetpunkt und kaufe mir ein Ticket von Puno (Grenzstadt in Peru) nach La Paz für 12 Euro und bin mir fast sicher, dass ich es nie einlösen werde. Wie ich später erfahre, gibt es extra Internetseiten, die Fake-Tickets für solche Situationen ausstellen. Zurück zur Frau am Schalter. Sie macht schnell ein Foto vom Ticket und dann darf ich endlich zum Boarding. Dort kommt mein Rucksack nicht durch die Kontrolle. Angeblich habe ich scharfe Gegenstände dabei. Meine kleine Nagelschere und Nagelfeile habe ich in meinem Rucksack vergessen und jetzt landen sie im Müll. Ich stelle mir bildlich vor wie ich die Stewardess mit einer Nagelfeile bedrohe, damit sie mir ein vegetarisches Sandwich gibt. Aber noch nicht mal ein Sandwich ist im Flugticket inbegriffen. Das billigste Essbare was ich im Flughafen finde, ist eine Tüte Chips. Als ich sie in meinem Rucksack verstauen will, rufe ich laut Puta Madre! Es ist das Schimpfwort was ich schon so oft in Kolumbien, Ecuador und Peru gehört habe und diesmal ist es ein dreifaches Puta Madre! Kurz bin ich überrascht, dass ich sogar schon auf spanisch fluche, dann kommt der Ärger zurück. Als ich die Chips verstauen möchte, bemerke ich, dass ich zu viel Platz in meinem Rucksack habe. Das ist nicht gut. Das heißt immer: es fehlt etwas. Mein Schlafsack ist noch in Bogotá. Ich nehme ihn immer mit ins Handgepäck, weil die Busse in Südamerika durch die Klimaanlage so kalt temperiert werden, dass man fast erfriert. Warum das so ist, versteht keiner. Nun ist so eben ein Teil meines Schneckenhauses verloren gegangen. Dann auch noch mein Schutzmantel. Mein wärmendes Fell. Ausgerechnet jetzt wo es in den kalten Süden geht. Meine Chips und ich warten mürrisch am Gate. Dann muss ich mir jetzt eben eine extra Fettschicht gegen die Kälte zulegen. Hilft ja alles nix!

Die ersten Schneegipfel sind zu sehen. Langsam verliert das Flugzeug an Höhe. Lima begrüßt mich in bekannter Weise mit Nebel. Bei der Immigration nach Peru interessiert sich niemand für mein Ausreiseticket. Sehr schön. Ein aufgedrehter Taxifahrer bringt mich zum Gran Terminal Plaza Norte, dem größten Busbahnhof in Lima. Der Taxifahrer kann jedes Lied im Radio mitsingen und hat 14 Jahre in den USA gelebt. Aber es hat ihn wieder nach Peru gezogen. Weihnachten wäre hier besser, sagt er. Neben dem Busbahnhof befindet sich ein riesiges Shoppingcenter. Ich mache mich auf die Suche nach einem Schlafsack. Kurz bevor ich aufgeben möchte und meinem natürlichen Wärmespeicherplan mit Fast Food nachgehen will, finde ich doch noch ein Outdoor-Geschäft. Allerdings haben sie nur ein Monstrum von Schlafsack. Der Gedanke an die acht Stunden Fahrt in die Berge, schlägt die Zweifel in den Wind. Ich baue an. Mein Haus hat jetzt noch eine Garage. Wehe ich nicht mehr so schnell weg. Kurz vor Mitternacht rollt der Bus los von Lima wieder Richtung Norden. Ironischerweise ist die Heizung im Bus an.

Die Straßen sind noch fast leer am frühen Morgen. Die Innenstadt von Huaraz ist mit vielen Geschäften gesäumt. Rechts von der Hauptverkehrsader ist es sehr ruhig. Ich laufe den Berg hinauf bis zur Unterkunft. Doch anscheinend habe ich die falsche Straße erwischt und bin zwanzig Minuten in die falsche Richtung gelaufen. Puta Madre! Verschwitzt und müde komme ich endlich an. Es gibt eine heiße Dusche als Belohnung. Huaraz liegt in 3000 Meter Höhe und ist umgeben von imposanten Berglandschaften. Ein schneebedeckter Gipfel reiht sich an den nächsten. Zwei Stunden von Huaraz entfernt liegt der Nationalpark Huascarán, der einen großen Teil der Cordillera Blanca unter Schutz stellt. In dem über 3400 Quadratkilometer großen Gebiet gibt es unzählige Wanderwege, die über 16 Tage dauern können. Heiß empfohlen wurde mir der Trek zur Lagune 69, den man an einem Tag schaffen kann, wenn man zeitig aufsteht. Ganz nach dem Motto der frühe Vogel fliegt auf den Berg. Mit Fliegen hat die anstrengende Wanderung allerdings wenig zu tun.

Es ist mitten in der Nacht und der Wecker klingelt. Es gibt Leute, denen macht das zeitige Aufstehen nichts aus. Und dann gibt es mich. Aber seit ich die Fotos von der türkisblauen Lagune gesehen habe, bin ich ein Stück weit verliebt. Also schiebt sich mein Körper unter der warmen Bettdecke hervor in die noch kalte Morgenluft. Wir fahren mit dem Bus aus der Nacht der Sonne entgegen, die sich langsam hinter den Schneegipfeln zeigt. Das Aufstehen hat sich jetzt schon gelohnt. Die Bergriesen reihen sich aneinander bis wir von der Asphaltstraße auf eine Schotterstraße wechseln. Am Eingang des Nationalparks müssen wir acht Euro bezahlen und dann wird es richtig spannend. Mich umgeben hohe Felsmauern. Sie wirken wie abgehakt. Rote, braune, graue Farben wechseln sich in den Steinformationen ab.

Bevor die Wanderung losgeht, halten wir an einem See, dessen Farbe an schönste Karibikstrände erinnert. Nur gibt es hier eben noch Berge. Im Nationalpark soll sich angeblich auch der Berg befinden, der als Motiv für die bekannte Filmproduktionsfirma Paramount Pictures fungiert. Deswegen ist der Gruppenname unserer Wandergruppe Paramount. Vier Stunden dauert die Wanderung bis zur Lagune 69. Im Park gibt es über 400 Seen. Schon die ersten Meter begeistern mich.

Ein kleiner Bach schlängelt sich im Tal entlang. Aus den Felswänden sprudeln kleine Wasserfälle. Die Wanderstrecke gibt keinen Grund zur Langeweile. Die Flora und Fauna ist so abwechslungsreich, dass ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus komme. Die ersten Wanderer kommen aus dem Schnaufen nicht mehr raus. Wir sind fast auf 4000m Höhe. Ich fühle mich gut und kann lange Strecken ohne Pausen laufen.

Vor mir türmen sich immer neue Schneeriesen auf. Langsam werden auch meine Schritte langsamer und die letzten Meter auf dem steinigen Untergrund eine kleine Tortur. Ich biege um die letzte Kurve und schon sehe ich es türkisblau schimmern.

Es ist ein wunderschöner Anblick. Wie ein seltener Stein liegt das saftige blau zwischen großen Felsen hinter denen Eisberge thronen. Es sind fast keine Menschen da. Ich laufe über Steine, um die Lagune von allen Seiten zu betrachten. Doch so sehr ich mich auch bemühe, ich bekomme die Lagune nicht in ihrer vollen Pracht auf ein Foto.

Langsam trudeln die anderen Wanderer ein. Einer will es wissen und hat sogar eine Drohne dabei, um DAS Bild zu bekommen. Ich erfreue mich am Rückweg, der nur noch bergab geht.

Am Abend schnalle ich mir wieder mein Haus auf den Rücken und diesmal komme ich ohne Umwege beim Busbahnhof an. Ich kuschle mich in meinen neuen Schlafsack und fahre durch die Nacht zurück nach Lima.


Okt 24 2018

Kleinstadt zwischen den Bergen

Von Karl

 

Selten, dass eine Stadt so warm und nah an schneebedeckten Gipfeln ist. Stehen wir auf dem zentralen Platz – der gewöhnlich in Peru Plaza de Armas heißt – wird das friedliche Palmen-Kathedrale-Panorama von den drei Gipfeln umrahmt: Misti, Chachani und Picchu Picchu. Wobei Ersterer sehr nah an der Stadt steht. An der zweitgrößten Stadt Perus: Arequipa. Sie gilt als rebellischer Gegenpol zu Lima, wo ein Drittel der peruanischen Bevölkerung lebt. Der peruanische Staat ist zentralistisch aufgebaut und viel Geld verbleibt in Lima. Gegen das erhebt sich immer wieder Protest und nach Arequipa folgen dann oft weitere Städte insbesondere im Süden.

Arequipa ist auch im Schachbrett aufgebaut, auch wenn die Hausnummern einer Straße mit jeder Kreuzung um ein weiteren Hunderter erhöht werden. Sodass die erste Ziffer Einem verrät, wie viele Blocks das gesuchte Haus entfernt ist. Ein System was nicht nur in Arequipa eingesetzt wird.

Ein Geheimnis konnte ich lüften, dass mich schon länger irritiert hat. Die Müllabfuhr mit der fröhlichen Musik. Warum tönt aus den Lautsprechern des Müllautos sehr laute Kindermusik oder zumindest fröhliche oder folkloristische Musik? In Ecuador war es immer das selbe Lied, in Peru ändert sich das ständig. Kommt das Müllauto durch die Straßen, hören so die Anwohner*innen dies und bringen noch schnell den Müll an die Straße. Da die Musik bis vor einigen Jahren die Menschen in Peru genervt hat, wurde sie durch schönere und verschiedenere ersetzt. Bei guter-Laune-Musik Müll abholen. Klingt nach einen angenehmeren Job. Zudem gibt es in wenigen Straßen Metallstäbe am Straßenrand, mit einem Metallkorb auf Augenhöhe, in dem der Müll abgestellt wird, bis er abgeholt wird. Das verhindert, dass die Straßenhunde den Müll zerreißen.

Ansonsten macht Arequipa einen friedlichen und kleinstädtischen Eindruck. Dass eine Million Menschen in dem Ballungsraum wohnen, merkten wir ihr kaum an.

Wir haben nur eine Übernachtung in Arequipa gebucht. Am nächsten Tag geht es in aller Frühe los. 2:40 Uhr klingelt der Wecker.

Hervorheben möchte ich noch Pippis geilen Salat. Dafür hat sie hat den lokalen Bergkäse geschnitten und in der Pfanne gebraten, was eine sehr geile Idee ist, die ich anderen nur empfehlen kann. Es ähnelt dann Halloumi. Den Käse und alle anderen Zutaten gibt es auf dem Mercado San Camillo. Dort kann günstig, lokal und gut alles mögliche erworben werden und sogar Snacks und Mahlzeiten gegessen werden. Wir haben Kartoffel-Spaghetti-Auflauf bekommen. Wie lecker der war! Auch gibt es schon die bolivianische Spezialität der Salteñas. Sie ähneln den Empanadas und sind meist mit Fleisch und Gemüse gefüllt. In Arequipa konnten wir vegetarische ergattern.

Glücklich nach so viel leckerem, ging es früh in die Koje.

Salteña auf dem Mercado San Camillo

PS.: und da ist übrigens Arequipa:


Okt 18 2018

Pippis Ankunft in Lima

von Karl

 

Die Wüste scheint unendlich zu sein. Ich sitze zum hundertsten Mal auf meiner Reise in einem Reisebus. Diesmal ein besonders klappriger. Über Nacht ging es von Sullana nach Lima. Sullana ist ein naher Ort bei Piura, wo die Busse günstiger sein sollen. Ob das stimmt kann ich nicht sagen. Mein Bus hat nach Sullana noch Halt in Piura gemacht …

Die Wüste ist links und rechts. Rechts, also westlich, kommt auch immer mal der Pazifik zu Gesicht. Der Strand setzt sich unendlich nach links in teils riesige Dünen fort. Perus Küste ist meist trocken. So langsam nähern wir uns der 10-Millionen-Metropole Lima. Links und rechts stehen erste Lehm- und Ziegelhäuser mit Wellblech-Dächern. Das Gewusel nimmt zu, obschon wir noch ewig vom Zentrum entfernt sind. Ein erstes Mal hält der Bus, aber angesichts der Dimensionen in Lima, wird er noch mehrmals halten. Lima selbst überzeugt durch dauerhaft bewölktes Wetter.

Der altersschwache Bus klappert sich durch den Stau und irgendwann finde ich – nur durch die Hilfe anderer Mitreisenden – meinen Ausstieg. Der angepeilte Haupt-Busbahnhof von Lima, genannt „Gran Terminal Plaza Norte“, hat noch einige abgelegene Bushöfe in den Seitenstraßen. Dort ist mein Billig-Bus angekommen und nicht wie erwartet im eigentlichen Busbahnhof.

Angesichts der Größe beschließe ich direkt ein Taxi zu nehmen und finde mit dem Fahrer über Umwege die gesuchte Unterkunft die mir aber nicht aufmacht. Über das benachbarte Auto-Ersatzteil-Geschäft bekomme ich dann den Vermieter ans Telephon. Es seien keine Betten frei. Reservierung hin oder her, es täte ihm leid.

Was soll‘s 10 Meter weiter im Hostel bekomme ich sogar ein besseres Angebot. Als ich erfahre, dass es nur 15 Minuten zu Fuß zum Gran Terminal sind, denke ich, warum ich so viel für das Taxi ausgegeben habe.

Die Umgebung ist weit entfernt vom touristischen oder luxuriösen Zentrum. Ich erkunde etwas die grau-gelbe Umgebung. Ich komme beim Mittag mit einer ehemaligen Fernseh-Mitarbeiterin ins Gespräch. Sie will aber lieber umschulen und weniger Journalismus und mehr Marketing machen.

Spät abends, gegen 11 nehme ich eins von den Minibussen die zwischen Gran Terminal und Flughafen fahren. Das Gaspedal immer durchgedrückt, der Ausrufer und Kassierer immer ungeduldig, die Knie immer schmerzhaft eingeklemmt, die Musik schrecklich laut. So düse ich durch die kühle Nacht.

Am Flughafen warte ich dann. Nicht dass ich schon länger ungeduldig auf diesen Tag hinfieberte, aber nun bekomme ich das erste Mal Besuch auf meiner Reise. Pippi hat beschlossen ihren Jahresurlaub zu nehmen, um mit mir 5 Wochen bis nach Santiago de Chile zu reisen. Dem gebührt Respekt! Wir haben uns sehr lange nicht gesehen und umso erfreutet sind wir uns wiederzusehen.

Wir haben nicht viel Zeit für Lima eingeplant, zumal ich die Stadt schon kenne. Wir sehen uns den Hauptplatz an und genießen verschiedene Leckerein. Wir probieren auch eine Art Zabaglione. Wir vermuten dass Ei und Zucker schaumig geschlagen wurden um sie dann z.B. mit peruanischen Schwarzbier in einem Becher an der Straße zu verkaufen. Schmeckt ganz okay.

Ganz in der Nähe vom Plaza Mayor (Hauptplatz) gibt‘s übrigens ein voll leckeres und ausschließlich veganes Selbstbedienungsrestaurant. Ein Geheimtipp für andere Reisende!

Am nächsten Tag haben wir dann nur noch unsere Rucksäcke geschnürrt um zur zweitgrößten Stadt Perus aufzubrechen und auch für mich in neue Welten. Wieder versagt der Gran-Terminal-Busbahnhof und wir müssen in die Stadt fahren, was angesichts der extremen Anzahl an Fahrgästen eine Herausforderung sonders gleichen ist. Gegenüber vom Stadion gibt es eine große Anzahl von Busfirmen und wir sind positiv angetan von Cromotex, eine der hunderten Busfirmen. Auch ein Tipp für andere Reisende (-;


Aug 28 2018

Bogotá im Zeichen des aufkommenden Friedens

von Karl

 

In keiner Stadt habe ich wohl so viel Zeit verbracht, wie in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Mit ihren 7 Millionen Menschen eine der größeren. Als ich aus dem Bus ausstieg erwartete mich schon ihr kalt-nasses Wetter. Nicht, dass es tagsüber auch mal T-Shirt-warm werden kann, es kann auch regnen und Sonne scheinen im selben Moment.

Sicherheit und Geschichte des bewaffneten Konflikts bis heute in Kolumbien

gesamte Geschichte Kolumbiens

Bogotá ist eine Stadt die auch viel über aktuelle und vergangene Politik verrät. Kolumbien befindet sich an einem Wendepunkt zwischen bewaffneten Auseinandersetzungen und Frieden. Wie schon in anderen Städten Kolumbiens wird uns gedankt, dass wir als Touris gekommen sind, damit wir ein friedliches Bild Kolumbiens nach außen senden können.

Bis vor wenigen Jahren noch, war es sehr gefährlich, sodass selbst Einheimische kaum ihre Städte verlassen haben. Bus fahren war zu gefährlich und Fliegen ist in Kolumbien teuer. Aber selbst das Fliegen wurde teils durch paramilitärische oder Guerilla-Armeen unterbunden. Busse überfallen oder zumindest eine Passagen-Gebühr genommen. Paramilitärs galten als besonders brutal, d.h. sie töteten gleich die ganze Familie, wenn Menschen im Verdacht standen mit Guerillas zu kooperieren, während Guerillas Geiseln nahmen und Lösegeld forderten. Auch die Armee begang Menschenrechtsverbrechen. Bekannt sind z.B. die vielen „Falsos Positivos“. Im „Plan Colombia“ hat die US-Regierung mehrere Milliarden an Rüstungshilfe im Kampf gegen die Drogen bereit gestellt. Das Geld floss über Umwege zurück an US-Waffenhersteller. Umwege, weil laut UN-Vorgaben, Länder nicht anderen Geld geben dürfen, damit sie eigene Waffen kaufen. Es gibt aber private US-Sicherheitsdienste die dann zu Mittelsleute werden. Nicht nur der Kampf gegen Drogen stand im Interesse der USA, auch die Guerillas, die als links gelten, kamen ins Fadenkreuz. In dieser Zeit wurde das Geld auch eingesetzt um Kopfpauschalen für ermordete Guerilleros an Soldaten zu zahlen. Die Folge war dass Bäuer*innen und mit falschen Versprechen angeworbene in Guerilla-Uniformen gesteckt wurden, um sie dann zu töten und abzurechnen. Diese Zahl geht in die Tausende und werden „Falsche Positive“ also „Falsos Positivos“ genannt.

Die Paramilitärs entstanden als Reaktion auf die Guerillas und der Unfähigkeit des Staates diese zu bekämpfen. Großgrundbesitzer aus dem Norden Kolumbiens gründeten und finanzierten die paramilitärischen Kämpfer*innen. Paramilitärs gelten als rechts außen.

Guerillas

Ähnlich wie paramilitärische Verbände gibt es eine Vielzahl Guerilla-Armeen. Die berühmtesten sind wohl die FARC-EP, ELN und M-19. Die FARC begann als leninistisch-marxistische Gruppe in den 1960er Jahren in Folge der Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen in Kolumbien. Liberal meinte da noch links-progressive Ideen und nicht was heute unter neoliberal verstanden wird. Die Konservativen, vielleicht unter zur Hilfenahme der CIA, haben liberale Präsidentschaftskandidaten ermordet und so deren Machtübernahme verhindert. Als das in Straßenschlachten in Bogotá mündete, begann eine brutale und verdeckte Verfolgung der Liberalen. Zu Hause oder auf offener Straße wurden sie erschossen. Das radikalisierte Gruppen und mündete in Guerillas a la FARC. Mit der Zeit musste sich die FARC finanzieren, wodurch sie auch im Drogenhandel aktiv wurde. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel auch diese Unterstützerin weg. 2016 schlossen FARC und Regierung mit Unterstützung von Norwegen und Kuba einen Friedensvertrag. Die FARC gibt die Waffen ab und firmiert als neue Partei. Sie hat nun für einige Jahre 10 feste Sitze im Parlament. Die Regierung ist verpflichtet die ländlichen Gegenden, in denen die FARC aktiv ist, zu unterstützen. In einer Volksabstimmung Ende 2016 stimmten allerdings 50,22% der Bevölkerung gegen das Friedensabkommen. Nur wenige Wochen vor der Abstimmung wurde der 300seitige Vertrag veröffentlicht. Viele befürchten, dass die Guerillas für ihre Menschenrechtsverbrechen nicht ausreichend bestraft werden.

Justizministerium, am Tag vor Duques Amtseinführung

Der erst am 7. August das Amt übernommene Präsident Ivan Duque steht auf der Seite der Kritiker. Dem rechten Politiker der konservativen Partei konnten Verbindungen zu Paramilitärs nachgewiesen werden, aber Morde an Zeugen verhindern Gerichtsverfahren. Mit ihm wird eine Rückkehr zur Gewalt befürchtet. Das kurz vor dem Abschluss stehende Friedensabkommen mit der ELN, der zweitgrößten Guerilla-Gruppe, wurde abgebrochen und wird von Duque nicht fortgeführt. Die stalinistische ELN operiert noch, u.a. im Nordosten. Als ich dort unterwegs war, sind mir die unzähligen Straßenkontrollen durch die Armee und Polizei aufgefallen. Teilweise im Zehn Minuten Takt sind wir in eine Kontrolle geraten. Es bleibt abzuwarten, wie die ELN, die sich auf Frieden eingesetellt hatte, darauf reagieren wird.

Am zentralen Platz der Stadt, dem Plaza Bolivar, wurde Duque vereidigt. In der Platzmitte steht Kolumbiens wichtigster Befreier von den spanischen Besatzer*innen: Simon Bolivar. Sein wichtigster Mitstreiter war Francisco de Paula Santander. Allerdings verstritten sich beide nach Erlangen der Unabhängigkeit. Bolivar war für eine Diktatur unter seiner Führung, während Santander Demokratie befürwortete. Am selben Platz steht das Justizministerium mit einem Zitat von Santander. Selbiges Gebäude ist Symbol einer M-19-Aktion. M-19 ist aus akademischen Kreisen in Bogotá entstanden und hat einen Bruch durchgemacht, als sie anfing mit den Drogen-Kartellen zusammenzuarbeiten. In den 1980er stürmten sie das Justizgebäude und nahmen zig Geiseln. Im Nachgang fehlten Beweisunterlagen für Prozesse gegen Drogen-Kartelle. Auch die Armee zeigte sich nicht kooperative und beschoss das Gebäude rücksichtslos teils mit Panzern, dass es im Nachgang komplett neu aufgebaut werden musste.

indigene Frauen protestieren während Duques Amtseinführung gegen dessen politischen Kurs

Mathilde, Laura und Isabelle

Meine ersten Tage waren dadurch geprägt die politische Auseinandersetzungen zu verfolgen, die durch die Amtseinführung Duques nochmal präsenter waren. Für zwei Nächte hatte ich allerdings das Glück bei Mathilde übernachten zu dürfen. Eine Couchsurferin die durch hartes Arbeiten sich bekannt machte. Die geborene Französin lebte schon einige Jahre in verschiedenen Ländern und macht nun ihren Abschluss in Bogotá. Mit BBC lernten wir am ersten Abend ein sehr leckeres und lokales Bier intensiv kennen.

Sie sprach mir aus dem Herz, was ich bei vielen Backpackern vermisse: Das Bewusstsein über die eigenen Privilegien. Viele kommen nach Kolumbien und freuen sich, welch tolles Land das ist. Das aber vieles darauf beruht, dass sie hier wegen der schwachen Währung finanziell gut ausgestattet sind, wird gern ausgeblendet. Für einige in Kolumbien ist selbst der Bus zu teuer, der umgerechnet ca. 0,70 Euro kostet. Durchschnittseinkommen liegt wohl bei 200 Euro im Monat. Da ist ein 150-Euro-Zimmer in Bogotá, wie es Mathilde bewohnt, nicht mal eben zu haben. Wer im Hostel im Touri-Viertel abhängt und Touren bucht, wird wohl kaum hinter den Vorhang schauen. Am nächsten Tag lerne ich noch ihre bolivianische Mitbewohnerin kennen, die auch sehr freundlich und hilfsbereit ist.

Dank Mathilde bekomme ich später Kontakt zu Isabelle. Isabelle ist kanadische Menschenrechtsanwältin, arbeitet aber schon seit einigen Monaten in Bogotá. Ab und zu fährt sie in ländliche Gegenden und trifft Frauen. Frauen die unter dem bewaffneten Konflikt litten und deren Stimme sie in den Friedensprozess einfließen lässt. Isabelle schreibt nach den Gesprächen Berichte, die Teile einer Sonderjustiz sind, die Rahmen des Friedensabkommens Verbrechen von FARC und Armee aufarbeiten. Erst seit einem guten Monat laufen die ersten Verhandlungen vor der JEP. Isabelle erzählte uns bei guten Kaffee voller Energie von ihren Erlebnissen. Sie strotzt voller Stolz und Energie, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. Ich dagegen schweige und staune. Eine starke Arbeit, die sie da leistet und das direkt im historischen Weg Kolumbiens. Sie erzählt von lokalen Initiativen die Erfolge für die Unabhängigkeit der Frauen feiern. Oft ist die ökonomische Abhängigkeit vom eigenen Mann, ist oft ein Problem um sich effektiv gegen häusliche Gewalt zu wehren. Aber auch die Folgen des Konflikts werfen ihre Schatten. Vergewaltigungen haben alle bewaffneten Gruppen eingesetzt um ihre Region zu kontrollieren. Zugeben mag es nur niemand. Dann lieber zugeben, dass sie einen Mann getötet haben. Sie erzählt von einer Frau, die von einem Paramiltär vergewaltigt worden war und später darüber sprach. Das war traumatisierend auch für die Tochter, weil die nun Begriff wer ihr Vater ist. Viele trauen sich nicht offen darüber zu sprechen und da kann Isabelle mit Anonymität und vertrauensvollen Gesprächen trotzdem helfen.

Über Isabelle kommen wir in Kontakt mit ihrer Kollegin: Laura. Sie arbeitet auch für „Humanas“ und kümmert sich mehr um den Friedensaufbau. Besonders in Kontakt mit Paramilitärs im Nordwesten. Wir diskutieren wie sie mit Menschen umgehen muss, die grausamste Taten begangen haben. Wie sie Paramilitärs und Guerillas für gemeinsames Fußball-Schauen gewinnen konnte. Eine, die selbst Opfer von Paramilitärs wurde, meinte mal zu ihr: „Wir sind keine Opfer und Täter. Wir sind überlebende des Konfliktes.“ Verzeihen zu können scheint ihr wichtig zu sein, aber natürlich müssen sie ihre Taten zugeben und bei Aufklärung helfen. Laura spricht von ihren Job nicht als Job. Es ist ihr Leben. Ich frage sie, wie sie das Problem lösen möchte, da Kokain immer noch stark nachgefragt wird. Besonders Nordamerika und Europa konsumieren, während Länder wie Kolumbien produzieren. Sie spricht von Legalisierung und welche Folgen der Koka-Anbau hat. Ja da hängt Blut dran und es wird mir klar, dass auch hier die neokoloniale Ausbeutung zu finden ist. Die Folgen des Konsums im globalen Norden, trägt der globale Süden.

Als positives Beispiel führt sie das Café an, indem wir uns verabredet hatten. „Cantera Café Work“ setzt ausschließlich auf Regionalität. Selbst die Kaffeemaschinen sind aus Kolumbien. Eingestellt werden ehemalige FARC-Kämpfer*innen. So wird ihnen ein Weg vom/von der Soldat*in hinüber ins zivile Leben ermöglicht. Da das Mittag und der Kaffee ausgezeichnet sind, möchte ich allen Bogotá-Reisenden diese Location unbedingt ans Herz legen.

Noch Stunden nach dem Treffen bin ich schwer beeindruckt von Laura und ihrer Arbeit. Rosa und ich unterhalten uns noch länger über sie und hoffen, dass ihre Arbeit fruchtbar sein wird.

Grün und Bunt

Eine Region die Guerillas und Regierung nicht beherrschen, sind die Smaragd-Abbaugebiete. Kolumbien ist der größte Smaragd-Produzent der Welt. In der Innenstadt Bogotás bietet jede*r Schmuckhändler*in Smaragde und Smaragd-Schmuck an. An einer unscheinbaren Stelle im Zentrum können auch illegal die Edelsteine erworben werden. Immer zwei bis drei Männer stehen zusammen. Bei einer hinteren Gruppe konnte ich beobachten wie einer mit einem speziellen Lupen-Gerät seine Serviette untersuchte. Ich vermute mal, dass in der halboffen gehaltenen Serviette das grüne Gold schlummerte.

Wer nicht nur auf grün steht, sollte einfach mit offenen Auge durch die Stadt gehen. Auch unter Brücken, an Straßenrändern und Hausfasaden sind zig große und besonders gute Graffiti zu bestaunen. Auch wenn die Stadtpolitik das eingrenzen will, so sind viele Wände besonders kunstvoll gestaltet. Allein aus dem Fenster der Buslinien 6 und 1 konnte ich einiges sehen. Vögel sind oft gesprüht worden, weil sie auf die besonders hohe Biodiversität Kolumbiens verweisen. Kolumbien hat Naturschutzgebiete, die größer sind als die Niederlande.

Besonders bunt ging es auch am Sonntag los, als der 480te Stadtgeburtstag nachgefeiert wurde. Sonntags ist generell Ciclovia in Bogotá, d.h. viele Hauptstraßen werden für den Motorverkehr gesperrt. Fahrräder, Spaziergänger*innen, Sportler*innen verschiedenster Art und alles was Rollen hat, erobert die Straßen. Die Stadtverwaltung bietet u.a. auch Reparaturservice an. Diese Ciclovia wurde um einen langen und bunten Umzug ergänzt. Kulturgruppen haben verschiedenste Themen in Szene gesetzt. Teils durch Choreographien, Tänze, Akrobatik oder/und kunstvolle Kostüme und Puppen. Gruppe um Gruppe zog an mir und vielen anderen Schaulustigen vorbei.

Wer einen schönen Ausblick in der Stadt sucht, dem sei Montserrate empfohlen. Ein Gipfel an der Ostseite ist über einen langen steilen Weg zu erreichen oder Zahnradbahn oder Seilbahn. Die Seilbahn ist Sonntags günstiger. Wenn das Wetter besser ist, soll ein traumhafter Sonnenuntergang zu sehen sein. Neben einen wunderschönen Rundblick sei darauf hingewiesen, dass das kühle Wetter und der Wind einen nicht vor Sonnenstich und Sonnenbrand schützen kann. Leider. Auch das Hochhaus der Colpatria-Bank bietet einen schicken Rundblick.

In den Straßen Bogotás, aber auch in vielen anderen Orten Kolumbiens, werden „Minutos“ also Minuten angeboten. Das sind quasi mobile private Telephonzellen. Menschen bieten da Telephonate, meist nach Venezuela, für günstige Preise an. Meist wird damit geworben, welche Funknetze abgedeckt werden.

Trennung und der Weg nach Süden

Nun geht auch die schönste Zeit irgendwann vorbei. Bogotá war besonders spannend und ich konnte viel lernen. Ich breche auf, lasse aber Rosa zurück. Beide erwarten wir Gäste, die uns auf der Reise begleiten werden, nur, dass ich dafür Anfang September in Lima und sie in knapp zwei Wochen in Ecuador sein muss. Ich hoffe unsere Wege führen danach wieder zusammen.

Um etwas Strecke zu machen bin ich mit dem Bus direkt bis an die ecuadorianische Grenze gefahren. 23 Stunden brauchte der Bus bis Ipiales und mit dem geteilten Taxi war ich noch rechtzeitig bei der Migrationsbehörde Kolumbiens. Nach ca. 2 Stunden hatte ich meinen Stempel. Anders geht es vielen Venezolaner*innen, die in einer eigenen Schlange anstehen müssen und wodurch gut hundert übernachten müssen auf der Straße bis am nächsten Morgen die Behörde ihre Schalter wieder öffnet. Alle anderen haben privilegierten Vorzug. Das Rote Kreuz ist nun am Start. Ecuador hat das eleganter gelöst. Gleich acht Schalter sind nun rund um die Uhr besetzt, sodass niemand warten muss. Dadurch bin ich schnell durch an der Grenze und hab auch gleich ein geteiltes Taxi zum Busbahnhof gefunden. Kaum angekommen fuhr schon 20 Minuten später der Bus ab. Gegen 3:15 stieg ich etwas gerädert an einem der Busbahnhofe in Quito aus …


Jun 19 2018

Im Kontrast der Großstadt

19.Juni 2018, Piura, von Karl

Darf ich vorstellen: Arthur. Etwas kleiner, wuschlige schwarze Haare, immer etwas verpeilt und müde drauf. Nicht verlegen für ein ehrliches Grinsen. Unser Couchsurfer bewohnt im schicken Lima‘ Stadtteil Miraflores ein Zimmer in einer Studi-WG. Zusammen mit fünf anderen Studis aus aller Welt. Er ist als einziger aus Peru, bzw. aus Cusco. Eine Mitbewohnerin ist zur Zeit in Ecuador, sodass wir eines der kleinen Zimmerchen beziehen können.

Rundgang im reichen Lima

Trotz dessen, dass wir ihn schon weit vor um 10 Uhr aus dem Bett geklingelt haben, brechen wir nach einem kurzen Frühstück zu einem Stadtrundgang auf. Insofern das überhaupt möglich ist. Knapp 10 Millionen Menschen bewohnen Lima, was bedeutet, dass nahezu jede*r dritte Peruaner*in in Lima wohnt. Zwei Drittel davon in den ungeplanten Außenbezirken, die teils dörflich-ländlichen Charakter haben. Sie gelten teils als die ärmsten Orte Perus und von einem Besuch wird vielfach abgeraten. Schon gegen Mittag, sollen wir die „Favelas“ wieder verlassen haben. Wir machen uns aber erst gar nicht zu einer Armutstour auf.
Arthur geht mit uns an den Pazifik, den ich damit zum ersten Mal live sehe. Die luxuriösen Hochhaussiedlungen Limas sind durch einen schicken Park-Pfad, einer Steilküste und einer Autobahn von der Küste getrennt. Nur an wenigen Stellen gibt es die Möglichkeit ans Wasser zu kommen. Knapp 20 Grad laden zum Schwimmen ein, auch wenn lediglich eine Person dieser Idee folgt. Wir machen kehrt am Strand und lassen uns von Arthur noch Baranco, einen anderen schicken Stadtteil zeigen. Vieles hier erinnert nicht mehr an das uns vertraute Peru, sondern es könnte auch London sein. Die Preise sind teils um ein vielfaches höher. Alle kaufen in den Supermärkten ein. Die Straßen sind sauber und gerade gezogen. Hochhäuser. Kaum eine*r verkauft etwas auf der Straße. Es fehlt an den einfachen Restaurants, stattdessen gibt es Capuccino mit „Good Day“ Milch-Schaum-Schrift.
Besonders an London erinnert auch das triste Wetter. Von frühs bis abends ist es bewölkt und die diesigen Wolken hängen tief in den Hochhäusern. Der kalte Humboldtstrom im Pazifik macht Wasser und Luft deutlich kälter als Lima wegen seines Breitengrades sein müsste. Der Winter in Peru verbringt die Metropole dann im Nebel. Es kommt nie die Sonne durch. Kein Wunder, dass Arthur oft schlafen mag.

Pyramide zwischen Hochhäusern

Wir spielen mit Arthur des abends verschiedene Kartenspiele und kombinieren sie mit Wein und ausgedachten Strafen. So fliegen wir dann auf Besen über die Straße, halten Reden auf dem Dach oder tanzen alberne Videos in der Küche nach. Wir können die Zeit genießen und kochen viel. Arthur wünscht sich ein „deutsches“ Dessert. Eine Herausforderung angesichts des Verfügbaren im Supermarkt und in der Küche. Am Ende improvisieren wir Eierkuchen, die uns auch selbst sehr beeindrucken. Wie lange mag es her sein, dass wir dieses schöne Gericht genossen haben?
Am nächsten Tag – wir haben bis Mittags gepennt – brechen wir zu einer Ausgrabungsstätte auf. Eine alte Lehm-Pyramide erhebt sich surreal zwischen den Hochhäusern. Eine echte Pyramide, wie sie vor tausenden Jahren dort stand, von Archeolog*innen detailgetreu wider aufgebaut. Auf der Spitze der Pyramide müsste sich ein weiter Ausblick entfalten, doch dieser endet an den Hochhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Pyramide steht wie eine kleine alte Frau zwischen ihren hochgewachsenen Enkel*innen. Die Pyramide, in ihrer Zeit konserviert, im Kontrast mit der stürmischen Großstadt. Man möchte ihr zuhören, was sie die letzten tausenden Jahre gesehen hat.
Tags drauf geht es für uns ins Zentrum Limas, wo wir kurz ein Literaturmuseum und lang ein Kunstmuseum besuchen. Weil wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, sogar kostenlos. Die Kunst Perus hat für mich einen beeindruckenden Bruch durchgemacht. Dieser wird sogar nach Kolonialherrenart „präkolumbisch“ oder „prähispanisch“ genannt. Das bezeichnet die Zeit, bevor die Europäer*innen alles geraubt, versklavt und beherrscht haben. Neben den berühmten Inkas gab es eine Vielzahl weiterer Völker und bezeichnend ist, dass bei vielen Ausstellungsstücken geschrieben steht, dass nicht klar ist, wie genau dies oder jenes genutzt wurde. Zum Beispiel wird eine Art komplexer Rechenschieber aus Fäden ausgestellt, was darauf hinweist, wie weit die Inkas schon waren, aber wie es funktioniert, wird wohl keine*r mehr rausfinden. Mit der Ankunft der spanischen Konquistadoren ist die peruanische Kunst stark von der europäischen dieser Zeit bestimmt worden. Eine katholische Heiligpreisung folgt der anderen.

Wasserspiele

Wir entdecken zwischen den Sehenswürdigkeiten eine weitere vegetarische Speise für uns: Chaufa. Das ist Reis mit ein wenig Ei und Gemüse, gefärbt mittels Soja-Sauce. Wie es als asiatisches Gericht auch in Deutschland gern serviert wird. Auch hier in den vielen asiatischen Restaurants als Basis im Angebot. Ziemlich schmackhaft und sehr sättigend. Auch deshalb, weil sich bei den Portionen an den Anden orientiert wird und es fraglich ist warum der Reis-Berg vor einem nicht links und rechts runterkullert. Es ist immer zu viel Chaufa auf einem Teller.
Auch Tortilla con Verduras (Gemüße-Tortilla) kann ich vegetarischen Peru-Reisenden ans Herz legen. Hier wird ein riesige Ei-Masse mit etwas Gemüße auf einen Berg Reis abgelegt und als unessbar große Portion serviert. Weil wir einmal bei Reisenden-Tipps sind: Die Banco de Nacion nimmt keine Bearbeitungsgebühr, wenn ihr Geld abhebt. und die Busgesellschaft Oltursa können wir weiterempfehlen.
Mit Arthur geht es an unseren letzten Abend in den Parque de Agua. Einen riesigen Gelände mit zig Springbrunnen. Mit Musik und Licht sehr schön in Szene gesetzt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Von einer riesigen Laser-Show beeindruckt, laufen wir unter Wasserstrahlen durch und lassen uns von Springbrunnen einsperren. Wir werden nass; und bewundern die sich ändernden Wasserstrahlen. Wir bleiben lange und machen viele Photos. Irgendwann sind wir müde und geschafft machen uns auf nach Haus.
Mit der Metro. Metropolitano meint ein Netz aus Bussen, die auf eigenen Schnellspuren auf der Stadtautobahn unterwegs sind. Es gibt einige Linien, die nicht an allen Haltestellen halten. An fahren sie einfach vorbei. Sie sind farbig und mit Buchstaben oder Zahlen differenziert. Es soll noch eine Eisenbahn geben die verschiedene Stadtteile verbindet.

Was ich nicht liebe

Noch eine Weile sitze ich mit Arthur, der französischen Mitbewohnerin und einem weiteren Gast aus Belgien in der Küche, trinke Bier und spiele Karten. Leider hat die Fußball-Weltmeisterschaft begonnen und alle sind aus dem Häuschen. Für Peru ist es besonders krass, weil sie seit 36 Jahren erstmals wieder mitspielen. Als Deutsche werden wir ständig darauf angesprochen, da die deutsche Elf Titelverteidiger ist und besonders mich nervt es zunehmend an. Weder interessiert mich der kommerzielle Fußball, noch fühle ich mich meinem Land, noch mit den reichen Fußball-Spielern verbunden. Auch als ich mich an dem Abend gezwungen sehe, mich dafür zu erklären, gibt es kaum Verständnis in der Runde. Ich muss doch mein Land nicht mögen, nur weil es mir seinen Pass ausgestellt hat?
Aber freust du dich denn nicht wenn dein Team gewinnt?
Was ich denke: Warum mein Team?
Was ich antworte: Nein. Warum?
Ich lass die drei sitzen, die das ambitionierte Ziel haben um fünf Uhr früh aufzustehen, weil dann das erste Spiel übertragen wird.
Als sie wieder ins Bett gehen, fangen wir an unsere Rucksäcke zu packen. Arthur schaut uns ungläubig an, als wir um 8 Uhr abends immer noch nicht wissen wo die Busse abfahren und wir noch kein Ticket haben. Offensichtlich können wir noch eine Spur lässiger als der lässigste Typ vor uns. Tatsächlich werden wir eines besseren belehrt und finden keine Bustickets mehr, die uns über Nacht ins ersehnte Trujillo bringen. Eine Großstadt am Meer, die wir uns etwas preiswerter und mit Sandstrand ausmalen. Ein freundlicher Taxifahrer klappert mit uns die hunderten Busagenturen in der Innenstadt ab, aber in der Regel müssen die Agentinnen noch nicht mal in den Computer schauen um mit dem Kopf zu schütteln.
Etwas abgeschlagen lassen wir uns die gute halbe Stunde zum großen nördlichen Busterminal fahren. Dort stehen wir einem Busbahnhof gegenüber, der einigen Flughäfen sicherlich den Rang abläuft. Er ist einfach riesig. Wir fragen uns – es ist mittlerweile schon fast 11 Uhr abends – an den Schaltern von hunderten Firmen durch und werden tatsächlich noch fündig. „Titanic“ – welch kreativer Busfirma-Name! – verkauft uns noch zwei Tickets in einem älteren und sehr engen Modell. Die vielen Menschen um mich herum rauben den Sauerstoff und sorgen für wohlige Wärme. Nicht lange und ich entschwinde in die Welt der schönen Träume und damit aus Lima, der größten und Hauptstadt Perus. Gute Nacht!

PS.: Lima und unsere nächsten Stopps auf einer Karte:

Lima, Trujillo, Piura

StepMap Lima, Trujillo, Piura